Darum gehts
UN-Chef warnt vor humanitärer Katastrophe in Gaza
Bei heftigen Angriffen sterben über 100 Menschen im Gazastreifen
Die israelische Armee beginnt derweilen die Grossoffensive «Gideons Chariots» in Gaza
UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk wirft Israel «ethnische Säuberung» vor
Geisel-Angehörige fordern Ende des «Alptraums»
Hunderte Menschen haben in Tel Aviv für ein Ende des Gaza-Krieges und die sofortige Freilassung der Geiseln demonstriert, die sich noch immer in der Gewalt der islamistischen Hamas im Gazastreifen befinden. «Wir wissen, dass sie leben, und wir wissen, dass die Zeit ausläuft», sagte Liran Berman, dessen Zwillingsbrüder bei dem Terrorangriff am 7. Oktober 2023 in den Gazastreifen verschleppt wurden. Das mache die Entscheidung der israelischen Regierung, das Verhandlungsteam aus Katar zurückzurufen, so verstörend. «Jeder Tag ohne Gespräche ist ein Tag, an dem wir riskieren, sie zu verlieren», sagte er.
Einav Zangauker, deren Sohn weiterhin in der Gewalt der Hamas ist, wandte sich während der Demonstration öffentlich an die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu: «Sagen Sie mir, Herr Ministerpräsident: (...) Wie können Sie in den Spiegel schauen in dem Wissen, dass Sie 58 Geiseln im Stich lassen?»
Nira Scharabi, deren Mann in Geiselhaft ums Leben kam und dessen Leiche sich weiterhin im Gazastreifen befindet, sagte, ihre Töchter bräuchten einen Abschluss zum trauern. Doch solange ihr Mann nicht einmal ein Grab habe, dauere die Hölle an. «Ich appelliere von hier an die israelische Regierung: Lassen Sie diesen Alptraum enden.»
Israelis erhalten Anrufe mit mutmasslichen Geisel-Schreien
Zahlreiche Menschen in Israel haben nach übereinstimmenden Medienberichten in den vergangenen Stunden Anrufe erhalten, bei denen Aufnahmen von Schreien von Geiseln im Gazastreifen zu hören gewesen sein sollen.
Neben den angeblichen Schreien der festgehaltenen Geiseln seien auch Explosionen und das Heulen von Sirenen zu hören gewesen, berichtete die Nachrichtenseite «Ynet». Die Anrufe seien von unbekannten Nummern abgesetzt worden.
20 Geiseln im Gazastreifen festgehalten
Das Forum der Geiselfamilien in Israel teilte mit, ebenfalls Berichte über jene Anrufe erhalten zu haben. Nach Angaben des Forums handelt es sich bei den abgespielten Aufnahmen um Aufzeichnungen aus Geiselvideos der Hamas, die die Terrororganisation zuletzt verbreitet hatte. Das Forum betonte in einer Mitteilung, die Anrufe seien nicht in seinem Auftrag getätigt worden.
Wie die Zeitung «Haaretz» berichtete, waren bei einigen Anrufen auch Stimmen zu hören, die zu einem raschen Geiseldeal aufriefen. Nach israelischen Angaben werden derzeit noch 20 Geiseln lebend im Gazastreifen festgehalten. Bei drei weiteren Entführten ist unklar, ob sie noch leben. Zudem befinden sich die sterblichen Überreste von 35 Verschleppten dort.
«Panik in der Bevölkerung schüren»
Die Verhandlungen mit der Hamas über ein Abkommen zur Geiselfreilassung sind ins Stocken geraten. Die israelische Cyberdirektion leitete einem Bericht des Fernsehsenders N12 zufolge eine Untersuchung wegen der von Israelis empfangenen Anrufe ein.
«Die Cyberdirektion betont, dass es sich dabei um Versuche handelt, Panik in der Bevölkerung zu schüren», zitierte N12 aus einer Mitteilung der Behörde.
UN-Chef warnt: Gesamte Bevölkerung Gazas von Hungersnot bedroht
Die Palästinenser im Gazastreifen durchleiden nach Darstellung von António Guterres die wohl «grausamste Phase» in dem seit mehr als anderthalb Jahren andauernden Krieg. «Die gesamte Bevölkerung Gazas ist von einer Hungersnot bedroht», so der UN-Generalsekretär.
Israel hatte Anfang der Woche eine fast dreimonatige Blockade humanitärer Hilfe gelockert. 400 in den vergangenen Tagen zugelassene Lkw-Ladungen seien nur ein «Teelöffel» der nötigen Hilfe, sagte Guterres.
Israel behauptet, es gebe keinen Mangel an Hilfsgütern. Die Regierung beschuldigt die Hamas, sie zu stehlen, um damit Geld zu machen, was die Islamistenorganisation bestreitet. Auch die UN sagen, Israel habe keine Beweise dafür vorgelegt.
UN-Organisation: 15 Hilfstransporter in Gaza geplündert
Nach Angaben des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP) sind 15 Lastwagen der Organisation im Süden des Gazastreifens geplündert worden.
Dies sei am Donnerstagabend passiert, als die Transporter auf dem Weg zu vom WFP unterstützten Bäckereien gewesen seien, teilte die Organisation mit. Details dazu, wer die Lieferungen gestohlen hat, nannte sie nicht. Israels Armee und die zuständige Behörde Cogat äusserten sich auf Anfrage zunächst nicht zu dem Vorfall.
«Hunger, Verzweiflung und die Ungewissheit, ob noch weitere Nahrungsmittelhilfe kommt, tragen zur wachsenden Unsicherheit bei», hiess es in einer Erklärung des WFP. «Wir brauchen die Unterstützung der israelischen Behörden, um deutlich grössere Mengen Nahrungsmittelhilfe schneller, gleichmässiger und auf sichereren Routen nach Gaza zu bringen, wie es während der Waffenruhe geschehen ist.»
Erneut viele Tote nach israelischen Angriffen im Gazastreifen
Im Gaza-Krieg sind palästinensischen Berichten zufolge seit der Nacht mindestens 53 Menschen bei israelischen Angriffen getötet worden. Dutzende weitere Menschen seien bei den Angriffen auf verschiedene Gebiete im Gazastreifen verletzt worden, meldete die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa unter Berufung auf medizinische Kreise.
Laut Wafa kamen allein bei einem israelischen Luftangriff in einer Kleinstadt nahe Chan Junis im Süden des Gebiets elf Menschen ums Leben. Den Angaben zufolge wurde dabei das Haus einer Familie getroffen. Die meisten der Opfer sollen demnach Minderjährige sein. Bei dem Angriff habe es zudem mehrere teils schwer Verletzte gegeben. Wegen der grossen Zerstörung hätten Rettungsteams bislang nicht alle Opfer in Spitäler bringen können.
Derweil teilte das israelische Militär mit, dass Soldaten weiterhin gegen «Terrororganisationen im gesamten Gazastreifen» vorgingen. Am Donnerstag hätten sie dabei «mehrere Terroristen im gesamten Gazastreifen ausgeschaltet und militärische Einrichtungen, Waffenlager und Scharfschützenposten getroffen«, hiess es. Die Luftwaffe habe mehr als 75 Ziele angegriffen, darunter Mitglieder von Terrororganisationen und Raketenabschussrampen.
Die Angaben beider Seiten lassen sich derzeit nicht unabhängig überprüfen.
Netanyahu ernennt neuen Geheimdienstchef
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hat einen neuen Inlandsgeheimdienstchef nominiert. Generalmajor David Zini solle nächster Chef des Schin Bet werden, teilte Netanyahus Büro mit. Es verwies darauf, dass «Zini viele operative und Kommandopositionen» innerhalb des Militärs inne gehabt habe. Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara kritisierte das Vorgehen Netanyahus und bezeichnete den Nominierungsprozess als «fehlerhaft».
Netanyahu hatte den Leiter des Inlandsgeheimdienstes Ronen Bar Ende März gefeuert. Er begründete den Schritt mit mangelndem Vertrauen in Bar und dem Versagen des Schin Bet beim Hamas-Überfall am 7. Oktober 2023. Bar bezeichnete seine Entlassung dagegen als politisch motiviert. Unter Eid warf er Netanyahu vor, von ihm persönliche Loyalität verlangt und ihn unter anderem zur Bespitzelung regierungskritischer Demonstranten aufgefordert zu haben.
Am Mittwoch hatte der Oberste Gerichtshof verkündet, die Entlassung Bars sei gesetzwidrig gewesen. Die Generalstaatsanwaltschaft untersagte der Regierung daraufhin die Ernennung eines neuen Geheimdienstchefs. Netanyahu erklärte jedoch umgehend, er werde sich nicht daran halten.
Auslieferung der Hilfsgüter in Gaza läuft nur schleppend an
Nach einer fast dreimonatigen Blockade des Gazastreifens durch Israel haben erste Hilfslieferungen die notleidende Bevölkerung in dem Palästinensergebiet erreicht. 87 Lastwagen mit Mehl, Nahrungsmitteln und medizinischem Bedarf fuhren in der Nacht zum Donnerstag in das Innere des Küstengebiets, sagte Dschihad Islim, der Vizepräsident des Verbands der Privatspediteure in Gaza. Sie steuerten die Orte Deir al-Balah und Chan Junis im Süden des Gazastreifens an, fügte er hinzu. Ein UN-Sprecher nannte die Zahl von «etwa 90 Lastwagen» und bestätigte den Inhalt der Lieferungen.
Einige Bäckereien in diesen Orten begannen im Morgengrauen mit dem erhaltenen Mehl Brot zu backen und es an die Bewohner zu verteilen, berichteten Bäckereibesitzer und andere Augenzeugen. Örtliche und internationale Helfer betonten jedoch, dass die bislang angekommenen Mengen nur einen Tropfen auf dem heissen Stein bedeuteten. Nach früheren UN-Angaben wären täglich rund 500 Lastwagenlieferungen nötig, um die Versorgung der rund zwei Millionen Palästinenser in Gaza zu garantieren.
Berichte: Israel zieht Verhandler aus Katar ab
Aufgrund stockender Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg, will Israel Berichten zufolge nun alle Unterhändler aus Katar abziehen. Das berichteten mehrere israelische Medien.
Am Dienstag hatte Israel bereits das ranghohe Verhandlungsteam zu Beratungen zurückgeholt. Nach Angaben des Büros von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu blieben zunächst nur die Vertreter der Arbeitsebene in Katars Hauptstadt Doha. Das Forum der Geiselfamilien hatte den Schritt scharf kritisiert.
Es gibt mehrere grosse Streitpunkte zwischen den Konfliktparteien. So will die Hamas unter anderem als Bedingung für die Freilassung der verbliebenen Geiseln das Ende des Gaza-Kriegs. Israel will dem nur dann zustimmen, wenn die Hamas ihre Waffen niederlegt und die Führung der Islamisten den Gazastreifen verlässt. Diese Forderungen wiederum lehnt die Hamas ab.
Hamas-Behörde: 16'500 Minderjährige im Gaza-Krieg getötet
Während des seit mehr als anderthalb Jahren andauernden Gaza-Kriegs sind nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 16'500 Kinder und Jugendliche getötet worden.
Die Behörde veröffentlichte eine Liste mit ihren Namen, Ausweisnummern und Geburtsdaten. Demnach sollen mehr als 900 Babys sowie mehr als 11'000 Kinder im Alter zwischen ein und 13 Jahren unter den Todesopfern sein. Die Angaben der Behörde lassen sich derzeit nicht unabhängig überprüfen.
Knapp die Hälfte der rund 2,2 Millionen Einwohner im Gazastreifen sind UN-Angaben zufolge junge Menschen unter 18 Jahren.
Insgesamt kamen laut der Gesundheitsbehörde während des Kriegs mehr als 53'700 Menschen ums Leben. Sie unterscheidet dabei nicht zwischen Zivilisten und Kombattanten. Israel sprach in der Vergangenheit von rund 20'000 getöteten Terroristen. Die Angaben beider Seiten lassen sich derzeit nicht unabhängig verifizieren.
Israelische Armee fängt Rakete ab
Israels Armee hat nach eigenen Angaben erneut eine Rakete aus dem Jemen abgefangen. In mehreren Gegenden des Landes gab es den Angaben nach Raketenalarm, darunter auch in Jerusalem.
Berichte über Verletzte oder Schäden gab es zunächst nicht. Das israelische Militär hatte bereits in der Nacht mitgeteilt, eine aus dem Jemen abgefeuerte Rakete abgefangen zu haben.
Die Huthi reklamierten am Vormittag mehrere Angriffe für sich. Sie hätten eine Rakete in Richtung des Tel Aviver Flughafens Ben Gurion geschossen, hiess es in einer Erklärung auf Telegram. Ausserdem hätten sie Drohnen in Richtung «wichtiger Ziele» in der Gegend um Haifa und Tel Aviv abgefeuert.