Darum gehts
- Mutmasslicher Sabotageakt auf Bahnstrecke zwischen Warschau und Lublin in Polen
- Sprengstoffexplosion und weitere Schäden an Gleisen und Stromleitung festgestellt
- Polnische Regierung untersucht Vorfälle, 120 Kilometer lange Strecke wird durch Armee kontrolliert
In Polen laufen die Ermittlungen wegen eines mutmasslichen Sabotageaktes auf Hochtouren. Am Sonntag kam es auf der Bahnstrecke zwischen Warschau und Lublin zu drei Vorfällen. Dabei wurden Teile der Strecke mit Sprengstoff gesprengt. Es entstanden grosse Schäden.
Die polnische Regierung spricht von einem Sabotageakt und geht von einem Anschlag auf einen Zug aus. Verletzt wurde glücklicherweise niemand. Blick fasst zusammen, was bisher zu den Vorfällen bekannt ist.
Was ist geschehen?
Unweit der Ortschaft Mika kam es am Sonntag auf der Bahnstrecke zwischen der Hauptstadt Warschau und der Stadt Lublin im Osten zu einer Explosion auf den Gleisen. Ein Sprengkörper zerstörte dabei die Bahnstrecke, bestätigte Polens Regierungschef Donald Tusk (68) am Montagmorgen auf der Plattform X.
Auf derselben Strecke wurden näher an der Stadt Lublin weitere Schäden an den Gleisen festgestellt. Wie die polnische Zeitung «Fakt» berichtet, sei an einer Stelle die Stromleitung durchtrennt worden, an anderer Stelle hätten die Ermittler ein an den Gleisen befestigtes Metallblech und ein mit Kabeln an der Schiene befestigtes Smartphone gefunden.
Laut Zeugenaussagen soll die durchtrennte Oberleitung einen vorbeifahrenden Zug getroffen und mehrere Fensterscheiben zertrümmert haben, schreibt «Fakt» weiter. Weder Fahrgäste noch Zugpersonal seien verletzt worden, berichtete die polnische Nachrichtenagentur PAP.
Wie reagiert Polen auf die Vorfälle?
Am Montagmorgen bezeichnete Tusk auf X die Vorfälle als Sabotageakt. Bei einem Besuch vor Ort sagte der Regierungschef: «Die Explosion unweit der Ortschaft Mika hatte höchstwahrscheinlich zum Ziel, einen Zug von Warschau nach Lublin in die Luft zu sprengen.» Die Ortschaft Mika liegt rund 100 Kilometer südöstlich von Warschau.
Einsatzkräfte untersuchten die Bahnstrecke, Staatsanwaltschaft und Geheimdienst haben die Ermittlungen aufgenommen. Auch die Armee ist im Einsatz, wie der Verteidigungsminister Wladyslaw Kosiniak-Kamysz (44) auf X mitteilte. Die Armee kontrolliert dabei einen etwa 120 Kilometer langen Streckenabschnitt nahe der Bahnlinie bis zur ukrainischen Grenze.
Tusk schrieb auf X von einem «beispiellosen Sabotageakt, der direkt auf die Sicherheit des polnischen Staates und seiner Zivilbevölkerung abzielt». Er versicherte: «Wir werden die Täter finden, unabhängig davon, wer ihre Hinterleute sind.» Er berief eine ausserordentliche Sitzung des Sicherheitskomitees der Regierung für Dienstag ein, an der auch mehrere hochrangige Militärs teilnehmen sollen.
Was macht die Bahnstrecke so wichtig?
Die Strecke zwischen Warschau und Lublin ist eine strategisch wichtige Bahnlinie. Als EU-, Nato- sowie Nachbarland besitzt Polen eine zentrale Verbindung zur Ukraine. Viele Militärtransporte laufen über diese Strecke in die Ukraine – denn sie führt zum Grenzort Dorohusk und von dort weiter in das Nachbarland.
Nach Informationen des Senders Radio Zet sollen bereits einige Tage zuvor Hinweise auf die akute Gefahr von Anschlägen bei der polnischen Bahn eingegangen sein. Die Eisenbahngesellschaft PKP soll daher im Vorfeld ihre Belegschaft in erhöhte Bereitschaft versetzt haben.
Wer steckt hinter den Vorfällen?
Die Hintergründe der Vorfälle sind bisher noch unklar. Doch am Montag erklärte der polnische Innenminister Marcin Kierwiński (49) auf einer Pressekonferenz, dass «umfangreiches Beweismaterial» gesichert worden sei, das es «mit Sicherheit ermöglichen wird, die Täter dieses abscheulichen Sabotageakts sehr schnell zu identifizieren». Darunter seien Aufnahmen von Überwachungskameras und verschiedene gesicherte Materialien.
Polens Regierung hat in Zusammenhang mit dem mutmasslichen Sabotageakt noch keinen direkten Verdacht gegen Russland ausgesprochen. Doch Tusks Formulierung zu möglichen «Hinterleuten» der Tat könnte als Verweis verstanden werden.
Was soll der Sabotageakt bewirken?
In einem Interview mit «Fakt» zeigt sich Oberst Grzegorz Malecki (58) von einer Verbindung zu Russland überzeugt. Der Ex-Geheimdienstchef bezeichnet die Vorfälle als «eine weitere rote Linie, die Russland überschritten hat. Schliesslich hätte es zu einem schweren Zugunglück kommen können».
Weiter betont Małecki, dass eine solche Tat «kaum von Amateuren verübt worden sein» könne. Der Experte sieht darin ein bestimmtes Ziel, das Kremlchef Wladimir Putin (73) verfolgt: «Angst zu schüren, die Aufmerksamkeit der Medien zu lenken und Diskussionen anzustossen, möglicherweise auch über weitere Unterstützung für die Ukraine.»
Ein möglicher Eingriff Russlands wäre kein Einzelfall. Bereits im vergangenen Jahr machte Polen russische Geheimdienste für einen Grossbrand in einem Einkaufszentrum in Warschau verantwortlich. Im Oktober nahm man acht Personen wegen des Vorwurfs fest, Sabotageakte geplant und Spionage betrieben zu haben.