Darum gehts
- Zugunglück in Riedlingen: Drei Tote und viele Verletzte bei Entgleisung
- Anwohner berichten von Schock und Trauer in der Gemeinde
- 41 Menschen wurden verletzt, davon 25 schwer
Riedlingen, Landkreis Biberach, im süddeutschen Bundesland Baden-Württemberg. In der malerischen Kleinstadt an der Donau ist es ruhig, hier passiert nicht viel. Es gibt einen Fast-Food-Anbieter, eine Handvoll Restaurants, ein paar Bars. Die Freiwillige Feuerwehr der Region besteht aus etwa 200 ehrenamtlichen Helfern – und die war am Sonntagabend plötzlich mit einer Katastrophe konfrontiert.
Ein Regionalzug der DB Regio Baden-Württemberg entgleiste. Das Bild, das sich Blick vor Ort bietet, ist schrecklich: Waggons stapeln sich übereinander, Bäume wurden mitgerissen, die Schienen sind verformt. An Bord des Zugs: 100 Menschen.
Drei davon überleben die Katastrophe im Waldstück im Ortsteil Zell nicht. Bei den Toten handelt es sich um den 32-jährigen Lokführer, einen 36-jährigen Auszubildenden der Bahn sowie um eine 70-jährige Passagierin. Mindestens 41 Menschen wurden verletzt, 25 von ihnen schwer.
Ihr Sohn wäre fast im Zug gesessen
Fast hätte es auch den Sohn von Shukrije Rexhepi (40) aus Bechingen, das direkt neben Zell liegt, getroffen. Blick trifft sie und ihren Partner Horst Stöss (47) auf der Brücke, die das Bahntrassee überquert – wo sich Journalisten aus ganz Deutschland tummeln. Die beiden machen einen geschockten Eindruck. «Ich habe Hubschrauber gehört und bin dann hierhergefahren. Dann sah ich den entgleisten Zug», sagt Stöss. Weiter ins Detail möchte er nicht gehen, der Anblick des schweren Zugunglücks steckt ihm noch zu tief in den Knochen.
«Normalerweise fährt er immer mit diesem Zug», sagt Shukrije Rexhepi über ihren Sohn (19). Stöss fügt an: «Ich habe mich gestern sofort vergewissert, ob er wirklich zu Hause ist. Wirklich.» Der Sohn sei tatsächlich zu Hause gewesen, sagt Stöss, seine Stimme droht zu versagen, ihm kommen die Tränen.
«Er sagte, er sei froh, dass er nicht im Zug war», sagt die Mutter. Das Paar kann noch nicht richtig fassen, wie knapp ihr Sohn einer Katastrophe entgangen ist. «Ich wünsche den Verletzten und den Angehörigen der Todesopfer alles Gute», sagt Horst Stöss.
«Das war ganz schlimm für mich»
«Es war kein schönes Bild», sagt Anwohner Josef Ebe (80). Er wohnt direkt neben den Bahngleisen bei der Unfallstelle und hat die Entgleisung mitbekommen. Sirenen und Krankenwagen hat er gesehen und gehört. «Ich hoffe, die Schwerverletzten überleben», sagt er.
Am Riedlinger Bahnhof, gut sechs Kilometer südlich, herrscht Leere. Die Züge sind ausgefallen, wiederkehrende Durchsagen und eine elektronische Anzeigetafel machen darauf aufmerksam. «Ich höre zum ersten Mal, dass so etwas hier in der Nähe passiert», sagt Jarom zu Blick. «Sehr viele waren schockiert.» Jeder in Riedlingen rede über den Vorfall.
Alexander Jovanovic lebt seit 52 Jahren in Deutschland und arbeitet seit 20 Jahren als Busfahrer in der Region. «Es ist mir ganz schlecht gegangen, als ich das gestern gehört habe», sagt er zu Blick. «Alle sind traurig, dass so etwas passieren konnte und dass so viele Menschen verletzt worden sind.»
Wer hat Schuld an der Tragödie?
Die Ermittlungen zum Unfallhergang laufen auf Hochtouren, sagt Sven Vrancken (48), Sprecher des Polizeipräsidiums Ulm, zu Blick. «Wir gehen davon aus, dass ein Abwasserschacht überlief, Wasser über die Böschung hinabgelaufen ist und dadurch ein Erdrutsch verursacht wurde.» Geröll und Steine seien so auf die Geleise gerutscht, und der Zug sei entgleist.
Auch am Montag ist der Himmel über Riedlingen – analog der Stimmung in der Region – grau. Ein Spezialkran war eingetroffen, um die Waggons zu bergen. Wie es genau zum Unfall kam und wann die Strecke wieder befahrbar sein wird, ist noch nicht klar. Derweil werden Schuldige gesucht. Viele sehen die Ursache für den Unfall bei der viel gescholtenen Deutschen Bahn. Sie soll auf die Unwetterwarnungen zu spät reagiert haben.