Darum gehts
- Birsfelden BL kontrolliert Durchgangsverkehr und verhängt Bussen für Schnelldurchfahrten
- Rechtmässigkeit der Massnahme wird vom Bundesamt für Strassen infrage gestellt
- Seit Mitte September wurden rund 1,5 Millionen Franken an Bussen eingenommen
Die Gemeinde Birsfelden BL hat in letzter Zeit eine gewisse Berühmtheit erlangt. Der Grund dafür sorgt derzeit bei vielen für rote Köpfe: Die Grenzgemeinde im Kanton Basel-Landschaft wendet spezielle Massnahmen an, um den Transit- und Ausweichverkehr von den Wohnquartieren fernzuhalten.
Wer das Dorf zu schnell durchquert – das heisst in weniger als 15 Minuten –, muss 100 Franken Busse zahlen. Ausgenommen sind Anwohner und jene, die wirklich etwas im Gebiet zu tun haben. Seit Mitte September dürften so bereits rund 1,5 Millionen Franken zusammengekommen sein.
Aber ist das überhaupt rechtens? Blick ist dieser Frage nachgegangen. Das Bundesamt für Strassen (Astra) stellt zumindest infrage, ob die Massnahme verhältnismässig und verfassungskonform ist und ob das Ganze gar in Richtung indirektes Road-Pricing geht. Auch Verkehrsrechtler und Juristinnen äussern erhebliche Zweifel an der Rechtskonformität dieser automatischen Kontrolle.
«Solche Gutmenschen-Aktionen gehören nicht in eine gesunde Gesellschaft ...»
Die Gemeindeverwaltung Birsfelden hat mittlerweile einen Bussenrückgang von 40 bis 50 Prozent verzeichnet. Doch das Thema ist damit noch lange nicht durch: In der Community von Blick sorgt die Angelegenheit für Gesprächsstoff. Die meisten kritisieren die Massnahmen der Baselbieter Gemeinde heftig.
Christian Gemuet etwa. «Geld zurück plus Entschädigung! Die habens nicht mehr alle!», entrüstet sich der Blick-Leser. «Das ist reine Abzocke!», schreibt der Leser Thomas Röthlisberger. Das eigentliche Problem werde so jedenfalls nicht gelöst, ist er sich sicher. «Hauptsache, es wird ordentlich abkassiert.» Auch Justin Lanz äussert sich irritiert darüber: «Mir scheint es willkürlich.» Seiner Ansicht nach sähe es beispielsweise bei einer Mautbrücke anders aus, sofern diese direkt von der Gemeinde finanziert worden wäre. Er hofft auf «eine saftige Busse» für Birsfelden. «Solche Gutmenschen-Aktionen gehören nicht in eine gesunde Gesellschaft ...»
«Jeder will vor seiner eigenen Haustüre Ruhe – aber ...»
«Jesses, ist diese neue Regelung ein solch grosses Problem?», fragt Dieter Zysset in die Runde. Andere wiederum versetzen sich direkt in die Lage eines Autofahrers, der das Dorf zu schnell queren würde. «Ich würde in diesem Fall eine entsprechende Ordnungsbusse nicht zahlen und somit ein Gerichtsverfahren anstreben. Dann muss ein Richter entscheiden», kommentiert Stefan Nadler.
Robert Wüthrich empört sich ebenfalls und legt in seinem Kommentar die Doppelmoral offen: «Jeder will vor seiner eigenen Haustüre Ruhe und ja keine fremden Autos. Wenn es aber die eigene ‹Autofreiheit› betrifft, ist jedes Mittel recht.» Die Zahl der Bussen zeige, wie sehr Quartierbewohner unter dem «Egoismus von Autofahrenden» leiden müssten. «Nur um fünf bis zehn Minuten früher zu Hause zu sein, ist ihnen jedes Mittel recht», mutmasst er.
«Das darf nicht sein – nirgends»
Der Leser Walter Zeeger wiederum sympathisiert mit den Quartiermitbewohnerinnen und -bewohnern: «Leider ist dies eine notwendige, aber gute Lösung, um den unnötigen Durchgangsverkehr einzudämmen», schreibt er. Bleiben Sie auf der Autobahn und lassen Sie die Dörfer nicht darunter leiden!»
Zeeger hat unter den Kommentarorinnen und Kommentatoren ein paar wenige Verbündete. Auch Patrick Weber findet «die Sache gut». «Es kann nicht sein, dass Anwohner durch den andauernden Smog und Lärm in Ihrer Wohnqualität dermassen beeinträchtigt werden», schreibt er. «Wenns mit der automatischen Verkehrsüberwachung nicht hinhaut, dann einen Verkehrsdienst einsetzen, der die Unberechtigten wieder zur Umkehr zwingt.»
Trotz der fragilen Rechtslage im Fall Birsfelden befürchten manche Leser, dass das Beispiel Schule machen könnte – sofern nichts gegen die aktuell angewandten Durchgangsverkehrsmassnahmen unternommen würde. Zu dieser Gruppe gehört etwa Daniel Zuber: «Ich hoffe, jemand geht bald vor Gericht, bevor es zu einem Flächenbrand kommt und jede Gemeinde damit anfängt, Strassen zu sperren. Das darf nicht sein – nirgends.»