Darum gehts
- Russland leidet unter Treibstoffmangel und finanziellen Schwierigkeiten
- Ukrainische Drohnenangriffe auf russische Ölraffinerien verschärfen die Krise
- Russlands Militärausgaben machen 40 Prozent des gesamten Staatsbudgets aus
Russland steckt in argen finanziellen Nöten. Der zermürbende Krieg schwächt die Wirtschaft jeden Tag mehr, die finanziellen Reserven sind bald aufgebraucht.
Umso schlimmer ist der Doppelschlag, der den Kreml jetzt trifft. Es ist einerseits Trumps Zollhammer gegen Russlands Erdöl-Grosskunden Indien und andererseits die Taktik der Ukrainer. Es scheint, als ob diese Putins Schwachstelle gefunden – und auch getroffen haben.
Diese Schwachstelle sind die russischen Energieanlagen. So wie die Russen die ukrainischen Energieeinrichtungen ins Visier nehmen, greifen die Ukrainer mit Drohnen seit Anfang August vermehrt russische Öldepots, Raffinerien, Pipelines und mit Treibstoff geladene Züge an.
Und das mit vollem Erfolg: Im August haben die Ukrainer sieben Ölraffinerien getroffen. Möglich ist dieser Erfolg, weil die Ukraine dieses Jahr die eigene Drohnenproduktion intensiviert hat.
Russische Medien wie die «Moscow Times» berichten, dass unter dem mangelnden Nachschub vor allem Städte im Osten des Landes leiden würden. Vor Tankstellen warteten Autofahrer bis zu sechs Stunden – um dann eine leere Zapfsäule vorzufinden. Der Nachschub komme bis zu zwei Wochen zu spät, sofern der Zug wegen Treibstoffmangels überhaupt fahren kann.
Zollhammer gegen Handelspartner
Zu allem Übel droht den Russen weiteres Ungemach, hinter dem US-Präsident Donald Trump (79) steckt. Denn seit Mittwoch gilt Trumps Zollhammer gegen Indien. Diese US-Strafzölle bedeuten, dass auf viele indische Produkte beim Import in die USA ein zusätzlicher Zoll von 50 Prozent erhoben wird. Es ist einer der höchsten Strafzollsätze, die die USA verhängen.
Trump will Indien damit für seine anhaltenden Ölimporte aus Russland bestrafen. Die USA erhoben die sogenannte Sekundärsanktion im Zusammenhang mit den diplomatischen Bemühungen für ein Friedensabkommen in der Ukraine. Russland finanziert seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine auch über seine Energieexporte.
Der Zollhammer gegen Indien dürfte für Russland schwere Folgen haben. Ulrich Schmid, Russland-Experte an der Universität St. Gallen, sagt: «Möglicherweise wird der indische Ölimport aus Russland in Zukunft abnehmen.» Zudem dürfte sich auch Peking aus Angst vor US-Sanktionen beim Handel mit Russland zurückhalten.
Es fehlt an allen Enden
Die drückenden Sanktionen des Westens, die Angriffe auf Energieinfrastruktur und die Strafzölle gegen Handelspartner ziehen Russland in ein finanzielles Loch. Über Monate lag die Inflationsrate bei rund 10 Prozent, laut Prognosen wird sie auf 13 Prozent ansteigen. Eine Besserung ist nicht in Sicht, dafür drohen Steuererhöhungen.
Anders Åslund, schwedischer Wirtschaftswissenschaftler und Autor des Buchs «Russlands Kapitalismus der Vetternwirtschaft», schreibt in einem Kommentar in der «Finanz und Wirtschaft»: «Die finanziellen Reserven des Landes gehen zur Neige, die Energieeinnahmen sinken, und es herrscht ein zunehmend gravierender Mangel an Arbeitskräften und importierter Technologie.»
Staatsfonds leert sich
Zu Beginn des Krieges wuchs die russische Wirtschaft jährlich noch um 4 Prozent. Die massive Steigerung der Militärausgaben, die inzwischen 40 Prozent des gesamten Staatsbudgets ausmachen, hat aber zu einer Überhitzung der Wirtschaft geführt. Das von der Rüstung getriebene Wachstum ist auf 1 Prozent geschrumpft.
Ulrich Schmid sagt: «Nichtmilitärische Produktionen verzeichnen massive Einbrüche. So ist die Produktion von Fernsehern, Waschmaschinen und Schuhen um fast 30 Prozent gesunken.» Gleichzeitig steigt das Staatsdefizit weiter an. «Der reiche russische Staatsfonds wurde für den Krieg bereits zur Hälfte geplündert. Wenn die Belastung des Staatsfonds für militärische Ausgaben im selben Mass anhält, wird er in zwei Jahren leer sein», meint Schmid.
Für den Russland-Kenner Schmid ist klar: Putin wird die angespannte Lage maximal ausreizen, weil für ihn der Krieg absolute Priorität hat. Die Einschränkungen würden aber im Alltagsleben immer deutlicher spürbar: Nebst herrschendem Treibstoffmangel und höheren Preisen werden auch Hypotheken und Auslandreisen unerschwinglich. Schmid: «Für Putin wird es immer schwieriger, der eigenen Bevölkerung einen Normalzustand vorzugaukeln.»