Darum gehts
- Geleaktes Telefonat zwischen US-Sondergesandten und Putins Berater offenbart bemerkenswerten Stilbruch
- Witkoff zeigt ungewöhnliche Nähe und Offenheit, während Uschakow kontrolliert bleibt
- Gespräch enthält 3 direkte Anreden als «mein Freund» von Uschakow
Es kommt selten vor, dass die Öffentlichkeit einen unverstellten Blick auf die Mechanik hochrangiger internationaler Gespräche erhält. Noch seltener ist es, dass ein Telefonat zwischen einem US-Sondergesandten und Wladimir Putins wichtigstem aussenpolitischen Berater vollständig geleakt wird. Genau das aber ist nun geschehen.
Verhandlungsexperte Matthias Schranner (61) bezeichnet allein diesen Umstand als den «eigentlichen Skandal». Gespräche auf diesem Niveau dürften weder mitgeschnitten noch weitergegeben werden. Gleichzeitig zeigt das Transkript für Schranner etwas Grundsätzliches: Der Amerikaner Steve Witkoff verfügt erkennbar nicht über ein volles Verhandlungsmandat – und genau deshalb versucht er, sich als vertrauenswürdiger Mittler zu inszenieren.
Ungewöhnliche Nähe gleich zu Beginn
Gleich zu Beginn wirkt das Gespräch überraschend vertraut. «Herzlichen Glückwunsch, mein Freund», sagt Yuri Uschakow mehrfach – warm, geradezu überschwänglich. Steve Witkoff bedankt sich in derselben Tonlage. Für Schranner ist dieses «mein Freund»-Sprechen typisch für amerikanische Business-Kultur, die stark auf persönliche Nähe setzt, aber «im diplomatischen Kontext unüblich direkt». Tatsächlich spricht Witkoff im weiteren Verlauf weniger wie ein Diplomat, vielmehr wie ein Unternehmer, der ein Gespräch möglichst schnell in Richtung Einigung lenken möchte.
Das zeigt sich, als Uschakow vorschlägt, die beiden Staatschefs könnten miteinander telefonieren. Witkoff antwortet prompt: «Sobald du es vorschlägst, ist mein Mann bereit.» Auf den ersten Blick wirkt das fast devot – für Schranner jedoch ist es ein Beispiel für US-Verhandlungskultur, in der Verfügbarkeit als Stärke gilt. Ein erfahrener Diplomat aber hätte dieselbe Aussage «viel vorsichtiger und mit mehr Distanz» formuliert, ist der Experte und Autor sicher.
Zustimmung als Strategie
Witkoff setzt danach konsequent auf positive Verstärkung. Er empfiehlt Uschakow, Putin solle Trump «noch einmal gratulieren». An einer späteren Stelle sagt er sogar: «Ich habe den tiefsten Respekt vor Präsident Putin.» Für viele Beobachter wirkt das wie politische Anbiederung – Schranner sieht darin weniger Parteinahme als eine Strategie, die in den USA weit verbreitet sei: Zustimmung erzeugt Kooperation.
Brisant wird das Gespräch jedoch, als Witkoff ohne Vorwarnung konkrete territoriale Linien skizziert: «Ich weiss, was nötig ist, um ein Friedensabkommen zu erzielen: Donezk und vielleicht ein Gebietstausch.» Ein Satz, der tief in die ukrainische Souveränität eingreift. Schranner interpretiert solche Vorstösse aber nicht als fixe Positionen, sondern als ein Testen von Möglichkeiten. Die entscheidende Einordnung des Experten: «In Vorgesprächen ist es üblich, das Wasser zu testen, um abzuschätzen, wie weit die Gegenseite bereit ist mitzudenken.»
Ein deutliches Machtgefälle
Auffällig bleibt dennoch die Asymmetrie. Während Witkoff Nähe sucht, Tempo macht und Optimismus betont («Wir werden zu einem Deal kommen»), bleibt Uschakow kontrolliert und verweist stets darauf, dass er alles «mit meinem Chef» bespreche. Die Offenheit, die Witkoff anbietet, wird höflich aufgenommen, aber nicht erwidert. Die Macht liegt sichtbar auf russischer Seite – und Witkoff wirkt eher wie jemand, der um Gesprächsbereitschaft wirbt, als wie der Vertreter einer Grossmacht.
Schranner fasst diesen Eindruck nüchtern zusammen: «Das Gespräch war komisch, aber nicht ungewöhnlich für amerikanische Verhandler aus der Wirtschaft.» Problematisch sei weniger der Inhalt als die Form – und die Tatsache, dass ein Unterhändler dieser Ebene offenbar auf unsicheren Leitungen telefoniert. Für einen Konflikt, in dem jede Kommunikation hochsensibel ist, werfe das erhebliche Fragen zur Sicherheit, Professionalität und internen Struktur der beteiligten Akteure auf.