«Die Schule wird nie mehr sein, wie sie war»
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Blick-Reporter in Graz:«Die Schule wird nie mehr sein, wie sie war»

Blick vor Ort – Graz steht nach Amoklauf unter Schock
«Kann kaum glauben, dass zehn dieser lieben Menschen tot sind»

Ein Amoklauf an einem Gymnasium in Graz erschüttert Österreich. Ein ehemaliger Schüler tötete mindestens zehn Menschen, bevor er sich selbst das Leben nahm. Das Motiv bleibt unklar, während die Nation in Trauer versinkt.
Publiziert: 10.06.2025 um 22:34 Uhr
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Aktualisiert: 11.06.2025 um 09:46 Uhr
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Am Dienstagvormittag kam es an einem Gymnasium in Graz zu einem Amoklauf.
Foto: AFP

Darum gehts

  • Amoklauf in Graz: Mindestens 11 Tote, Täter war ehemaliger Schüler
  • Trauer und Schock in Österreich, Staatstrauer für drei Tage ausgerufen
  • 21-jähriger Täter tötete sich selbst, mindestens 12 Personen wurden verletzt
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Die Stimmung am Bundesoberstufenrealgymnasium (BORG) in der Dreierschützengasse in Graz in der Steiermark ist merkwürdig, als Blick am Abend den Schauplatz einer der grössten Tragödien Österreichs der jüngeren Geschichte besucht. Einerseits bedeckt ein stetig wachsendes Blumen- und Kerzenmeer den Boden – ein Ausdruck von Trauer, für die es keine Worte zu geben scheint. Andererseits hat sich auch eine Vielzahl von Schaulustigen eingefunden. Trauer, Leid und Sensationslust: Sie liegen in Graz derzeit ganz nahe beieinander. 

Ein grosses, schwarzes Transparent hängt am Zaun: «Graz steht zusammen.» Etwas Aufmunterung in ganz dunklen Zeiten. Davor tummelt sich eine Armada von Journalistinnen und Journalisten, ihre Kameralichter erhellen die Strasse, auf der immer wieder Autos vorbeifahren. Die Szene wirkt surreal. Doch der Horror ist echt.

«Sie waren so lieb»

«Die Schülerinnen und Schüler hier waren so lieb», sagt ein Anwohner betrübt zu Blick und deutet von seinem Balkon hinüber zum abgesperrten Eingang der Schule. «Sie haben sich immer mit Bussis begrüsst und verabschiedet.» Er hat seine Wohnung direkt gegenüber dem Haupteingang, war aber zur Tatzeit nicht zu Hause. «Ich kann es kaum glauben, dass mindestens zehn dieser lieben Menschen jetzt tot sind.» Rhetorisch fragt der Anwohner «wohin führt das noch?», und verwirft die Hände. Die grausame Tat von Graz wirft in diesen Stunden einfach nur Fragen auf.

Der Horror beginnt derweil am Dienstagmorgen, kurz vor 9 Uhr. Artur A.*, ein 21-jähriger ehemaliger Schüler am BORG in der Dreierschützengasse, eröffnet das Feuer. Minuten später sind zehn Menschen tot. Neun Opfer und der Amokschütze. Mindestens zwölf weitere Personen werden verletzt, teilweise schwer. Die Opfer sind zum grossen Teil junge Menschen.

Der Amoklauf dauert nur 17 Minuten, doch die Zeit reicht, um ein Land in eine Schockstarre zu versetzen. Am Abend dann noch eine traurige Nachricht: Ein weiteres Opfer ist seinen schweren Verletzungen im Spital erlegen. Jetzt sind es elf Tote.

Minuten der Angst und Panik

Nach Polizeiangaben beginnt der Amoklauf gegen 8.50 Uhr in einem Klassenraum des Gymnasiums. Artur A. hatte sich offenbar zuvor Zugang zu Waffen verschafft, die er dann im Schulgebäude einsetzt. Der Täter hat eine Pistole und eine Schrotflinte dabei. Augenzeugen berichten, dass A. in den Gängen und Klassenzimmern wahllos um sich schiesst. Mehrere Schüler konnten nur durch Flucht dem Angriff entkommen.

Die Mutter einer Schülerin schildert später gegenüber «5min.at» dramatisch, wie ihre Tochter sie während der Flucht anrief: «Mama, Mama, ich lauf’ um mein Leben.» Die Mutter sagte dem Portal: «Es war so schlimm, das können Sie sich nicht vorstellen.»

In einem Interview gegenüber «Puls24» berichtete der Vater zweier Schüler ebenfalls von dramatischen Szenen. Einer seiner Söhne habe sich in dem Klassenzimmer befunden, wo der Täter mehrere Schüsse abgegeben habe. Um zu überleben, habe sich der Schüler auf den Boden geworfen und sich dann «tot gestellt». Wie der Familienvater weiter erzählte, gehe es seinen Kindern gut. Freunde seiner Söhne seien aber teilweise verletzt worden. 

Unklares Tatmotiv

Bislang ist noch nicht viel über den Amokschützen bekannt. Gemäss «Krone» soll er Arthur A. heissen. Innenminister Gerhard Karner bestätigt am Nachmittag, dass der 21-Jährige aus dem Raum Graz ehemaliger Schüler am BORG war. Seinen Abschluss habe er hier aber nicht gemacht. Mehr Details will Karner nicht bekanntgeben. Der junge Mann war jedoch nicht polizeibekannt. Die Waffen, die er beim Amoklauf nutzte, waren legal – er besass eine Waffenbesitzkarte. Der junge Mann handelte allein und nahm sich nach dem Amoklauf selbst das Leben. 

Laut «Krone» fand die Polizei bei einer Hausdurchsuchung am Nachmittag dann einen Abschiedsbrief des Täters. Über den Inhalt herrscht zunächst Schweigen. Die «Krone» berichtet jedoch, dass Artur A. in dem Brief von Mobbing gegen ihn geschrieben habe. Später dann heisst es: Das Tatmotiv bleibt unklar. Der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, sagt im ORF-Fernsehen, dass das Schreiben keinen Hinweis auf das Motiv des Schützen gebe.

«Ein dunkler Tag»

Am Nachmittag versuchen Behörden und Politiker Worte für die grauenvolle Tat zu finden. Bundeskanzler Christian Stocker sagt: «Dieser Tag ist ein dunkler Tag in der Geschichte unseres Landes.» Österreich stehe still, so der Kanzler. «Eine Schule sollte ein Ort des Vertrauens sein. Dass nun ausgerechnet hier eine solche Tat verübt wurde, macht mich sprachlos». Für die kommenden drei Tage gilt in Österreich Staatstrauer.

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Landeshauptmann Mario Kunasek fügt hinzu: «Das Leben vieler, nicht nur der Opfer, hat sich heute auf dramatische Weise verändert.»

Gedenken an die Opfer

Im Grazer Dom findet am Abend ein Gottesdienst statt, um der Opfer des Amoklaufs zu gedenken. Während draussen schwer bewaffnete Einheiten patrouillieren, nehmen die Menschen im Dom Abschied von den Verstorbenen, trauern und beten für die Angehörigen sowie Verletzten. Auch die österreichische Regierungsspitze mit Kanzler Christian Stocker und Vizekanzler Andreas Babler ist vor Ort. 

Später treffen sich Tausende Menschen auf dem Hauptplatz der Stadt. Sie entzünden Kerzen im Gedenken an die Opfer, die von Artur A. so brutal aus dem Leben gerissen wurden. Die grosse Trauer der vielen jungen Menschen, sie ist fast mit den Händen greifbar. Man versucht sich Halt zu geben, in diesen traurigen Stunden. «Graz steht zusammen.»

* Name bekannt

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