Am Donnerstagmittag hat die Landespolizei Steiermark mit der Staatsanwaltschaft Graz eine Pressekonferenz zum aktuellen Ermittlungsstand im Fall des Amoklaufs von Graz gegeben.
Gemäss Michael Lohnegger, Leiter des Landeskriminalamts Steiermark, betrat der Täter Artur A. (†21) am Dienstag um 9.43 Uhr die Schule. Demnach habe er einen Rucksack getragen, in dem sich die Waffen und Munition befunden hätten. Anschliessend habe er sich in den dritten Stock begeben. Dort angekommen, habe er sich eine Schiessbrille und ein Headset aufgesetzt.
Amoklauf dauerte sieben Minuten
Bei den Waffen handelte es sich um eine Pistole der Marke Glock und eine am Schaft abgesägte Doppelflinte. Ausserdem war Artur A. mit einem Jagdmesser bewaffnet.
Die erste Streife erreichte laut Lohnegger die Schule um 10.06 Uhr, kurz bevor sich der Amokläufer das Leben nahm. Den Angaben zufolge beging Artur A. um 10.07 Uhr Suizid. Insgesamt dauerte der Amoklauf sieben Minuten.
Neue Details zum Täter
Der Täter sei ein sehr introvertierter Mensch gewesen, der sehr zurückgezogen gelebt habe, sagte Lohnegger weiter. Er habe nicht «am realen Leben» teilnehmen wollen. Ausserdem sei er leidenschaftlicher Spieler von Ego-Shooter-Spielen gewesen.
Bei seiner Musterung beim Bundesheer war er als psychisch untauglich eingestuft worden. Die Kommission habe den 21-Jährigen bei der Stellung – wie die Musterung in Österreich heisst – für psychisch untauglich erklärt, sagte der Sprecher des österreichischen Verteidigungsministeriums, Michael Bauer, am Donnerstag der Nachrichtenagentur AFP.
Auch zu den Amoklauf-Plänen gab der Ermittler weitere Details bekannt. «Es gibt einen minuziösen Ablaufplan», so Lohnegger. «Er hat sich genau darüber informiert und Gedanken gemacht, wann er sich welches Stockwerk vornimmt.» Seine Notizen hätten jedoch keine Angaben zum Tattag beinhaltet.
Laut Lohnegger fuhr der Täter am Tattag mit dem Zug nach Graz. Vermutlich sei er anschliessend zu Fuss weiter zur Schule gegangen.
Motiv weiter unklar
Alle bisher ausgewerteten Unterlagen gäben weiterhin keinen Hinweis auf ein Motiv. Es würden «alle Anknüpfungspunkte» des Amokläufers untersucht.
Zu den Opfern habe der Täter keine nahe Beziehung aus seiner Schulzeit gehabt. Nur die getötete Lehrerin habe er gekannt. Unter den Verletzten befindet sich laut Lohnegger noch ein Lehrer. Dazu, ob sich dieser und der Täter kannten, machte er keine Angaben. Insgesamt befanden sich den Angaben zufolge 400 Menschen zum Tatzeitpunkt im Gebäude.
Die Landeshauptmann-Stellvertreterin in der Steiermark, Manuela Khom (62), fand in einer Medienkonferenz des Gesundheitsministeriums deutliche Worte für mögliche Nachahmer. «Wir haben auch heute wieder Drohungen in anderen Schulen. Viele junge Menschen leben in Angst. Viele Eltern leben in Sorge», sagte sie. «Jene, die glauben, dass sie in Schulen Bombendrohungen abgeben müssen, mögen sich bewusst werden, wie viel Leid sie damit auslösen.»
Videos aus Klassenräumen werden gesichtet
Zwei Tage nach dem Amoklauf an einer Grazer Schule haben die Ermittler am Donnerstag die Spurensicherung am Tatort fortgesetzt. Zudem würden weiter Daten ausgewertet und Zeugen im Umfeld des Schützen und der Schule befragt, berichtete die österreichische Nachrichtenagentur APA unter Berufung auf einen Sprecher der Landespolizei in der Steiermark. Die Spurensicherung und die Tatrekonstruktion könnten demnach noch mehrere Tage in Anspruch nehmen.
Der Polizeisprecher verwies laut APA auf eine Plattform der Polizei, auf der Fotos und Videos von dem Amoklauf hochgeladen werden können. Dort seien bereits Videos aus den Klassenräumen eingegangen, die nun nach und nach gesichtet würden.
Tat löste landesweit Erschütterung aus
Der 21-jährige frühere Schüler des Oberstufenrealgymnasiums in Graz war am Dienstagmorgen in die Schule eingedrungen, wo zu der Zeit gerade die mündlichen Prüfungen zur Matura, dem österreichischen Abitur, liefen. Er tötete neun Schülerinnen und Schüler sowie eine Lehrerin und verletzte elf Menschen schwer. Anschliessend beging er auf einer Schultoilette Suizid.
Die Tat löste landesweit tiefe Erschütterung aus. Die Regierung in Wien rief eine dreitägige Staatstrauer aus. Diese soll am Donnerstagabend mit einem Gedenkgottesdienst im Wiener Stephansdom enden, an dem auch der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Bundeskanzler Christian Stocker teilnehmen.