Leser zum Trinkgeld-Dilemma
«Meine Kollegin hat im Monat über 2000 Fr. unversteuertes Trinkgeld»

Trinkgeld geben oder nicht? In der Schweiz sorgt das Thema für Diskussionen – besonders seit Kartenterminals fixe Beträge vorschlagen. Unsere Umfrage zeigt: Die Mehrheit gibt gerne. Aber nicht alle machen freiwillig mit.
Publiziert: 11:43 Uhr
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Aktualisiert: 13:33 Uhr
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Schweizerinnen und Schweizer sind meist grosszügig, wenn es ums Trinkgeld geht.
Foto: Getty Images

Darum gehts

  • Schweizer geben gerne Trinkgeld, lehnen aber Druck oder Aufforderungen ab
  • Digitale Bezahlterminals mit Trinkgeldoptionen stossen auf geteilte Meinungen
  • 63 Prozent der Blick-Leser geben zwischen fünf und zehn Prozent Trinkgeld
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Sarah RiberzaniCommunity Editor

Trinkgeld zu geben gehört für viele Schweizerinnen und Schweizer ganz selbstverständlich zum Restaurantbesuch dazu. Nur 5,4 Prozent verzichten laut einer aktuellen Studie der ZHAW im Auftrag der Bank Cler ganz darauf. Damit zeigt sich: Wer guten Service erhält, belohnt diesen auch.

Doch der gute Wille kippt schnell, wenn der Zahlterminal plötzlich Prozentsätze vorschlägt oder das Personal direkt nach Trinkgeld fragt. Ganze 62 % empfinden das als unangenehm oder bevormundend. Am liebsten entscheiden Herr und Frau Schweizer selbst: Betrag nennen, Trinkgeld draufrechnen – fertig. Ohne Druck, ohne Aufforderung. «Je aktiver die Gäste auf die Möglichkeit zur Trinkgeldgabe hingewiesen oder gar dazu aufgefordert wird, desto weniger Gefallen finden sie daran», so das Fazit der Studie. 

So viel Trinkgeld ist in der Schweiz üblich

Doch wie viel Trinkgeld geben die Menschen in der Schweiz wirklich? Unsere Blick-Umfrage mit über 8000 Teilnehmenden zeigt eine klare Tendenz: 63 Prozent der Blick-Leserinnen und -Leser geben beim Bezahlen zwischen fünf und zehn Prozent Trinkgeld. 14 Prozent zeigen sich besonders grosszügig und legen zehn bis fünfzehn Prozent drauf. 13 Prozent der User geben weniger als fünf Prozent, während zwei Prozent sogar mehr als fünfzehn Prozent springen lassen. Und immerhin acht Prozent verzichten ganz auf Trinkgeld.

Albert Baumgartner gehört zu Letzteren. Er weist darauf hin, dass der Service seit 1974 in den Preisen der Schweizer Gastronomie inbegriffen sei. «Null Trinkgeld gebe ich in der Beiz, die Preise sind inklusiv kalkuliert. Wenn die Beizer Anstand hätten, würden sie das gross auf die Rechnung schreiben», kommentiert er.

«Eingeforderte Trinkgelder sind frech»

Leserin Monika Meier sieht dies ähnlich. «Jeder, der will, soll Trinkgeld geben, aber ich fühle mich immer ein wenig genötigt.» Besonders stört sie sich daran, dass Trinkgeld oftmals nicht versteuert werde. «Wir Verkäufer, oder mein Mann als Maler, haben auch keinen grossen Lohn. Trotzdem müssen wir jeden Rappen versteuern. Meine Kollegin im Service hat im Monat meistens über 2000 Franken Trinkgeld – unversteuert, schwarz! Würde man das alles korrekt versteuern, wäre ein Teil der 13. AHV bezahlt», schreibt sie.

Kritik gibt es auch an den digitalen Bezahlterminals, die beim Bezahlen automatisch Trinkgeldoptionen vorschlagen. Leserin Tanja Berger gibt bei gutem Service grundsätzlich Trinkgeld, findet aber klare Worte: «Wird dies nun nach US-Vorbild regelrecht verlangt, dann gebe ich aus Prinzip nichts mehr! Trinkgeld muss ohne Druck freiwillig bleiben.» Auch User Hans Schweizer kritisiert die Prozentvorgaben deutlich: «Diese in Prozent eingeforderten Trinkgelder sind einfach frech – und das oft in Lokalen, wo ich das Essen selber abhole und der Service gar nichts machen muss. Nein, danke!»

«Ich sehe das Problem nicht»

Doch nicht alle Blick-Leserinnen und -Leser stören sich an den Trinkgeldvorgaben auf dem Zahlterminal. «Ich sehe das Problem nicht. Man hat die Auswahl zwischen drei fixen Prozentsätzen, einer individuellen Eingabe und den grössten Knopf mit ‹Überspringen›. Als Kunde kann ich selbst entscheiden. Ich finde es sogar gut, dass man gleich den Gesamtbetrag sieht», schreibt Leser Peter Nikolaus. 

Auch Reto Menzi zeigt Verständnis für das System und erinnert an die Realität vieler Arbeitnehmenden im Dienstleistungsbereich: «Vergessen Sie bitte nicht, dass das Servicepersonal oft zu sehr kleinen Fixlöhnen angestellt ist, die kaum für den Lebensunterhalt reichen. Viele arbeiten im Stundenlohn, mit einem Pensum, das unter dem BVG-Koordinationsabzug liegt.»

Und Userin Brigitte Schneider betont, dass bei ihr vor allem die Freundlichkeit entscheidet: «Bei aufmerksamer Bedienung gebe ich gerne zwischen 10 und 20 Franken Trinkgeld. Aber wenn jemand unfreundlich ist, runde ich höchstens auf den nächsten Franken auf. Ich rege mich jedes Mal auf, wenn das Trinkgeld kommentarlos und wie selbstverständlich eingesteckt wird!»

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