Israel bläst im Gazastreifen zur «Entscheidungsschlacht» – schon Hunderte Tote
Wer kann Netanyahu noch stoppen?

Weil die Hamas nicht einlenkt und die Geiseln frei lässt, bläst Israel zur Eroberung des Gazastreifens. Wir sagen, was bei diesem Angriff anders ist, wie die Bevölkerung leidet und auf welches Wunder jetzt alle hoffen.
Publiziert: 18.05.2025 um 19:59 Uhr
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Aktualisiert: 18.05.2025 um 20:08 Uhr
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Israel hat die Hilfslieferungen in den Gazastreifen gestoppt. Es droht eine Hungersnot.
Foto: IMAGO/APAimages

Darum gehts

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Guido FelderAusland-Redaktor

Benjamin Netanyahu (75) geht aufs Ganze. Der israelische Ministerpräsident hat am Freitag zur Operation «Gideon's Chariot» (Gideons Streitwagen) geblasen, um grosse Teile des Gazastreifens definitiv zu besetzen. Grund für den Angriff: Die Terrororganisation Hamas ist nicht bereit, die restlichen Geiseln freizulassen. 

Bis Sonntag hat die Operation rund 300 Tote gefordert. EU-Ratspräsident António Costa (63) zeigt sich «schockiert», denn der neue Angriff trifft jene, die jetzt schon am meisten leiden. Allerdings: Es könnte sein, dass im letzten Moment doch noch ein Wunder passiert. 

Was will Netanyahu mit «Gideon's Chariot» erreichen?

Ein Kriegsziel ist die Freilassung der Geiseln. Noch befinden sich mindestens 20 lebende und 35 getötete Geiseln in den Fängen der Hamas, die am 7. Oktober 2023 mordend in Israel eingedrungen war. Zudem will Netanyahu die Terrororganisation Hamas zerstören.

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Am Freitag hat Netanyahu zur Operation «Gideon's Chariot» geblasen.
Foto: AFP

Die Operation «Gideon's Chariot» verläuft nach einem Drei-Stufen-Plan: 

  • In der ersten Phase bereiten Angriffe aus der Luft den Einmarsch von Bodentruppen vor. 

  • In der zweiten Phase werden die Bodentruppen weitere Gebiete erobern und diese auch halten. Bis zum Waffenstillstandsabkommen vom 20. Januar hatten sich die Truppen nach einer Eroberung und Kontrolle wieder zurückgezogen. Ob Israel nur Teile des Gazastreifens oder das ganze Gebiet kontrollieren will, wurde nicht definiert. 

  • In der dritten Phase will Israel auf den eroberten Gebieten humanitäre Sicherheitszonen einrichten. 

Welches weitere Leid kommt auf die Gaza-Bewohner zu?

Der Krieg gegen die Hamas hat inzwischen rund 53'000 Todesopfer gefordert, ein Grossteil davon sind zivile Opfer. Seit März blockiert Israel die Einfuhr von Medikamenten, Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern in den Gazastreifen, wo über 2 Millionen Menschen leben. Hilfsorganisationen warnen vor einer Hungersnot. 

Damit keine Hilfsgüter in die Hände der Hamas gelangen, möchte Israel die Verteilung selber übernehmen – offenbar auch mit Schweizer Unterstützung. Dieser Plan wird von Hilfsorganisationen allerdings kritisiert, weil unter der Führung einer Kriegspartei die Güter möglicherweise nicht an alle Notleidenden verteilt würden. 

Zu all diesem Leid wollen die Israelis die Bevölkerung aus dem Norden des Gazastreifens in den Süden umsiedeln. Eckart Woertz, Direktor des Giga-Instituts für Nahost-Studien in Hamburg, sagte gegenüber Blick: «Bei den Plänen der israelischen Rechtsextremen in der Regierung handelt es sich um eine gewaltsame Vertreibung und ethnische Säuberung.»

Kann Israel die Hamas überhaupt zerstören?

Die Operation «Gideon's Chariot» kann die Terrororganisation wohl militärisch schwächen und ihre Kontrolle über den Gazastreifen vermindern. Laut Reinhard Schulze, ehemaliger Leiter des Forum Islam und Naher Osten der Universität Bern, könnte es zu einer «Entscheidungsschlacht» mit vielen zivilen Opfern kommen.

Eine ideologische und politische Zerstörung der Hamas ist aber kaum möglich. Neomi Neumann vom «The Washington Institute» schreibt in einem Leitartikel: «Die vollständige Umsetzung von Gideon's Chariot würde wahrscheinlich zu einer langanhaltenden israelischen Besetzung Gazas führen, die von einem anhaltenden Aufstand unter Führung der Hamas begleitet würde.»

Wer kann Netanyahu stoppen?

Am ehesten könnte es sein Freund Donald Trump (78). Der US-Präsident hat aber selber Interesse am Gazastreifen, weil er ihn in einen Tourismusort mit Luxushotels umwandeln will. Einfluss haben auch die Angehörigen der Verschleppten, die regelmässig auf der Strasse demonstrieren. Sie versuchen, Netanyahu von der Offensive abzubringen, weil sie um das Leben der restlichen Geiseln bangen. Bisher aber hört Netanyahu nicht auf sie. 

Möglich ist, dass doch noch ein Wunder eintritt. In Katar wird ein neuer Entwurf für ein Gaza-Abkommen diskutiert. Teil des Plans seien die Freilassung von zehn Geiseln zu Beginn des Abkommens sowie eine bis zu zwei Monate andauernde Waffenruhe, berichtete der israelische Sender Kan. Zur Debatte stehe auch die Entlassung von 200 bis 250 palästinensischen Häftlingen aus israelischen Gefängnissen.

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