Darum gehts
Europa arbeitet mit Hochdruck an der nuklearen Aufrüstung. In den vergangenen Tagen hat ein US-Transportflugzeug laut britischen Medien nach vielen Jahren wieder Wasserstoffbomben nach Grossbritannien gebracht. Kurz zuvor hatte der Kreml Atomdrohungen Richtung Europa geschickt.
Bei der explosiven Lieferung soll es sich um die modernsten Atombomben handeln, die es zurzeit gibt. Sie läuten einerseits eine nukleare Zeitenwende ein, steigern andererseits aber das Risiko einer Eskalation.
Was weiss man über die Lieferung?
Zum ersten Mal seit 17 Jahren sollen sich wieder US-Atombomben auf britischem Boden befinden. Wie mehrere britische Zeitungen berichten, hat ein US-Militärtransporter des Typs C-17 am vergangenen Donnerstag die explosive Fracht vom Atomwaffenlager Kirtland im US-Bundesstaat New Mexiko zur britischen Luftwaffenbasis RAF Lakenheath in Suffolk geflogen.
Dass die Transportmaschine vollbeladen nach Grossbritannien und leer zurückflog, werten Experten als eindeutiges Zeichen dafür, dass in Grossbritannien wieder US-Atomwaffen stationiert werden. Die Maschine war mit eingeschaltetem Transponder unterwegs, was für geheime Transporte unüblich ist. Experten gehen davon aus, dass das Flugzeug bewusst erkennbar gemacht worden ist, um den Kreml auf die Aufrüstung in Europa hinzuweisen.
Wie gefährlich ist die Bombe B61-12?
Die Serienproduktion des überarbeiteten Typs der B61 begann vor drei Jahren. B61-12 sind zurzeit die modernsten Nuklearwaffen weltweit und können einerseits als Freifallbomben und andererseits als steuerbare Rakete eingesetzt werden. Ihre Zielgenauigkeit beträgt 30 Meter.
Die bunkerbrechende Bombe gibt es in vier Stärken: Die grösste davon erreicht viermal die Sprengkraft der Hiroshima-Bombe, die 1945 unmittelbar nach dem Abwurf bis zu 80'000 Tote gefordert hatte.
Was bedeutet die Lieferung?
Die wiederaufgenommene Lieferung an Grossbritannien, das ja selber Atombomben herstellt, ist eine nukleare Zeitenwende. Die US-Bomben ermöglichen es den Briten, nebst ihren eigenen, ausschliesslich U-Boot-gestützten Bomben, nun auch Atomsprengköpfe von ihren neuen Kampfjets des Typs F-35A aus loszuschicken. Es ist die grösste Ausweitung der britischen Abschreckung seit dem Ende des Kalten Krieges.
Die Lieferung nach Grossbritannien festigt auch die Zusammenarbeit der westlichen Atomwaffenproduzenten und verstärkt die Abschreckung. Aufrüstung birgt aber immer auch die Gefahr von Provokation und Unfällen. Zudem ist die psychologische Hemmschwelle für einen Einsatz bei derart flexiblen und gezielt einsetzbaren Waffen kleiner.
Werden noch mehr Atombomben nach Europa geliefert?
Ja. Zurzeit sind in Europa in vier Ländern rund 180 US-Atomwaffen stationiert: in Deutschland, Italien, Belgien und den Niederlanden, dazu beim Nato-Mitglied Türkei. Diskutiert wird zudem eine Stationierung in Polen. Laut Atomwaffena-z.info sollen von den B61-12 insgesamt 400 Stück produziert werden, von denen Europa 100 Einheiten erhält. Schon Ende 2023 fanden erste Trainings mit dem neuen Modell in den Niederlanden statt.
Die beiden europäischen Atommächte Frankreich und Grossbritannien verfügen zusätzlich über 290 bzw. 225 eigene Atomsprengköpfe. Die Franzosen können ihre Bomben heute schon sowohl von U-Booten als auch von Flugzeugen aus abfeuern.
Wie reagiert der Kreml?
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow (57) sprach von einer bedrohlichen Entwicklung. «Wir sehen eine Tendenz zur Eskalation, zur Militarisierung – auch im nuklearen Bereich.» Vor wenigen Tagen hatte er mit dem Einsatz atomarer Waffen gegen Länder gedroht, welche die Ukraine unterstützen.