Neuer MG IM6 auf Audi-Basis im Test
MGs Angriff auf Europas Premiummarken

In den letzten Jahren hat sich der einst britische Hersteller MG mit günstigen Stromern einen Namen gemacht. Nun greifen die Chinesen mit dem Elektro-Crossover IM6 auch im Premium-Segment an – und kooperieren dafür mit VW-Edeltochter Audi.
Publiziert: 16:36 Uhr
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Aktualisiert: 18:05 Uhr
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Bisher hat sich der einst britische Hersteller MG mit günstigen Stromern einen Namen gemacht. Mit dem IM6 folgt nun ein höherpreisiger Nobel-SUV.
Foto: Joseph Harding

Darum gehts

  • MG lanciert Luxus-SUV IM6 in Norwegen, Grossbritannien und der Schweiz
  • Der IM6 entstand in Zusammenarbeit mit Audi für die technische Entwicklung
  • Allradantrieb leistet 752 PS, die Version mit Heckantrieb schafft bis zu 710 Kilometer
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Europa und asiatische Premiummarken sind noch keine Liebesbeziehung eingegangen. Toyotas Edeltochter Lexus probiert schon seit über 30 Jahren, auf dem alten Kontinent ordentliche Stückzahlen zu erzielen. Die Erfolge sind genauso mässig wie bei Hyundais Luxuslabel Genesis, das trotz guter Produkte den Erwartungen hinterherfährt.

Kein Wunder, dass es den chinesischen Autobauern, allen voran BYD, Nio und Great Wall Motor, bisher nicht besser ergeht. Trotzdem lanciert der chinesische Staatsautobauer SAIC, zu dem auch der ehemalige britische Hersteller MG gehört, mit dem IM6 nun einen Nobel-SUV. Zuerst allerdings nur im elektromobilitätsaffinen Norwegen, MGs alter Heimat Grossbritannien – und in der luxusverwöhnten Schweiz.

Um die Erfolgschancen des IM6 zu erhöhen, hat MG mit Audi zusammengespannt. Man könnte auch sagen: Eine Hand wäscht die andere. Denn während Audi auf der Shanghaier Autoshow im Frühjahr den E5 Sportback vorgestellt hat, der in Zusammenarbeit mit SAIC entwickelt wurde und den Deutschen endlich wieder Stückzahlen im boomenden China bescheren soll, scheint der IM6 das technische Pendant aus dem Hause MG zu sein. Offiziell schweigen beide Parteien – doch die technische Verwandtschaft ist zu offensichtlich.

Elektro-Power im Überfluss

Denn wie der E5 Sportback baut auch der IM6 auf einer 800-Volt-Architektur auf, besitzt NMC-Akkus (Nickel-Mangan-Cobalt) mit einer Kapazität von 100 Kilowattstunden (96,5 kWh netto), ein Fahrwerk mit Luftfedern (nur in der Launch-Edition) und adaptiven Dämpfern sowie eine Allradlenkung, bei der die hinteren Räder mit bis zu sechs Grad einschlagen. 

Dass die MG-IM-Plattform noch keinen Namen hat, passt ebenfalls ins Bild. Schliesslich trägt die Audi-Architektur schon die Bezeichnung Advanced Digitized Platform (ADP). Der 4,90 Meter lange MG IM6 hat einen Allradantrieb mit 752 PS (553 kW) und 802 Nm Drehmoment. Nur so nebenbei: Der Audi bringt es auf 775 PS (570 kW).

Dass Power im Überfluss vorhanden ist, spüren wir schon auf den ersten Metern. Kitzelt man mit der Einstellung Sport alles aus dem Antriebsstrang heraus, knackt der 2,41 Tonnen schwere Crossover nach 3,5 Sekunden die 100-km/h-Marke und rennt bis zu 239 km/h schnell. Das Zusammenspiel zwischen der Luftfeder und den adaptiven Dämpfern funktioniert besser als bei so manchen chinesischen Konkurrenten.

«Wir haben das Fahrwerk auf die europäischen Bedürfnisse angepasst», erklärt Chefingenieur Steve Garside. Natürlich ist der MG IM6 typisch chinesisch abgestimmt, also komfortabel. Immerhin hält sich das Nachwippen im Vergleich zu anderen Modellen aus dem Reich der Mitte in Grenzen. Die Luftfeder erlaubt eine Höherlegung der Karosserie um 20 Millimeter und ein Kauern auf dem Asphalt mit fünf Zentimeter tiefer als im Normalzustand. Das hilft auch beim Ein- und Aussteigen sowie beim Beladen.

Notmodus kaum nötig

Spannend: Neben den gewohnten Fahrmodi steht auch «Super Eco» zur Wahl. Dieses Programm ist dafür gedacht, sich mit 60 km/h und fast leeren Batterien nach Hause zu schleppen. Dann wird unter anderem die Klimaanlage ausgeschaltet und die 360-Grad-Kamera genauso dunkel wie der zentrale 10,6 Zoll grosse Touchscreen, der als Kommandozentrale dient, aber etwas zu tief positioniert ist.

Die Geschichte von MG

MG steht für «Morris Garages». So hiess der britische Autobauer bei seiner Gründung 1923. Mit kleinen, spartanischen Roadstern machte sich die Marke einen Namen, was sie nicht davor bewahrte, nach dem Zweiten Weltkrieg zum wirtschaftlichen Spielball zu werden. Ab 1952 gehörte sie zum Konglomerat British Motor Corporation, 1962 erschien mit dem MGB (Bild) das letzte eigenständige Modell. Ab den 1960ern war MG vor allem das Label für die Topmodelle der Schwestermarken Austin und Morris.

1968 wurde MG Teil von British Leyland Motor Corporation (BLMC) – das letzte Aufbäumen der urbritischen Autoindustrie vor dem endgültigen Niedergang. Im Jahr 1976 wurde der Konzern mangels Erfolg verstaatlicht und MG der Rover-Gruppe zugeschlagen – die wiederum von 1994 bis 2000 zu BMW gehörte. Wegen Erfolglosigkeit verkaufte BMW an einen Investor, der machte Rover selbstständig, musste aber 2005 Konkurs anmelden.

Die Namensrechte an Rover gingen an Ford, die Vermögenswerte an die chinesische Nanjing Automobile Corporation. Die wurde 2006 wiederum von Shanghai Automotive Industrial Corporation (SAIC) übernommen, die seither Modelle als MG ausserhalb Chinas anbietet. SAIC ist auch Kooperationspartner von Volkswagen und General Motors für deren China-Geschäft.

MG steht für «Morris Garages». So hiess der britische Autobauer bei seiner Gründung 1923. Mit kleinen, spartanischen Roadstern machte sich die Marke einen Namen, was sie nicht davor bewahrte, nach dem Zweiten Weltkrieg zum wirtschaftlichen Spielball zu werden. Ab 1952 gehörte sie zum Konglomerat British Motor Corporation, 1962 erschien mit dem MGB (Bild) das letzte eigenständige Modell. Ab den 1960ern war MG vor allem das Label für die Topmodelle der Schwestermarken Austin und Morris.

1968 wurde MG Teil von British Leyland Motor Corporation (BLMC) – das letzte Aufbäumen der urbritischen Autoindustrie vor dem endgültigen Niedergang. Im Jahr 1976 wurde der Konzern mangels Erfolg verstaatlicht und MG der Rover-Gruppe zugeschlagen – die wiederum von 1994 bis 2000 zu BMW gehörte. Wegen Erfolglosigkeit verkaufte BMW an einen Investor, der machte Rover selbstständig, musste aber 2005 Konkurs anmelden.

Die Namensrechte an Rover gingen an Ford, die Vermögenswerte an die chinesische Nanjing Automobile Corporation. Die wurde 2006 wiederum von Shanghai Automotive Industrial Corporation (SAIC) übernommen, die seither Modelle als MG ausserhalb Chinas anbietet. SAIC ist auch Kooperationspartner von Volkswagen und General Motors für deren China-Geschäft.

Dank der grossen Energiespeicher kommt der SUV aber bis zu 504 WLTP-Kilometer weit – die Long-Range-Version mit Hinterradantrieb sogar bis zu 710 Kilometer. Aufgrund der maximalen Ladeleistung von 396 kW sind die Akkus innerhalb von 17 Minuten von zehn auf 80 Prozent gefüllt. Nach unserer Testfahrt meldete das System einen Durchschnittsverbrauch von 23,9 kWh/100 km. Das sind 0,5 kWh/100 km mehr als MG angibt.

Nicht billig, aber preiswert

Bei den Fahrassistenzsystemen lassen sich die Autobauer aus dem Reich der Mitte ohnehin schon lange nicht mehr lumpen. Ein selbsttätiger Spurwechsel gehört mittlerweile zum Standardrepertoire. Genauso wie das Einparken auf Knopfdruck sei es längs oder rückwärts.

Ausserdem an Bord: Ein Regen-Nacht-Modus, bei dem die Rundum-Kamera den Fahrer unterstützt. Das ist auch gut so, denn nach hinten ist die Sicht sehr eingeschränkt. Beim Platzangebot gibts nichts zu mäkeln: Wird die Rückbank umgeklappt, wächst das Volumen von 665 auf 1640 Liter. In den vorderen Frunk passen weitere 32 Liter.

Bleibt noch der Preis: Grossbritannien erhebt aktuell zehn Prozent Zoll auf chinesische Autos. Die Basisversion des MG IM6 mit 100-kWh-Batterie, Hinterradantrieb und 408 PS (300 kW) kostet 55'319 Euro. Die von uns gefahrene Top-Version «Launch Edition» schlägt mit 61'082 Euro zu Buche – fürs Gebotene mehr als fair. Ob die europäische Kundschaft tatsächlich Lust auf Luxus made in China hat, muss sich aber erst noch zeigen. Marktstart und Preise für die Schweiz wurden noch nicht kommuniziert.

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