Norwegischer Verteidigungsminister warnt vor neuem Schlachtfeld
Wie Putin die Arktis zu einer Atom-Abschussrampe macht

Neue Bunker, Schiffe und superschnelle Raketen: Russland rüstet auf der Halbinsel Kola laut norwegischen Beobachtungen massiv mit Atomwaffen auf. Wir sagen, was Putin vorhat und wie ernst er es mit einem nuklearen Schlag meint.
Publiziert: 27.10.2025 um 16:34 Uhr
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Aktualisiert: 27.10.2025 um 18:24 Uhr
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Die Russen trainieren auf der Halbinsel Kola besonders intensiv.
Foto: imago images/SNA

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Guido FelderAusland-Redaktor

Während der russische Präsident Wladimir Putin (73) in Osteuropa seine Abnützungsschlacht gegen die Ukraine weitertreibt, zieht er im Norden eine neue bedrohliche Front gegen den Westen auf. Der norwegische Verteidigungsminister Tore Sandvik (56) sagt in einem Interview, dass die Russen ihre Atomwaffen in Stellung brächten, um sich auf einen Krieg gegen die Nato vorzubereiten.

Wir erklären, wie Putin auf der Halbinsel Kola aufrüstet und warum die Arktis zu einem neuen Schlachtfeld werden könnte.

Wie sich die Russen im Norden in Stellung bringen

Laut Minister Sandvik führen die Russen zurzeit Tests durch, darunter mit Hyperschallraketen mit bis zu achtfacher Schallgeschwindigkeit, mit nuklearbetriebenen Torpedos und an Nuklearsprengköpfen. Neu im Sortiment haben die Russen auch den nuklearfähigen Marschflugkörper Burewestnik, der mit seinem Atomantrieb bis 25’000 Kilometer zurücklegen kann.

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Der norwegische Verteidigungsminister Ture Sandvik warnt vor der russischen Aufrüstung auf Kola.
Foto: IMAGO/NTB

Zudem sollen die Russen in den vergangenen zwei Jahren eine neue Fregatte und ein Mehrzweck-U-Boot vom Stapel gelassen und neue Bunker für Atomraketen gebaut haben. Die Nordflotte ist trotz Ukrainekrieg unversehrt und ausgebaut worden.

Minister Sandvik sagte gegenüber «The Telegraph», dass Russland seine militärische Präsenz vor allem auf Kola verstärkt habe. Die Halbinsel beherbergt eines der weltweit grössten Arsenale an Atomsprengköpfen und ist Station von mindestens 16 atomar betriebenen U-Booten.

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Warum Putin im Norden aufrüstet

Kola liegt nahe der Arktis und grenzt an die Nato-Länder Norwegen und Finnland. Die Halbinsel ist von strategischer Bedeutung, weil das schmelzende Eis in der Arktis neue Schifffahrtsrouten freigibt. Russland will sich Routen sichern, unter anderem um im Krisenfall den Zugang der Nato-Staaten zu blockieren. Zudem warten unter dem schmelzenden Eispanzer grosse Bodenschätze wie Erdöl, Gas und Mineralien.

Welche Ziele Putin ins Visier nimmt

Tore Sandvik sagt über die Aufrüstung auf Kola: «Die Atomwaffen sind nicht nur auf Norwegen gerichtet, sondern auch auf Grossbritannien und über den Pol hinweg auf Kanada und die USA.» Vor allem sind für die Russen U-Boote wichtig, die von irgendwo auf der Welt aus Nuklearsprengköpfe abfeuern können.

Allerdings würde Russland einen Krieg gegen die Nato nicht mit Atomwaffen eröffnen. Vielmehr könnte es zuerst begrenzte Interventionen geben, etwa in Skandinavien. Im Fokus stünde dabei die von vielen Russen bewohnte Arktisinsel Spitzbergen, die zu Norwegen gehört.

Wie ernst es Putin mit Atomwaffen meint

Der Kreml hat seine Nukleardoktrin 2024 angepasst und die Schwelle zum Einsatz von Atomwaffen gesenkt. Vorher war ein Atomwaffeneinsatz nur erlaubt, wenn die Existenz des Staates direkt bedroht war. Neu kann der Kreml Atomwaffen auch als Reaktion auf konventionelle Angriffe einsetzen, wenn diese eine «kritische Bedrohung der Souveränität» darstellen.

Die Aufrüstung zeigt daher, dass der Kreml die atomare Option ernst nimmt. Aber er hat vor allem ein Ziel, wie Christoph Heusgen (70), Co-Chairman des St. Gallen Symposium und Ex-Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, gegenüber Blick sagt: «Putin verfolgt mit seiner Strategie schon fast routinemässig immer das Gleiche: verunsichern, einschüchtern, Zwietracht säen.»

Wie die Nato reagieren würde

Bei einem Atomschlag durch Russland gibt es bei der Nato – je nach Ausmass des Angriffs – verschiedene Szenarien:

  • Als Vergeltung könnte die Nato einen konventionellen, asymmetrischen Gegenschlag ausführen. Eine Möglichkeit wäre die Versenkung der Schwarzmeerflotte.

  • Eine Möglichkeit wäre eine begrenzte nukleare Antwort mit taktischen Waffen auf dem Schlachtfeld.

  • Im Extremfall könnte die Nato einen strategischen Atomangriff auf eine weit entfernte Einrichtung oder gar Stadt verüben.

Um Putin vor einem Atomschlag abzuhalten, gibt es laut Heusgen nur eine Möglichkeit: «Es hilft nur die Strategie, die im Kalten Krieg erfolgreich war: nicht einschüchtern lassen und die nukleare Nato-Abschreckung glaubwürdig aufrechterhalten.» Wegen der amerikanischen Unsicherheiten rät Heusgen den Europäern, auf das französisch-britische Angebot einzugehen und über eine Europäisierung der französischen und britischen Nuklearwaffen zu reden.

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