Darum gehts
War es die spätsommerliche Alaska-Luft? War es Donald Trumps (79) roter Teppich? Oder ist es schlicht der Blick auf das allenthalben kriselnde Europa? Irgendwas jedenfalls hat Wladimir Putin (72) in jüngster Zeit richtig Mut gemacht. Anders sind seine wiederholten Drohnen-Provokationen in Osteuropa nicht zu erklären.
Nimmt man die jüngsten Aussagen seines Sprechers Dmitri Peskow («Die Nato führt Krieg gegen Russland») und die jüngsten Hitler-Vergleiche seines Scharfmachers Dmitri Medwedew («Merz und Macron wird man einst nur noch anhand ihrer Zähne identifizieren können», Anmerkung: wie Adolf Hitlers Leiche 1945 in Moskau), wird klar: Hinter den Drohnen und den rhetorischen Salven steckt System. Drei Gründe hat Moskaus neues Macho-Gehabe.
Putin will Ukraine-Freunden Angst machen
Auch die Menschen im Nato-Gebiet sind nicht sicher vor Moskaus Terror. Das haben die russischen Drohnen am rumänischen und polnischen Himmel klargemacht. Putins gefährliche Gesandte machen keinen Halt an der ukrainischen Westgrenze genauso wenig wie die russischen Herrschaftsansprüche.
Die losgeschickten Flugkörper aus den Waffenschmieden des Kreml sind ein offenkundiger Versuch Putins, die Bevölkerung gegen den Ukraine-freundlichen Kurs der Regierungen aufzubringen.
Um klarzumachen, dass auch Westeuropa nicht allzu ruhig schlafen sollte, verbreiteten russische Militärblogger Tabellen, die die Flugzeiten verschiedener russischer Raketen in Europas Hauptstädte angeben. Die neue Zirkon-Rakete, die Putin eben an der in Belarus durchgeführten Militärübung Sapad 2025 vorstellte, bräuchte demnach nur 3,2 Minuten bis Berlin, 6,8 Minuten bis Paris und 8,7 Minuten bis London. Das ist Stoff für Albträume.
Er will von Schock-Meldung ablenken
German Gref (61), Chef der grössten russischen Bank Sberbank, warnte Putin bei einem Treffen am Donnerstag, die russische Wirtschaft hätte im Juli und August «stagniert». Eine Horrormeldung für Putin, der seinen Kriegswahn nur so lange weitertreiben kann, wie die Staatskassen klimpern.
Auch von der Front gibts nicht viel Erbauliches zu berichten. Trotz massiver personeller Verluste (laut ukrainischen Angaben rund 1000 russische Soldaten pro Tag) kommt Putins Armee kaum voran und verliert in bestimmten Gebieten sogar wieder an Boden. Zudem nahm die Ukraine über die vergangenen Tage erfolgreich russische Ölraffinerien unter Beschuss und streute damit weiter mächtig Sand ins wirtschaftliche Getriebe des Aggressors.
Schwirrende Drohnen und fluchende Kriegspropagandisten können das wirtschaftliche Knirschen für eine Weile übertönen, so Putins Kalkül.
Er sieht Europas Moment der Schwäche
Frankreich ist in Aufruhr über die geplanten Sparmassnahmen der Regierung – für Donnerstag ist erneut ein landesweiter Protest zorniger Macron-Gegner ausgerufen worden. Grossbritannien ist in Angst vor rechten Massenprotesten – 150'000 Menschen protestierten jüngst in London unter dem Motto «Unite the Kingdom» gegen Massenmigration. Deutschland ist auf der Suche nach dem Weg aus der Wirtschaftskrise – und die Schweiz uneins darüber, ob man jetzt wirklich diese US-Kampfjets kaufen soll: Putin wäre doof, wenn er diesen angeschlagenen Gegner nicht mit einem weiteren Schlag ins Wanken zu bringen versuchte.
Europas Moment der Schwäche nutzt Moskau nebenher für einen Werbespot in eigener Sache. An die Milliarden von Menschen im globalen Süden sagt Putin implizit: «Schaut euch diese Schwächlinge an. Wollt ihr wirklich mit denen zusammenarbeiten?»
All dem zum Trotz: Ein Mann könnte Putins Wahn stoppen. Doch Donald Trump macht nicht den Anschein, als seien ihm all seine Moskau-Deadlines von gestern heute noch was wert. Jüngstes Beispiel dafür: Trump schickte mehrere US-Offiziere an Putins Militärübung Sapad 2025 – als Beobachter. Sie dankten artig für die Einladung.