Prozess nach Unfall mit fünf Toten
Führte eine WC-Pause zum fatalen Zugunglück?

Nach dem verheerenden Zugunglück in Burgrain bei Garmisch-Partenkirchen (D) mit fünf Toten im Juni 2022 stehen der Fahrdienstleiter und der Bezirksleiter vor Gericht. Die beiden Angeklagten bestreiten eine rechtliche Verantwortung.
Publiziert: 28.10.2025 um 15:44 Uhr
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Nach dem verheerenden Zugunglück im bayerischen Burgrain stehen der Fahrdienstleiter und der Bezirksleiter vor Gericht.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

  • Zugunglück in Burgrain: Zwei Angeklagte vor Gericht wegen fahrlässiger Tötung
  • WC-Pause und Betonschwellen-Einstufung im Fokus der Anklage
  • Fünf Tote und 72 teils Schwerstverletzte bei Unglück am 3. Juni 2022
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AFPAgence France Presse

Ist eine WC-Pause mitverantwortlich für das fatale Zugunglück in Burgrain bei Garmisch-Partenkirchen (D) mit fünf Toten? Für Fahrdienstleiter Andreas M. (66) ist sie zumindest der Grund, weshalb er einen Hinweis eines Lokführers auf einen «Schlenkerer» im Gleis am Vorabend der Katastrophe nicht weitergegeben hat.

M. und der Bezirksleiter Manfred S. (58) müssen sich für diese seit Dienstag vor dem Landgericht München II verantworten – strafrechtlich sehen sie keine Schuld bei sich.

Angeklagten wird fahrlässige Tötung und Körperverletzung vorgeworfen

Am 3. Juni 2022 entgleiste der Regionalzug in Richtung München, die Bilder des Wracks gingen um die Welt. Fünf Tote, 72 teils schwer Verletzte – es war ein massives Zugunglück.

Im Strafprozess sieht die Staatsanwaltschaft bei beiden Angeklagten den Verdacht der fahrlässigen Tötung und Körperverletzung. Fahrdienstleiter M. ist wegen eines Funkspruchs vom Vorabend der Tat angeklagt. Wenn ein Lokführer – wie da geschehen – von Problemen im Gleis berichtet, müsste der Mann die Strecke sperren lassen, so die Ankläger.

Nach eigenen Angaben litt M. an Prostata-Krebs. Am Vortag des Unglücks war er nach langer Krankheitsphase erst den zweiten Tag wieder im Dienst. Wegen seiner Prostata müsse er oft auf die Toilette. Auch nach dem Funkspruch des Lokführers sei er wohl dort gewesen – dessen Warnung sei nach der Rückkehr vom WC «wie weggeblasen» gewesen.

Angeklagter Bezirksleiter sieht tragische Umstände

Seine Verteidiger bestreiten eine daraus folgende strafrechtliche Verantwortung. Denn das Regelwerk sieht präzise Begriffe vor, die zu einer zwingenden Streckensperre führen – der Lokführer hätte von einem «Schlag» sprechen müssen, das hat er aber nicht.

Auch der 58 Jahre alte Bezirksleiter S. sieht in dem Unglück mehr tragische Umstände als persönliches Versagen. S. wird vorgeworfen, dass er die an der Unglücksstelle bereits aufgefallenen Defekte der Betonschwellen als schwerwiegend hätte einstufen müssen.

Mit der höchsten Fehlerstufe wären dann direkte Konsequenzen wie eine Verlangsamung der Züge und ein umgehender Austausch der Betonschwellen gefolgt. Der Bezirksleiter beliess es aber bei der zweiten, weniger strengen Fehlerstufe – die Betonschwellen sollten innert von Monaten ausgetauscht werden.

Hätten Defekte der Betonschwellen anders eingestuft werden müssen?

Er habe seine Entscheidung auf die Befunde der Kollegen gestützt, sagt S.. Ein Gutachten der zuständigen Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung kam zum Schluss, dass die Probleme der Betonschwellen durch die Inaugenscheinnahme der Bahnmitarbeiter nicht zu erkennen gewesen seien.

Lag das Problem also viel mehr im Prozedere der Deutschen Bahn, die nach dem Unglück Hunderttausende Betonschwellen austauschen liess? Zumindest am Rande des Verfahrens geht es auch darum. Rechtsanwalt Florian Oppenrieder, ein anderer Nebenklagevertreter, sagt, es stelle sich die Frage, «ob wir uns das wirklich leisten wollen, bei der Daseinsvorsorge zu sparen».

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