Einsteigen – leider aktuell nur auf dem Beifahrersitz oder im Fond. Es ist ein Prototyp und ganz offensichtlich stammt er aus einer frühen Phase, denn einige der Ausstattungsdetails wie ein Head-up-Display fehlen. Und auch bei den Karosseriedetails wirkt dieser Polestar 4 alles andere als serienreif. Es gibt für die Entwickler also noch einiges zu tun – und doch freut sich bei den chinesischen Schweden jeder auf den ungewöhnlichen SUV mit Elektroantrieb, der ab 2024 als stylisher Zwilling des Polestar 3 auf den Markt rollt.
Ohne Heckscheibe
Testfahrer Sam drückt nahe dem Flughafen von Santa Monica (USA) aufs Gas. Und gewohnt geräuschlos gehts auf eine kurze, aber eindrucksvolle Runde im Elektro-Cross-over, der als Designclou auf eine Heckscheibe verzichtet. «Mit dem Polestar Precept hatten wir bereits einen Ausblick auf ein atemberaubendes neues Fahrzeugerlebnis gegeben, indem wir erstmalig auf die Heckscheibe verzichtet haben», sagt Polestar-Chefdesigner Maximilian Missoni.
Sam stört das fehlende Heckfenster nicht mehr. «Man gewöhnt sich schnell daran. Es gibt ja die Aussenspiegel und den digitalen Innenspiegel.» Dort erstrahlt tatsächlich gewohnt lichtstark der Verkehr hinter unserem Fahrzeug, ohne dass man um die hinteren Kopfstützen herumschauen muss oder sich über das hohe Heck ärgert. Und dennoch hapert es im neuen Polestar-Modell nicht an ausreichend Lichteinfall. Grund: Den Polestar 4 wirds serienmässig mit grossem Panoramadach geben, das auch die zweite Reihe erhellt. Bei Dunkelheit hilft eine variable Ambientebeleuchtung.
Viel Platz im Fond
Technische Basis des 4,84 Meter langen Cross-overs ist die von der Konzernmutter Geely entwickelte Premium Sustainable Experience Architecture. Durch den Radstand von drei Metern und der geschlossenen Rückwand bietet das Elektromodell besonders im Fond viel Platz für die Insassen. Die Sitze sind bequem und schmiegen sich leicht abgerundet in die Türelemente. Ein zweiter Bildschirm für die Medien- und Klimasteuerung ist zwischen den Vordersitzen angebracht und ermöglicht die Steuerung von der Rückbank.
Im Innenraum gibts nachhaltige Materialien, auf Wunsch ein Nappaleder-Paket mit Kopfstützen-Lautsprechern, während die Bedienung via Google über Sprache oder einen 15,4 Zoll grossen Zentralbildschirm erfolgt. Der Fahrer blickt hinter dem Steuer auf ein 10,2-Zoll-Display. Entsprechende Updates lassen sich per Over-the-Air aufspielen. Angenehm ist die Fahrwerkabstimmung. Obwohl der Schwede stramm unterwegs ist, fehlt die bockig-sportliche Härte des Polestar 2. «Der Polestar 4 wird in der Allradversion serienmässig über verstellbare Dämpfer verfügen», lächelt Sam und fährt etwas flotter über die schlechten Strassen Santa Monicas.
600 Kilometer Reichweite
Bei der Nomenklatur wirds bei Polestar jetzt etwas verwirrend. Punkto Anmutung und Preis (ab umgerechnet rund 60'000 Franken) reiht sich das neue Modell praktisch nahtlos zwischen Polestar 2 und Polestar 3 ein. Derzeit läuft die Fertigung des Polestar 4 im chinesischen Werk Hangzhou Bay an. Dabei soll es nicht bleiben. Für die Märkte in Nordamerika und Südkorea kommt das Elektromodell aus der Fertigung von Renault Korea Motors Werk in Busan. «Da der Polestar 3 Anfang 2024 in Chengdu (China) und im Sommer 2024 in South Carolina (USA) in Produktion gehen soll», so Polestar-CEO Thomas Ingenlath (59), «werden wir bald in fünf Fabriken in drei Ländern produzieren und damit unsere globalen Wachstumsambitionen unterstützen.»
Wie gut der Polestar motorisiert ist, können wir bei unserer kurzen Ausfahrt auf dem Beifahrersitz und im Fond kaum spüren. Das Topmodell mit seinen beiden Elektromotoren an Vorder- und Hinterachse leistet aber 544 PS (400 kW) und ein maximales Drehmoment von 686 Nm. So beschleunigt das über zwei Tonnen schwere Cross-over in 3,8 Sekunden auf Tempo 100. Die Basisversion des Polestar 4 hat 272 PS (200 kW) und Hinterradantrieb – und soll dank der 102-kWh-Batterie mit einer Ladung 600 Kilometer weit kommen.
Die maximale Ladegeschwindigkeit liegt bei 200 Kilowatt – mehr ist aufgrund der fehlenden 800-Volt-Technik nicht drin. Dafür ist er als erster Polestar auch für bidirektionales Laden ausgelegt, und kann so auch andere Verbraucher mit Strom versorgen. Mit seinem Kooperationspartner Store Dot will Polestar ab 2025 in seinem viertürigen Luxuscoupé die sogenannte XFC-Technologie (Extreme Fast Charging) zur Serienreife bringen, die dann ein Nachladen von 160 Kilometern Reichweite in fünf Minuten ermöglicht.