Darum gehts
- Studie zeigt: Viele Kinder sprechen vor Einschulung ungenügend Deutsch
- Jedes dritte Kind beherrscht 1,5 Jahre vor der Einschulung kein Deutsch
- Eltern und soziales Umfeld spielen wichtige Rolle beim Spracherwerb
Immer mehr Kinder können vor der Einschulung nicht genügend gut Deutsch, zeigt eine Studie. So ist die Lage mittlerweile in vielen Kantonen. Teils wird von jedem dritten Kind gesprochen. Dagmar Rösler (53), oberste Lehrerin der Schweiz, meint, wenn Kinder nicht schon von klein auf lernen, sich auszudrücken, dann werde es im Schulalltag schwierig.
Faktisch sprechen Kinder, die eine Spielgruppe oder Kinderkrippe besuchen, bei der Einschulung besser Deutsch. Doch Kinder mit Förderbedarf besuchen seltener eine solche Einrichtung als Kinder, die von zu Hause deutschsprachig sind. Das kann an finanziellen Gründen liegen, oder am Bedürfnis fremdsprachiger Eltern, den Kindern zuerst die Landessprache beizubringen. Aargauer Bildungsdirektorin Martina Bircher (41) sieht als mögliche Lösung Deutsch-Boot-Camps für die betroffenen Kinder. Was denkt die Community?
«Das Problem sind die Eltern!»
Leserin Erika Schütz sieht das Problem klar ausserhalb der Schulen: «Fremdsprachige Kinder lernen von den Spielgefährten. In der Deutschschweiz hören und sprechen die Kinder Dialekt, in der Schule kommt dann noch die Schriftsprache hinzu. Das sind viele Hürden.» Auch Stephan Huber sieht eine zu grosse Diskrepanz zwischen Schuldeutsch und dem Deutsch der Kinder: «Auch Schweizer Kinder können nicht mehr gut Deutsch, sogar nach der Schule. Was ich da manchmal für Texte lese, ist eine Katastrophe!» Laut ihm würden sich Eltern zusätzlich keine Zeit mehr nehmen, um sich um die Hausaufgaben zu kümmern und zu üben.
Gabi Merz meint: «Mir fällt bei Kindern, die deutsche Sprache nicht ausreichend beherrschen, auf, dass sie in ihrem sozialen Umfeld überwiegend ihre Herkunftssprache sprechen, anstatt Deutsch. Ihnen fehlt es an praktischer Übung in der deutschen Sprache.» Es stünden zwar viele Angebote zur Verfügung, doch wenn die Kinder in ihrem sozialen Umfeld die Sprache nicht einüben können, reiche das laut ihr nicht aus.
Sie ist nicht die Einzige, die das Problem im sozialen Umfeld und vor allem bei den Eltern sieht. Stefan Keller schreibt etwa: «Sind wir ehrlich, das Problem sind die Eltern. Wie oft habe ich es schon gehört: Zuhause wird die Muttersprache gesprochen, Deutsch lernen sie in der Schule. Gibt es überall. Den Eltern ist es einfach nicht wichtig.» Erwin Schindler teilt ebenfalls eigene Erfahrungen: «Auch viele Kinder von gemischten Ehen können kaum Deutsch. Die Kinder gehen dann in den DAZ-Unterricht, wo Deutsch als Fremdsprache unterrichtet wird. Der Schweizer Elternteil begründet dies damit, dass sie zu Hause die Sprache des ausländischen Elternteils sprechen.»
«Wer hier in die Schule geht, muss Deutsch können»
Einige sind der Meinung, Familien mit Migrationshintergrund müssten im frühen Alter der Kinder verpflichtet werden, die Deutschkenntnisse zu verbessern. Thomas Maeder schreibt: Deutschunterricht auf Kindergartenstufe, Kitapflicht für Fremdsprachige. So lernen die Kinder sicher sehr schnell Deutsch. Das koste einmal Geld, spare aber langfristig viel mehr. So auch Verena Meyer: «Wie wäre es, wenn es für Einwanderer eine Pflicht für Sprachkurse auf eigene Kosten gäbe, inklusive Prüfungen? Jawohl, eine Leistung fordern!»
Andere wünschen sich einen Ansatz, der beim bereits existierenden Schulsystem anknüpft. «Dann muss man eben den Schwerpunkt auf dieses Fach legen», meint Roland Fehr. «Jammern allein hilft nicht. Wer hier in die Schule geht, muss Deutsch können.» Stefanie Eschmann sieht schon in den Spielgruppen das Problem: «Vielleicht sollten wir darüber nachdenken, die Spielgruppen günstiger oder gar gratis zu machen, dann würden auch die fremdsprachigen Kinder eher hingeschickt.»
«Sprachen sind keine Barriere»
Nicht alle vertreten diese Meinung. Heinrich von der Kappelen sieht in der Sprachdiskrepanz von Haushalt und Schule kein Problem, sondern sogar einen Vorteil: «Die Eltern machen es aus sprachwissenschaftlicher Sicht absolut richtig. Nur wenn die Erstsprache richtig gelernt wird, ist es möglich, eine zweite Sprache darauf aufzubauen» Besser wäre es, wenn ein Elternteil, der gut Deutsch kann, auch nur Deutsch mit dem Kind spreche.
Monika Roesler berichtet aus eigener Erfahrung: «Sprachen sind keine Barriere. Zu Hause sprachen wir nur Deutsch, lebten aber im französischen Gebiet. Der Kindergarten war eine sehr grosse Hilfe. Meine Enkel sprechen auch zwei Sprachen und jetzt geht es weiter mit den Urenkeln. Wo ist das Problem?»