Darum gehts
- mRNA-Impfung erhöht Überlebenschancen bei Krebspatienten während Immuntherapie
- Impfung aktiviert Immunsystem, verändert Tumormilieu und verbessert Wirkung der Therapie
- Lungenkrebs-Patienten überlebten 37 statt 21 Monate, Melanom-Überlebensrate stieg auf 67 Prozent
Was ursprünglich als Schutz vor Covid-19 gedacht war, könnte auch Krebspatientinnen und -patienten helfen. Eine neue Studie des MD Anderson Cancer Center in Texas zeigt: Eine mRNA-Impfung rund um den Beginn einer Immuntherapie kann die Überlebenschancen deutlich erhöhen, wie «Focus» berichtet.
Bei Menschen mit Haut- oder Lungenkrebs verlängerte sich das Leben spürbar, wenn sie kurz vor oder nach Start der Therapie mit einem mRNA-Impfstoff (Biontech/Pfizer oder Moderna) geimpft wurden. Geimpfte mit Lungenkrebs überlebten im Schnitt 37 statt 21 Monate, beim metastasierten Melanom lag die Drei-Jahres-Überlebensrate bei 67 statt 44 Prozent. Klassische Impfstoffe wie gegen Grippe oder Pneumokokken zeigten keinen Einfluss.
Immunsystem wird «aufgeweckt»
Die Forschenden um Onkologe Adam Grippin fanden heraus, dass die Impfung das Immunsystem kurzfristig stark aktiviert. Innerhalb von 24 Stunden steigt der Spiegel des Signalstoffs Interferon Typ I stark an – ein «Weckruf» für Abwehrzellen, die beginnen, Tumorzellen zu attackieren. «Der Covid-19-Impfstoff wirkt wie eine Sirene und aktiviert die Abwehr im ganzen Körper», so Grippin.
Besonders profitieren Patientinnen und Patienten, deren Tumoren als «immunologisch kalt» gelten – also vom Immunsystem kaum erkannt werden. Nach der Impfung verändert sich das Tumormilieu: Abwehrzellen werden angelockt, und die Immuntherapie kann besser greifen.
Timing ist entscheidend
Der positive Effekt zeigte sich nur, wenn die Impfung zeitnah zur Immuntherapie stattfand – idealerweise innerhalb von etwa 100 Tagen davor oder danach. In diesem Zeitraum stieg die Überlebensdauer besonders stark. Bei anderen Behandlungsformen, etwa Chemotherapien ohne Immuntherapie, blieb der Effekt aus.
Tests an Tieren und gesunden Menschen bestätigten den Mechanismus: Nach einer mRNA-Impfung stieg der Interferonspiegel teils um das 280-Fache. Gleichzeitig wurden Killerzellen und T-Zellen aktiviert – jene Abwehrzellen, die Krebszellen gezielt zerstören. In Mausversuchen schrumpften Tumoren nach der Impfung oder verschwanden ganz.
Obwohl es sich um eine retrospektive Analyse handelt, gelten die Daten als robust: Mehr als 1200 Patientendaten flossen ein. Für Fachleute eröffnet sich damit eine spannende Perspektive – eine einfache Corona-Impfung könnte das Immunsystem so ankurbeln, dass Immuntherapien besser wirken.