Darum gehts
- Amoklauf in Graz erschüttert Österreich und die Schweiz
- Schweizer Schulen erklären, wie sie auf Amoklagen reagieren
- Die Sicherheitsmassnahmen liegen in der Zuständigkeit der Kantone
Der Amoklauf von Graz hat nicht nur Österreich erschüttert – auch in der Schweiz sorgt die unfassbare Tat für Entsetzen. Innerhalb von 17 Minuten stürmte Artur A.* (†21) das Gymnasium, eröffnete das Feuer in zwei Klassenzimmern und tötete zehn Menschen. Danach nahm er sich auf einem WC selbst das Leben.
In den USA kam es in den vergangenen Jahren zu einer Reihe ähnlicher Tragödien. Sie sorgten dafür, dass Schulen weitreichende Massnahmen ergriffen, um sich vor bewaffneten Tätern zu schützen. Der Amoklauf von Nashville 2023 führte beispielsweise dazu, dass Schulpolizisten angestellt wurden.
Auch hierzulande fragen sich Eltern und Schüler nach der Horrortat im Nachbarland: Wie bereiten sich Schweizer Schulen auf Situationen vor, von denen wir hoffen, dass sie niemals eintreten? Blick hat bei verschiedenen Akteuren nachgefragt.
«Die Arbeit wurde verstärkt»
«In Schweizer Schulen existieren in der Regel spezifische Protokolle und Notfallkonzepte, die bei einer Gefährdungslage wie einem Amoklauf zum Tragen kommen», erklärt Dr. Beat A. Schwendimann vom Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz. Sie werden immer wieder neu überprüft und angepasst.
Folgende Punkte sind Teil eines Notfallkonzeptes:
- Amokdrohungen jederzeit ernst nehmen. Der erste Schritt liegt darin, die Spezialisten der jeweiligen Kantonspolizeien zu informieren.
- Die Protokolle sehen vor, die Türen zu schliessen und sich zu verbarrikadieren.
- Anschliessend wird die Einsatzleitung an die Behörden übergeben. In den Notfallkonzepten ist ebenfalls geregelt, wer die Kommunikation mit den Eltern koordiniert.
- Evakuierung (sofern es die Lage zulässt).
In der Schweiz hat es bis heute keinen klassischen Amoklauf an einer Schule mit Todesopfern gegeben – also keine vergleichbaren Ereignisse wie in Graz oder den USA. Trotzdem werden die Sicherheitslagen ständig evaluiert. «Die Präventionsarbeit gegen Gewalt und Amoklagen wurde in den letzten Jahren in vielen Schulen verstärkt», so Schwendimann. Dabei wird der Fokus vermehrt auf Krisenintervention gelegt.
«Notfall-App»
Denn: Es gilt zu verhindern, dass junge Menschen überhaupt in eine Ausnahmesituation gelangen, in der sie zu einer solch schrecklichen Tat fähig sind. Um dies zu gewährleisten, wurden Kriseninterventionsteams eingerichtet, die im Notfall sofort aktiviert werden können.
Der Kanton Zürich beschäftigt einen Beauftragten für Gewalt im schulischen Umfeld und stellt den Schulen verschiedene Werkzeuge zur Verfügung, wie es auf Anfrage heisst. Dazu gehört auch eine «Notfall-App für Schulen». Sie enthält verschiedene Anweisungen für verschiedene Szenarien. «Sie kann zur Alarmierung und Kommunikation genutzt werden», erklärt die Zürcher Bildungsdirektion auf Anfrage.
Punktuelle Schulungen
Schulen sollen dabei nicht zu Festungen werden. «Die Sicherheit der Schülerinnen und Schüler hat höchste Priorität, ohne unnötige Ängste zu schüren», erklärt der Experte.
Punktuell absolvieren Lehrer auch Ausbildungen zu dem Thema. Sie erhalten Merkblätter mit den wichtigsten Verhaltensregeln.
Fehlalarme immer häufiger
In die Prozesse sind auch Schweizer Polizeikorps eingebunden. Sie stehen in engem Austausch mit Schulen und den entsprechenden Behörden. Auf Blick-Anfrage geben mehrere Schweizer Kantonspolizeien an, aus taktischen Gründen nicht näher auf die konkreten Pläne und Massnahmen eingehen zu können.
Hinzu kommt: Fehlalarme nehmen länderübergreifend zu. Auch in der Schweiz kam es zu Drohungen. Immer häufiger gehen anonyme Drohungen über Snapchat, Tiktok, Instagram oder Telegram ein. Hintergrund sind oftmals Social-Media-Challenges. Sie werden als «Scherz» oder «Mutprobe» breit gestreut.
Intensiviert wurde die Prävention auch aufgrund dieser Tatsache, so Schwendimann. «Die Schulen reagieren damit auf die Verlagerung von Gewalt und psychischer Belastung in den digitalen Raum, wie etwa Cybermobbing, digitale Bedrohungen oder die Nachahmung gefährlicher Trends und Challenges.»
* Name bekannt