Darum gehts
2,718 Billionen Dollar: Was man damit nicht alles Sinnvolles kaufen oder bauen könnte. Zum Beispiel 200 Mal den Gotthard-Basistunnel, der umgerechnet 12 Milliarden Franken gekostet hat. Aber nein, die Regierungen dieser Welt wenden diesen Betrag auf, um aufzurüsten. Es ist die grösste Aufrüstung seit Ende des Kalten Kriegs.
Mit der weltweiten Aufrüstung steigt auch das Risiko eines Atomkriegs. Für den ETH-Militärexperten Marcel Berni sind es fünf Szenarien, die zu einem nuklearen Schlag führen könnten.
Die weltweiten jährlichen Militärausgaben wachsen seit Ende des Kalten Kriegs ständig an. Aber einen so grossen Sprung wie 2024 haben sie seither noch nie gemacht: In nur einem Jahr sind sie um 9,4 Prozent auf 2,718 Billionen Dollar gestiegen. Das hat das Stockholm International Peace Research Institute (Sipri) berechnet. Diese Summe entspricht 28 Mal den Gesamtausgaben des jährlichen Schweizer Staatshaushalts.
Allein das Militärbudget der USA erreicht fast die Ein-Billionen-Grenze. Die mit Abstand grösste Militärmacht hat ihr Budget um 5,7 Prozent erhöht. Russland stockte um 38 Prozent auf, Deutschland um 28 Prozent.
Angst vor Putin und Trump
Die Gründe für den Trend sind klar: Es ist einerseits die Aggression des russischen Präsidenten Wladimir Putin (72) und andererseits die Angst vor einem Rückzug der USA aus der Nato. US-Präsident Donald Trump (78) fordert von den Nato-Staaten Militärausgaben in der Höhe von mindestens 2 Prozent ihres Bruttoinlandprodukts (BIP).
18 Nato-Mitglieder erreichen inzwischen diese 2 Prozent, ein Jahr zuvor waren es nur elf Staaten. Die Schweiz – kein Nato-Mitglied, aber Nato-Partner – investiert 0,72 Prozent des BIP in die Verteidigung.
In den vergangenen zehn Jahren haben die Nato-Staaten den Anteil ihrer Ausgaben für die Rüstung auf 31 Prozent verdoppelt: Sipri-Forscher Xiao Liang sagt gegenüber Blick: «Der Schwerpunkt lag auf Waffen, die seit Beginn des Kriegs in der Ukraine stark nachgefragt sind.»
Supermächte investieren in Atomprogramme
Bei den Atommächten USA, Russland und China fliessen grosse Teile der Investitionen in Atomprogramme, womit auch die Gefahr von nuklearen Schlägen steigt. Marcel Berni, Leiter Strategische Studien der ETH-Militärakademie, sagt gegenüber Blick: «Das Ziel besteht darin, die nukleare Triade – also U-Boote, Bomber und Interkontinentalraketen – auszubauen, etwa durch die Erweiterung mit modernen Sprengköpfen oder mobilen Trägersystemen.»
Noch werden Atomwaffen nur zu Drohzwecken verwendet. Berni sieht aber fünf Möglichkeiten, wie ein Nuklearkrieg ausbrechen könnte. Nämlich wenn …
-
Nuklearwaffen in terroristische Hände fallen. «Das wäre wohl am gefährlichsten», sagt Berni.
-
die ukrainischen Truppen grosse Gebiete zurückgewinnen.
-
die Lage zwischen China und Taiwan eskaliert.
-
der koreanische Konflikt eskaliert – wobei Nordkorea die Nuklearwaffen laut Berni primär für die eigene Regimestabilität instrumentalisiert.
-
der Konflikt zwischen Indien und Pakistan im Konflikt um Kaschmir eskaliert.
Wo die Militärmächte investieren
USA: Grosse Teile der Investitionen verschlingt die Forschung laut Sipri in hypermoderne Technologien. So werden unter anderem Raketenabwehrsysteme und moderne Kampfjets wie das F-35-Programm weiterentwickelt. Für die Modernisierung der Atomwaffen gaben die USA knapp 38 Milliarden Dollar aus.
China: Präsident Xi Jinping (71) will bis 2049 eine «Armee auf Weltklasseniveau» schaffen. Seinen Fokus richtet das Land zurzeit auf Stealth-Jets, Luft- und Wasser-Drohnen, Cyberwar, Weltraum-Krieg und den Ausbau des Atomwaffenarsenals.
Russland: Der Kreml hat die Militärausgaben 2024 auf 7,1 Prozent des BIP erhöht. Die rund 149 Milliarden Dollar fliessen vor allem in die Produktion von Raketen, Marschflugkörpern und Drohnen sowie in die Löhne. Denn seit Russland auf Kriegswirtschaft umgestellt hat, müssen Hunderttausende zusätzliche Arbeitskräfte bezahlt werden. Auch die Soldaten an der Front müssen mit besseren Löhnen motiviert werden.
Indien: Das mit 1,45 Milliarden Einwohnern inzwischen bevölkerungsreichste Land der Welt emanzipiert sich militärisch. War es bisher auf Waffenimporte angewiesen, kann es inzwischen eigene gepanzerte Fahrzeuge, Helikopter und U-Boote herstellen. Bei hochmodernen Systemen wie Kampfjets muss Indien aber immer noch im Ausland einkaufen.
Weltweit haben über 100 Länder ihre Militärausgaben im Jahr 2024 erhöht. Xiao Liang warnt vor sozialen Folgen: «Da Regierungen zunehmend und oft auf Kosten anderer Haushaltsbereiche die militärische Sicherheit priorisieren, könnten die wirtschaftlichen und sozialen Kompromisse in den kommenden Jahren erhebliche Auswirkungen auf die Gesellschaften haben.»