Darum gehts
- Schilddrüsenkrebsraten steigen weltweit alarmierend an, Ursachen sind rätselhaft
- Verbesserte Diagnostik, Fettleibigkeit und Umweltfaktoren als mögliche Gründe vermutet
- Häufigkeit von Schilddrüsenkrebs in den USA zwischen 1980 und 2016 mehr als verdreifacht
Mediziner stehen vor einem Rätsel: Die Schilddrüsenkrebsraten steigen weltweit alarmierend an. Laut der Krebs-Datenbank SEER in den USA hat sich die Häufigkeit zwischen 1980 und 2016 mehr als verdreifacht. Experten sind besorgt über diesen rasanten Anstieg, obwohl Schilddrüsenkrebs in den meisten Fällen heilbar ist.
«Schilddrüsenkrebs gehört nach wie vor zu den wenigen Krebsarten, deren Häufigkeit trotz medizinischer Fortschritte im Laufe der Zeit zugenommen hat», sagt Sanziana Roman von der University of California San Francisco zur «BBC».
Eine mögliche Erklärung für den Anstieg ist die verbesserte Diagnostik. In den 1990er Jahren wurde die Feinnadelaspirationsbiopsie eingeführt, die es ermöglichte, auch kleinste Knoten zu untersuchen. Dies führte jedoch zu einer Überdiagnostizierung und unnötigen Behandlungen. Von Überdiagnostik spricht man, wenn eine Krankheit festgestellt wird, die vermutlich nie entdeckt worden wäre, da sie keine Symptome oder Beschwerden verursacht hätte.
«Multifaktorielles Phänomen»
Die Überdiagnostik allein erklärt jedoch nicht den gesamten Anstieg. Studien zeigen, dass auch grössere und fortgeschrittenere Tumoren häufiger diagnostiziert werden. Zudem steigen die Raten selbst in Regionen ohne umfassende Vorsorgeuntersuchungen.
Experten vermuten verschiedene Faktoren als Ursachen. Darunter: Fettleibigkeit. Die Welt wird immer dicker. Und mit zunehmendem Fettgehalt im Körper steigt auch das Risiko, an Schilddrüsenkrebs zu erkranken. Die genauen Mechanismen sind jedoch noch unklar.
Ebenfalls im Verdacht sind Pestizid und die zunehmende Verwendung von CT-Scans und Röntgenaufnahmen. Cari Kitahara, Epidemiologin am National Cancer Institute in Maryland zur «BBC»: «Wir beobachten vermutlich ein multifaktorielles Phänomen, das Umwelt-, Stoffwechsel-, Ernährungs- und hormonelle Einflüsse umfasst, die möglicherweise mit einer genetischen Prädisposition interagieren.»
«Lungenkrebs bei Nie-Rauchern ist bei Frauen doppelt so häufig»
Es ist nicht das erste Medizin-Rätsel, das in diesem Jahr für Schlagzeilen sorgt. Im Juni wurde bekannt, dass es zwar weniger Raucher gibt, die Zahl der Lungenkrebspatienten aber steigt, die noch nie geraucht haben. «Lungenkrebs bei Nie-Rauchern ist bei Frauen doppelt so häufig wie bei Männern», sagte Andreas Wicki, stellvertretender Direktor der Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie vom Universitätsspital Zürich, zu Blick.
Diese gehen häufig mit sogenannten Treibermutationen einher. «Das sind Erbgutveränderungen in Lungenzellen, die eine Tumorentstehung begünstigen.» Die genauen Gründe für den Anstieg, besonders bei Frauen, sind nicht bekannt. Es lässt sich nur spekulieren.