Darum gehts
Die Warnung in der Morgensendung des oppositionellen iranischen «Radio Farda» war überdeutlich: «Schweigt und schickt nichts raus: keine Infos, keine Fotos, keine Videos.» Das Regime überwache alles. Sie fänden jeden – und sie kennten keine Gnade.
Allein in diesem Jahr haben die Mullahs mehr als 500 Menschen erhängen lassen – oft, weil sie an Protesten teilgenommen oder sich kritisch geäussert hatten. Und oft nach unter Folter erzwungenen «Geständnissen». Die Angst in der Bevölkerung vor dem Terror ihrer Regierung ist riesig. Diako Shafiei (35) nimmt dennoch kein Blatt vor den Mund. Der Iraner im Schweizer Exil kennt die iranischen Folterkeller von innen. Was er über Israels Angriffe auf sein Heimatland zu sagen hat, erstaunt.
«Dieses Regime ist nicht unbesiegbar. Solange sich die Schläge tatsächlich auf die Unterdrückungsmaschinerie konzentrieren, wecken die israelischen Angriffe bei einem Grossteil der iranischen Bevölkerung Hoffnung», erzählt der iranisch-kurdische Journalist, der 2021 aus seiner Heimat in die Schweiz geflohen ist und aktuell in einer Flüchtlingsunterkunft im Kanton Zürich lebt. «Irans Regime ist so schwach wie seit Jahren nicht mehr. Viele glauben, dass es unter den israelischen Angriffen tatsächlich zusammenbrechen könnte.»
Aus dem Folterkeller in die Schweiz
Mehrmals wurde Diako Shafiei wegen seiner Teilnahme an politischen Protesten im Iran inhaftiert und gefoltert. 2021 tauchte sein Name auf einer Todesliste des Regimes auf. Mehrfach entkam er bei Angriffen der iranischen Revolutionsgarden nur knapp dem Tod. Dem Onlinemagazin daslamm.ch berichtete er ausführlich von seinen brutalen Erfahrungen.
«Militärische Angriffe sind für die Zivilbevölkerung immer eine Katastrophe, anders als für die Eliten, die sich in ihren Bunkern verstecken können», sagt Shafiei. «Viele aber sehen jetzt einen Riss in der Festung der verhassten Führungsriege.»
Vor allem die junge Generation – rund zwei Drittel der Iranerinnen und Iraner sind noch keine 30 Jahre alt – glaube den offiziellen Propagandabildern längst nicht mehr. «Die Jugend sieht das Regime nicht als ihren Vertreter, sondern als ihren Feind. Die Militärschläge sind ein Weckruf. Viele wagen es, sich eine andere Zukunft ohne Unterdrückung auszumalen», sagt der Exil-Iraner.
Ein Krieg mit Israel könnte zu einem Sturz des Regimes führen. Jahrelanges Chaos könnte die Folge sein – davor haben viele im Iran Angst. Heute schon ist die Wirtschaft des 90-Millionen-Landes am Boden, auch wegen der westlichen Sanktionen. Viele Menschen können sich schon lange nichts mehr leisten ausser Brot. Der iranische Rial hat in den vergangenen zehn Jahren massiv an Wert verloren. Im Korruptionsindex von Transparency International landet der Iran auf Rang 151 von 180. Der neue Atomdeal mit den USA, der dem Iran Sanktionslockerungen in Aussicht gestellt hätte, ist fürs Erste geplatzt.
Was die Schweiz jetzt tun sollte
Eine Rückkehr zur blühenden Ära, die der Iran vor dem Sturz des pro-westlichen Schahs und der Ausrufung der islamischen Revolution 1979 erlebt hatte, ist mit dem Regime von Revolutionsführer Ajatollah Ali Chamenei (86) unvorstellbar. «Sollte der Tag kommen, an dem dieses Regime fällt, wäre das für mich und Millionen anderer Iraner, die seit Jahren im Exil oder unter diesem Terror leben, ein Tag der Freiheit und der Würde», sagt Diako Shafiei.
Aber nur, wenn das iranische Volk selbst aufstehe und das Regime nicht einzig durch einen Angriff von aussen gestürzt worden wäre. «Wir wollen echte Freiheit, nicht den Austausch eines Unterdrückers durch einen anderen», sagt der Exil-Iraner.
Von der Schweiz erwartet er, dass die für Freiheit und Demokratie kämpfende Bevölkerung mindestens moralisch unterstützt, sagt Shafiei. «Schweigen angesichts von Unterdrückung bedeutet Mitverantwortung – und die Schweiz sollte, wie schon in der Vergangenheit, auf der Seite jener stehen, die für Gerechtigkeit und Freiheit kämpfen.»