So tickt Zohran Mamdani
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Jung, Cool, Muslim:So tickt Zohran Mamdani

MAGA mag Mamdani
Warum Trump auf diesen muslimischen Bürgermeister hofft

Der sozialistische Muslim Zohran Mamdani (34) könnte am Dienstag Bürgermeister von New York werden. Donald Trump freut sich bereits über die abschreckende Wirkung dieser Wahl.
Publiziert: 01.11.2025 um 19:11 Uhr
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Aktualisiert: 01.11.2025 um 22:59 Uhr
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Zohran Mamdani will in New York City unter anderem Gratisbusse und Gratiskitas einführen sowie 200'000 neue Billigwohnungen bauen und die Mieten einfrieren.
Foto: keystone-sda.ch

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Samuel SchumacherAusland-Reporter

Vor zehn Jahren tanzte Zohran Kwame Mamdani (34) noch unter seinem Rapper-Namen Young Cardamom durch die Strassen seiner Geburtsstadt Kampala, im Gesicht eine Maske aus zerschnittenem Naan-Brot, im Kopf Reime und Flausen. Heute tourt der ugandisch-amerikanische Doppelbürger mit indischen Wurzeln kreuz und quer durch New York, adrett gekleidet, im Kopf populistische Ideen, wie man die City für ihre Bürger wieder «bezahlbar» und lebenswert machen könnte.

Am Dienstag entscheidet sich, wer Amerikas grösste Stadt für vier Jahre als Bürgermeister regieren soll. Der Sozialist Mamdani liegt in allen Umfragen deutlich vor seinen Herausforderern, dem unabhängigen Andrew Cuomo (67), bis 2021 Gouverneur des Bundesstaats New York, und dem Republikaner Curtis Sliwa (71). Wenn die Acht-Millionen-Metropole ihren ersten muslimischen Bürgermeister bekäme, wäre das eine Sensation. Doch ausgerechnet der republikanische Ur-New-Yorker Donald Trump (79) kann es kaum erwarten, dass der neue linke Superstar in New York endlich an den Schalthebeln sitzt.

Mamdanis Vision für den Big Apple tönt wie ein Mix aus skandinavischem Wohlfahrtstraum, sowjetischem Einkaufserlebnis und Zürcher Stadtwohnungskonzept. Er will Gratisbusse und Gratiskitas für alle New Yorker, dazu staatliche Lebensmittelläden, einen Mietpreisdeckel für zwei Millionen Mieter, 200'000 neue Billigwohnungen und 30 Dollar Mindestlohn bis 2030.

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Zohran Mamdani hat allerbeste Chancen, am Dienstag zum neuen Bürgermeister von New York City gewählt zu werden.
Foto: AFP

Kostenpunkt für die urbane Utopie: Jährlich rund sieben Milliarden Dollar (bei einem städtischen Gesamtbudget von knapp 115 Milliarden). Bezahlen sollen das die Reichen und die Unternehmen. Wer mehr als eine Million verdient, soll zwei Prozent mehr Einkommenssteuer bezahlen. Die Unternehmenssteuer soll von heute rund 7 auf 11,5 Prozent angehoben werden. «Die einfachen Leute müssen sich diese Stadt wieder leisten können», sagt Mamdani.

Eisbad und Stadtwanderung vor Millionenpublikum

Kritiker warnen davor, dass die Topverdiener New York den Rücken kehren würden und das Erfolgskonzept der Metropole – reiche Einwohner zahlen für grosszügige Wohlfahrtsleistungen – zusammenbrechen könnte. Mietendeckel-Experimente wie jenes in San Francisco hätten dazu geführt, dass die Anzahl Mietwohnungen und die Investitionen in Mietobjekte massiv gesunken seien. Und Mamdanis Vorhaben, bei der Polizei zu sparen, sei eine Einladung an Banden des organisierten Verbrechens, die sich wie die Würmer durch den Untergrund des Big Apple fressen.

Der 34-jährige Afrikanist und Arsenal-Fan Mamdani lächelt all diese Bedenken locker weg. Unterstützt von mehr als 90'000 Freiwilligen und einer prall gefüllten Wahlkampfkasse hat sich der Exot im Rennen um das hohe Amt fast uneinholbar an die Spitze gesetzt. Sein Vollkontaktwahlkampf wirkt.

Um zu unterstreichen, dass er die Mietpreise einfrieren will, sprang Mamdani am Neujahrstag in den eiskalten Atlantik vor der Stadt. Um seine Bodenhaftigkeit zu beweisen, wanderte er an einem Tag von Nord nach Süd durch ganz Manhattan. Immer bestens ausgeleuchtet, immer gut gekleidet: «Cut» und ab auf Tiktok (1,6 Mio. Follower) oder Instagram (5 Mio. Follower).

Auch wenn Mamdani bei seinen Talkshow-Auftritten in den Sendungen New Yorker Late-Night-Stars wie Stephen Colbert (61) oder Jon Stewart (62) zuweilen in geschliffene Floskeln abdriftet: Das Spiel mit den Social-Media-Slogans und den kameratauglichen Angriffen auf seine Gegner beherrscht er weit besser als seine Konkurrenten.

15 Tage Hungerstreik

Der frisch verheiratete Jungpolitiker ist sich für fast nichts zu schade. Als Abgeordneter im Staatsparlament von New York, dem er seit 2021 angehört, überstand er damals einen Hungerstreik, in den er aus Solidarität mit der geprellten Taxifahrergewerkschaft getreten war. Wer 15 Tage lang nur mit Wasser, Gatorade und einem gelegentlichen Löffel Hühnersuppe durchhält, dem können auch die zunehmend spitzen Attacken seiner politischen Gegner wenig anhaben.

Ein Marxist sei er, schimpft Kontrahent Sliwa. Und Cuomo lachte, als ein rechtspopulistischer Podcast-Host vermutete, der Pro-Palästinenser Mamdani hätte wahrscheinlich gejubelt, wäre er am 11. September 2001 schon Bürgermeister gewesen, als Al-Kaida-Terroristen das World Trade Center zum Einsturz brachten und Tausende töteten.

Doch nicht alle Rechten sehen in Mamdani eine Gefahr für die Millionenmetropole. Donald Trump (79) etwa, aufgewachsen im Stadtteil Queens und jahrzehntelang in Manhattan heimisch, fiebert der Wahl des 2018 eingebürgerten Uganders regelrecht entgegen. Der Sozialist sei «etwas vom Besten, was der Republikanischen Partei je passiert ist», postete Trump auf seiner Plattform Truth Social. Er sei ein Segen für die Republikaner, die dann am Beispiel von New York City ganz Amerika zeigen könnten, dass alles vor die Hunde gehe, wenn man einen «woke-verblendeten Marxisten» an die Macht lasse.

Trump sieht Mamdani als fleischgewordene Schreckfigur, die die Amerikaner das Fürchten vor den Demokraten lehren werde. Deshalb will er, dass Mamdani gewinnt. Verhindern liesse sich das nur, wenn der Republikaner Sliwa aus dem Rennen schiede und Cuomo damit einen Boost gäbe. Doch Trump denkt nicht im Traum daran, seinen Parteigenossen zum Aufgeben zu drängen. Er will Cuomo verhindern und Mamdani siegen sehen. 

Ex-Trump-Sprecher: Eine Falle für Demokraten

Der Ex-Trump-Sprecher und Ur-New-Yorker Anthony Scaramucci (61) sagt in seinem Podcast, die Gefahr für die Demokraten bestehe darin, dass deren Repräsentanten mit nationaler Bekanntheit – etwa die New Yorker Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez (36) – ihre Partei mit Verweis auf Mamdanis Erfolg noch weiter nach links drängen und sie damit endgültig in den Abgrund treiben. Mamdanis Erfolg könne für die Demokraten auf nationaler Ebene zum Bumerang werden.

Ganz anders sieht dies das konservative «Wall Street Journal». Das Blatt warnt die Republikaner, sich nicht zu früh über den vermeintlich linken Spinner zu freuen. Wenn die Trump-Regierung nicht liefere, könnten sich die Wähler bald erstaunlich offen für die radikalen Ideen des demokratischen Sozialisten zeigen.

Kurz: Falls Mamdani liefert, könnte er schnell vom Feindbild zum Vorbild mutieren. Vielleicht ziehen die Reichen ja gar nicht weg. Vielleicht werden die Busse tatsächlich schnell und pünktlich. Vielleicht entstehen günstige Wohnungen, grüne Pausenplätze und gut bezahlte Jobs.

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