Darum gehts
Donald Trump (79) hat den Europäern ihre Ölgeschäfte mit Russland vorgehalten. Damit trifft der US-Präsident einen wunden Punkt. Denn tatsächlich kaufen die Europäer weiterhin im grossen Stil russisches Gas und Öl – und schmieren damit die russische Militärmaschinerie, die in der Ukraine jeden Tag Menschen tötet.
Für die Europäer ist es nicht einfach, vom russischen Öl wegzukommen. Trotzdem wäre der lange diskutierte Schritt nötig, wenn man Wladimir Putin (72) in der Ukraine wirklich bremsen wollte. Warum hat es die EU auch nach dreieinhalb Jahren Krieg noch nicht geschafft, ihre Abhängigkeit von Russland zu lösen?
Hitziges Telefonat nach Paris
Am Donnerstag hatten europäische Staatsspitzen – die sogenannte «Koalition der Willigen» – in Paris über Sicherheitsgarantien für die Ukraine nach einem Waffenstillstand beraten. Anschliessend gab es ein hitziges Telefonat mit US-Präsident Trump. Dabei hat der Amerikaner die Europäer wegen ihrer Ölgeschäfte mit Putin angemahnt.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (47) räumte ein, dass Trump «völlig zu Recht» empört sei, dass einige EU-Länder weiterhin russisches Öl kaufen, insbesondere über die Druschba-Pipeline nach Ungarn und in die Slowakei.
EU bleibt ein guter Kunde Putins
Die EU hat ihre Abhängigkeit von russischem Öl seit Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine im Februar 2022 zwar stark reduziert. Der Anteil russischen Öls und Gases am EU-Energiemix sank von 45 Prozent im Jahr 2021 auf 18 Prozent im Jahr 2024, wie das finnische Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA) berechnet hat.
Jedoch bleiben die Europäer einer der besten Kunden Moskaus. Zwar hat die EU verschiedene Einfuhrverbote gegen russische Energieträger verhängt. Davon ausgenommen bleiben jedoch Erdgas, Flüssiggas und Erdöl, das über Pipelines transportiert wird.
Auch nach dreieinhalb Kriegsjahren bleibt die EU damit viertgrösste Abnehmer russischer Energie – nach China, Indien und der Türkei. Allein im Juli haben die Europäer gemäss CREA-Zahlen für 1,3 Milliarden Euro eingekauft.
Ungarn als grösster Käufer
Den grössten Anteil daran hat Ungarn, das allein im Juli für eine halbe Milliarde Öl und Gas kaufte. Ungarns Präsident Viktor Orban (62) will die Druschba-Pipeline sogar noch ausbauen und auch Serbien anschliessen. Die Europäer sind sich also auch in dieser Frage uneins.
Zweitstärkster europäischer Kunde ist Frankreich, das im Juli für 239 Millionen Euro Flüssiggas bezog. Macron selbst setzt also weiterhin auf günstiges Russen-Gas.
Aber auch die Slowakei, Belgien und Spanien zahlten im Juli zusammen knapp 400 Millionen Euro an Russland. Damit kaufte die Europäische Union knapp zehn Prozent der russischen Fossilenergie.
Zudem kommt ein Teil des russischen Öls über Drittländer wie Indien, wo das Öl verarbeitet wird, nach Europa. Verhindert werden soll das erst ab Januar 2026 – fast vier Jahre nach Kriegsbeginn.
Washington dagegen hat den Energie-Import aus Russland schon im April 2022 eingestellt. Was Trump allerdings verschweigt: Abseits von Öl und Gas ist das amerikanische Handelsembargo weniger konsequent. Die USA importieren weiterhin russisches Aluminium, Palladium, Uran und viel Mineraldünger. Auch sie überweisen jährlich Milliarden an Moskau.
Putins gut geölte Kriegsmaschine
Die Kyiv School of Economics kommt zu einem ernüchternden Ergebnis: Die Einnahmen aus dem Öl- und Gasverkauf für Russland unterlägen seit Kriegsbeginn zwar stärkeren Schwankungen, seien aber nicht wesentlich eingebrochen. Auch 2024 hat Moskau so insgesamt 235 Milliarden Dollar verdient – weit mehr als die geschätzten 140 Milliarden, die Putin im vergangenen Jahr für seinen Krieg ausgab.
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (47) fordert die EU schon länger auf, die Öl- und Gasimporte aus Russland komplett zu stoppen. Zuletzt hatte die Ukraine selbst das Heft in die Hand genommen und russische Raffinerien angegriffen, um Moskaus Einnahmen zu schmälern.
Trump hat also mindestens teilweise recht: Europa unterstützt durch den direkten und indirekten Kauf von russischer Energie weiterhin Putins Angriffskrieg. Die EU hat ihre Abhängigkeit zwar reduziert, doch auch im Jahr 2024 hat sie mehr Geld für russisches Öl und Gas ausgegeben als für die Unterstützung der Ukraine. Darauf kann sie nicht stolz sein.