Netanyahu-Minister benützen zur Besetzung des Gazastreifens Extrem-Vokabular
So will Israel die Palästinenser «verhungern und verdursten» lassen

In der Operation «Gideon's Chariot» will die israelische Regierung den ganzen Gazastreifen besetzen. Für die Bewohner ist das eine Tragödie: Sie sollen im Süden zusammengepfercht werden. Beobachter sprechen von Völkermord.
Publiziert: 18:03 Uhr
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Aktualisiert: 18:33 Uhr
Schwer beladen Richtung Süden: Die israelische Armee vertreibt Bewohner aus Gaza-Stadt.
Foto: IMAGO/Middle East Images

Darum gehts

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Guido FelderAusland-Redaktor

Die israelische Regierung zeigt keine Gnade. Mit aller Brutalität macht sie Jagd auf die Hamas-Terroristen. Nur: Bei der Mission «Gideon's Chariot», die am Freitag angelaufen ist, triffts erneut mehrheitlich die Falschen, nämlich Zivilisten. Rund 53'000 Menschen sind seit Kriegsbeginn getötet worden, mindestens 300 seit Freitag.

Inzwischen haben Ministerpräsident Benjamin Netanyahu (75) und seine rechtsextremen Minister ihre Visionen für den Gazastreifen bekannt gegeben. Vor allem Finanzminister Smotrich, der «konzentrieren» und «völlig zerstören» will, greift dabei auf extreme Rhetorik zurück. Die Reaktionen sind heftig.

Dass die israelische Regierung nach dem brutalen Hamas-Überfall in den Gazastreifen eingedrungen war, um die verschleppten Geiseln zu befreien und die Täter zu bestrafen, stiess anfangs in breiten Kreisen auf Verständnis. Der rücksichtslose Feldzug, bei dem bisher vor allem Zivilisten getötet und rund 70 Prozent der Gebäude zerstört oder beschädigt worden sind, sorgt aber immer mehr für Hass auf Israel. So kam es auch am ESC in Basel zu Protestaktionen, unter anderem vom vorjährigen Schweizer Sieger-Act Nemo (25).

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Die israelische Armee bereitet die Besetzung des gesamten Gazastreifens vor.
Foto: imago/UPI Photo

Aufstand gegen Netanyahu

Es gilt allerdings zu differenzieren: Es ist nicht «Israel», das die Gräueltaten im Gazastreifen zu verantworten hat, sondern die nationalkonservative bis rechtsextreme Regierung. Tausende von Israelis gehen regelmässig auf die Strasse, um gegen sie zu demonstrieren. Insbesondere die Angehörigen der Geiseln fordern eine Mässigung oder Einstellung der Kampfhandlungen. Sie haben Angst, dass durch die Aggression das Leben der Geiseln gefährdet wird.

Zu den Kriegstreibern gehören vor allem folgende vier Minister:

  • Benjamin Netanyahu (75), Ministerpräsident: rechtsnationalistisch, auf die Unterstützung der Extremen angewiesen.

  • Itamar Ben-Gvir (49), Polizeiminister: rechtsextrem, verhindert Waffenstillstände und Verhandlungen mit der Hamas.

  • Bezalel Smotrich (45), Finanzminister: rechtsextrem, würde die Palästinenser am liebsten «verhungern und verdursten» lassen.

  • Israel Katz (69), Verteidigungsminister: rechtskonservativ, loyaler Verbündeter von Netanyahu.

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Unbeeindruckt von der Kritik – auch die USA hatten unter Präsident Joe Biden (82) Israel zur Mässigung aufgerufen – setzt die israelische Regierung ihren Feldzug fort. Ziel der Operation «Gideon's Chariot» ist nebst der Vernichtung der Hamas die Besetzung des ganzen Gazastreifens, wie Netanyahu am Montag bekannt gab.

Minister mit extremem Vokabular

Finanzminister Bezalel Smotrich verriet seine Vision: Innerhalb eines halben Jahres sollen die rund 2,2 Millionen Palästinenser auf einem schmalen Landstreifen im Süden «konzentriert» werden und der Rest des Streifens «völlig zerstört» sein. Zur Erinnerung: Das Wort «konzentriert» löst gerade in seinen Kreisen ungute Gefühle aus, haben die Nazis doch im Zweiten Weltkrieg rund sechs Millionen Juden in «Konzentrations»-Lagern umgebracht.

Smotrich, der auch das Westjordanland annektieren will, wird von der EU und Menschenrechtsorganisationen generell für seine hetzerischen Äusserungen scharf kritisiert. Vorwürfe gibts auch aus Israel selber: Geisel-Angehörige werfen ihm vor, territoriale Gewinne über das Leben der Verschleppten zu stellen.

Expertin spricht von Völkermord

Für Nancy Okail, Präsidentin und CEO des unabhängigen Centers for International Policy in Washington D.C., haben Netanyahus Pläne definitiv die «Schwelle zum Völkermord überschritten». Sie gibt den USA eine Mitschuld. «Die offene Planung eines solchen Verbrechens gegen die Menschlichkeit wurde durch das fast vollständige Versagen der internationalen Gemeinschaft und insbesondere der Vereinigten Staaten und anderer Waffenlieferanten ermöglicht», hält sie in einer Erklärung fest.

Sie fordert daher Massnahmen. Okail: «In erster Linie sollten die USA und andere Waffenlieferanten das nationale und internationale Recht einhalten und ihre Lieferungen von Angriffswaffen an Israel stoppen.» Auch sollten rechtliche Schritte gegen israelische Beamte und Sanktionen gegen Israel in Betracht gezogen werden.

Einen kleinen Hoffnungsschimmer gibt es inzwischen. Nach der fast drei Monate dauernden Blockade der Hilfslieferungen hat die israelische Regierung am Montag immerhin grünes Licht für humanitäre Hilfe erteilt. Für Staatspräsident Isaac Herzog (64) ist das ein Zeichen, «dass wir in dieser Tragödie unserer Menschlichkeit bewahren können».

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