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Bolton zu Schweizer Strafzoll:«Darüber wurde keine 10 Minuten diskutiert»

Im grossen Blick-Interview – Trumps Ex-Sicherheitsberater John R. Bolton packt aus
«Trump wäre eigentlich gern wie Putin»

Nur wenige kennen Donald Trump (79) so gut wie John R. Bolton (76). Der ehemalige nationale US-Sicherheitsberater hat sich vom Trump-Freund zum Trump-Feind gewandelt. Im Interview sagt er, wie er zum US-Präsidenten steht und er macht der Schweiz im Zollstreit Hoffnung.
Publiziert: 20.08.2025 um 19:09 Uhr
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Aktualisiert: 20.08.2025 um 22:11 Uhr
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John R. Bolton beriet Donald Trump während dessen erster Amtszeit in Sicherheitsfragen. Heute sieht er ihn sehr kritisch.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

  • John Bolton war Trumps Nationaler Sicherheitsberater
  • Er rät Europa, Trumps Friedenslösung nicht zu folgen
  • Er geht davon aus, dass die Strafzölle bald fallen werden
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Guido FelderAusland-Redaktor

Mürrischer Blick und markanter Schnauz: So kennt man John R. Bolton aus Donald Trumps erster Amtszeit. Der neokonservative Republikaner gilt als Architekt des Irakkriegs und als eine der einflussreichsten Stimmen in der US-Aussenpolitik des 21. Jahrhunderts.

Seit seinem Rausschmiss als nationaler Sicherheitsberater ging Bolton zum Gegenangriff auf Donald Trump über. Er kritisiert den US-Präsidenten in Büchern – und auch im Interview mit Blick. Gleichzeitig macht er der Schweiz Hoffnung: Der Zollhammer könnte schon bald Vergangenheit sein.

Blick: John Bolton, Präsident Trump hat Putin, Selenski und weitere europäische Staatschefs empfangen. Schafft es Trump, Frieden in der Ukraine zu schaffen? Verdient er den Nobelpreis?
John Bolton:
Wenn er einen gerechten und dauerhaften Frieden erreichen kann, hat er ihn verdient. Aber davon sind wir im Moment weit entfernt. Trotz all seiner Bemühungen gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Russen in gutem Glauben verhandeln würden. Ein altes amerikanisches Sprichwort sagt: Wenn ich Brot habe, könnte ich mir ein Schinkensandwich machen, falls ich dazu Schinken bekomme. Genau da stehen wir in den aktuellen Verhandlungen.

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Schon während seiner Tätigkeit für Trump schien John Bolton nicht immer mit seinem Chef einverstanden gewesen zu sein.
Foto: Getty Images

Warum lässt sich Trump von Putin dermassen einlullen?
Das müssen Sie einen Psychiater fragen. Ich denke, dass er autoritäre Führer mag, weil sie machen können, was sie wollen. Er beneidet sie darum, weil er genauso in den USA vorgehen möchte. Trump wäre eigentlich gern wie Putin.

Welche ist Putins Taktik im Krieg?
Sein Ziel ist die Wiederherstellung des russischen Reiches. Er will daher auf irgendeine Weise die Ukraine wieder Russland einverleiben.

Das heisst, dass Putin gar keinen Waffenstillstand will und Verhandlungen nichts bringen? Wie kann man ihn denn stoppen?
Er stoppt nur, wenn er glaubt, dass die Fortsetzung des Krieges mehr kosten wird, als er gewinnen kann. In den dreieinhalb Jahren Krieg haben der Westen und die Nato nicht effektiv auf die Invasion reagiert. Wir haben zwar genug Hilfe geleistet, dass die Ukraine den Krieg nicht verliert, aber nicht genug, um ihr den Sieg zu ermöglichen.

Was muss Europa jetzt tun?
Ich würde die Ukraine nicht dazu drängen, Trumps Vorschlag zu folgen, der Putin mit Landabtretungen entgegenkommen will. Trump geht es nur um den Friedensnobelpreis.

Hätten Sie je gedacht, dass Trump einst den Westen spaltet und die Welt derart in den Würgegriff nimmt?
Das hat wohl niemand erwartet.

Von Trumps Freund zum Feind

John R. Bolton (76) aus Baltimore war von 2018 bis 2019 Trumps Nationaler Sicherheitsberater. Zuvor war er schon unter George W. Bush (79) als Staatssekretär für Rüstungskontrolle und Internationale Sicherheit tätig. Trump entliess ihn, weil er sich mit Ministern in der Ausland-Politik zu wenig abgestimmt hatte. Von da an wandte sich Bolton von Trump ab und appellierte an seine Partei 2020, den Wahlsieg von Joe Biden (82) anzuerkennen. In seinem Buch «The Room where it happenend» (Der Raum, in dem alles geschah) charakterisiert er Trump als korrupt und inkompetent. Nach dem Sturm aufs Kapitol 2021 bezeichnete er ihn als den schlechtesten Präsidenten aller Zeiten. Heute ist Bolton als sicherheitspolitischer Experte tätig.

John R. Bolton (76) aus Baltimore war von 2018 bis 2019 Trumps Nationaler Sicherheitsberater. Zuvor war er schon unter George W. Bush (79) als Staatssekretär für Rüstungskontrolle und Internationale Sicherheit tätig. Trump entliess ihn, weil er sich mit Ministern in der Ausland-Politik zu wenig abgestimmt hatte. Von da an wandte sich Bolton von Trump ab und appellierte an seine Partei 2020, den Wahlsieg von Joe Biden (82) anzuerkennen. In seinem Buch «The Room where it happenend» (Der Raum, in dem alles geschah) charakterisiert er Trump als korrupt und inkompetent. Nach dem Sturm aufs Kapitol 2021 bezeichnete er ihn als den schlechtesten Präsidenten aller Zeiten. Heute ist Bolton als sicherheitspolitischer Experte tätig.

Worauf müssen wir uns noch gefasst machen?
Es wird im gleichen Stil weitergehen. Der Unterschied zur ersten Amtszeit besteht darin, dass er jetzt öffentlich mehr umsetzt, was er vorher angekündigt hatte. Er hat alle Hemmungen verloren.

Trump hat die Schweiz mit einem Zollhammer von 39 Prozent bestraft. Hasst er die Schweiz?
Das kann niemand erklären. Wissen Sie, er hat einmal gefragt, ob Finnland noch zu Russland gehöre. Vielleicht meint er, dass zumindest die deutschsprachige Schweiz zu Deutschland gehört, mit dem er Probleme hat. Die amerikanische Handelsbürokratie, die jährlich sonst ein, zwei Handelsabkommen verhandelt, ist völlig überfordert. Man hat nicht einmal zehn Minuten über den Schweizer Zollsatz diskutiert.

Wie sollte die Schweiz reagieren? Ruhig bleiben oder Gegenmassnahmen ergreifen?
Das Beste ist, die Zähne zusammenzubeissen und abzuwarten. Mit Gegenzöllen bestraft man nur die eigene Bevölkerung.

Wie lange muss man warten?
Mit Trumps Zöllen befasst sich zurzeit ein Gericht. Die nächste Instanz ist der Oberste Gerichtshof. Viele Leute glauben, dass noch vor Ende Jahr ein Urteil gefällt werden könnte, und zwar eines, das die Zölle für ungültig erklärt. Dann muss Trump wieder von vorne beginnen.

Wird Trump ein Gerichtsurteil überhaupt akzeptieren?
Das wird er auf jeden Fall tun.

Wann kam bei Ihnen als Sicherheitsberater der Punkt, bei dem Sie sagten: Mit diesem Mann stimmt etwas nicht?
Ich kam schon früh aus einer Kombination von Dingen zum Schluss, dass Trump als Präsident nicht geeignet war. Bei der Stürmung des Kapitols und als er das Wahlkollegium daran hindern wollte, das Wahlergebnis zu verkünden, hat er für mich eine Grenze überschritten. Ich bin sehr besorgt um das Land und die republikanische Partei, die ihn wieder nominiert hatte.

Wie kann man Trump stoppen?
Es ist nicht einfach. Aber es ist wichtig, ihn zu kritisieren, wenn er falsche Entscheidungen trifft, wenn er sich inakzeptabel verhält oder offenbart, dass er keine Philosophie hat.

Sein Vize J. D. Vance könnte 2028 Trumps Nachfolger werden. Er ist aus dem gleichen Holz geschnitzt. Was muss man von ihm erwarten?
Es werden viele kandidieren. Ich glaube nicht, dass Vance nominiert wird, da bisher nur zwei Vizepräsidenten zum Präsidenten aufgestiegen sind.

Mit wem sollten die Demokraten antreten, um die Republikaner entmachten zu können?
Sie müssen einen gemässigten Kandidaten finden. Für Trump sind die nach links driftenden Demokraten ein Glücksfall. Kamala Harris sollte es daher nicht sein, ihre Chancen wären so gut wie null.

Stimmen Sie immer noch für die Republikaner?
2024 habe ich Trumps ehemaligen Vize Mike Pence gewählt, einen Republikaner, der seine verfassungsmässige Pflicht erfüllt. Für Trump hätte ich sicher nicht gestimmt.

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