Darum gehts
US-Verteidigungsminister Pete Hegseth (45) ist ein Mann, der gern von Härte spricht. Einer, der sich als Kämpfer sieht, als jemand, der Dinge ausspricht, die andere sich nicht trauen. Doch nun holt ihn ein Moment ein, der brutaler ist als jede seiner Parolen: Mitten in der Karibik treiben zwei Männer auf den Trümmern ihres Bootes, verletzt, unbewaffnet, wehrlos – und im Pentagon soll der Verteidigungsminister jene Worte gesagt haben, die wie ein Beben durch Washington gehen: «Tötet sie alle.»
Plötzlich steht nicht mehr nur ein impulsiver Hardliner am Pranger, sondern ein Minister, dem ein möglicher Verstoss gegen das Kriegsrecht vorgeworfen wird. Und mit ihm rückt die Frage in den Vordergrund, die in Washington seit Wochen gärt: Wer ist dieser Mann wirklich, der an der Spitze der mächtigsten Armee der Welt steht – und passt diese Persönlichkeit in dieses mächtige Amt?
Der Aufsteiger, der keiner war
Für die Militärspitze kommt der Skandal kaum überraschend. Hegseth ist ein Verteidigungsminister, unter Trump gar «Kriegsminister» genannt, wider jeder Tradition. Militärisch brachte er es nur bis zum Rang eines Majors, ohne je grosse Führungsverantwortung getragen zu haben.
Nach seinem Dienst zog er sich zurück. Er übernahm Führungsrollen bei konservativen Veteranen-Organisationen. Unter seiner Leitung gab es in diesen Gruppen laut ehemaligen Mitarbeitenden zunehmend Konflikte. Es gab Vorwürfe wegen finanzieller Misswirtschaft und sexueller Belästigung. Letztere gipfelten in einer privaten Einigung mit einer Frau, die Hegseth 2017 der Vergewaltigung beschuldigt hatte.
Ein ehemaliges Familienmitglied schilderte Hegseth gegenüber dem US-Senat als «unberechenbar und aggressiv». Seine Ex-Schwägerin sagte noch, dass seine zweite Ehefrau sich wegen mehrfacher Alkohol-Exzesse und gewalttätigem Verhalten in einen Schrank flüchten musste. Bei seiner Anhörung im US-Senat musste Hegseth sich diesen Anschuldigungen stellen – doch am Ende reichte ein knapper Mehrheitsentscheid, und er wurde mit 51 zu 50 Stimmen bestätigt. Kritiker warnten bereits damals vor einem Mann, der militärische Macht mit persönlichen Dämonen vermische.
Vom «Kriegerethos» zum Vertrauensbruch
Politisch inszenierte sich Hegseth lange als lautstarker Verfechter eines kultivierten Krieger-Ethos: Er kritisierte Vielfalt, Gleichstellung und moderne Diversity-Programme als Schwächung des Militärs. Mit dieser Haltung bot er jenen Teilen der konservativen Bewegung eine Identifikationsfigur, die militärische Härte mit traditioneller Werteorientierung verband.
Doch der Geist, den er propagierte, beginnt sich nun gegen ihn selbst zu wenden. Im Pentagon wächst das Misstrauen.
Der fatalste Vorwurf
Der Karibik-Vorfall im September markiert seinen Tiefpunkt. Laut internen Berichten soll Hegseth während einer Operation gegen mutmassliche venezolanische Drogenboote den Satz gesagt haben: «Tötet sie alle.» Zwei Überlebende sollen daraufhin gezielt getötet worden sein – ein Verstoss gegen das «No Quarter»-Verbot, das das Töten wehrloser Gegner strikt verbietet.
Damit steht erstmals der Verdacht im Raum, dass unter seiner Führung bewusst eine rote Linie überschritten wurde, die das US-Militär seit Jahrzehnten nicht antastet.
Memes statt Ernsthaftigkeit
Als die Vorwürfe öffentlich werden, reagiert Hegseth nicht mit Transparenz, sondern mit einem Meme auf X: eine bewaffnete Cartoon-Schildkröte. Es wirkt wie der Versuch eines Mannes, der sich überfordert fühlt und Kritik wegzuwitzeln versucht.
Im Pentagon gilt die Szene inzwischen als Sinnbild seiner fehlenden Ernsthaftigkeit. Selbst republikanische Senatoren sprechen von «peinlich» und «unseriös». Intern nennt man ihn inzwischen «unkalkulierbar» – ein Wort, das in militärischen Führungsetagen nur fällt, wenn Vertrauen und Professionalität ernsthaft infrage stehen.
Der Minister als Sicherheitsrisiko
Doch der Karibik-Skandal ist nicht alles. Unter dem Stichwort «Signalgate» wird untersucht, wie Hegseth im März hochsensible Einsatzdaten über eine private Signal-Gruppe verschickte – inklusive exakter Zeitpunkte für Bombenabwürfe. Die Informationen gelangten versehentlich an einen Journalisten. Für viele zeigt sich hier endgültig: Hegseth gefährdet nicht nur seinen Ruf, sondern die operative Sicherheit.
Hegseth selbst wirkt wie ein Mann, der seine Felle davonschwimmen sieht: laut, trotzig, ständig im Angriffsmodus. Dieser Stil ist Ausdruck jenes tiefen Grolls, der ihn seit Jahren antreibt – gegen Institutionen, die ihn nie ernst nahmen. Doch genau dieser Groll, der ihn ins Amt trug, bringt ihn nun zu Fall. Je heftiger er austeilt, desto klarer zeigt sich das Bild eines Ministers, der mehr zerstört als schützt.