«Hohes Risiko eines grossflächigen konventionellen Krieges»
Kommt es zu einem Flächenbrand?

Die Lage im Nahen Osten eskaliert: Um Irans Atomprogramm zu stoppen, hat Israel in der Nacht über 100 Ziele angegriffen. Die Iraner dürften zum Gegenschlag ausholen. Kommts zum grossen Krieg? Wie liefern Antworten.
Publiziert: 13.06.2025 um 11:37 Uhr
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Aktualisiert: 13.06.2025 um 13:29 Uhr
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Der Angriff Israels hat in Teheran grossen Schaden angerichtet.
Foto: Anadolu via Getty Images

Darum gehts

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Guido FelderAusland-Redaktor

Die israelische Armee hat in der Nacht auf Freitag mit rund 200 Kampfjets über 100 Ziele im Iran angegriffen. Es wurden Atomanlagen zerstört und hochrangige Militärführer getötet. Darunter befinden sich der Kommandant der mächtigen Revolutionsgarden, Hussein Salami (†65), und Generalstabschef Mohammad Bagheri (†65). Es ist ein harter Schlag ins Gesicht der Mullahs.

Der Iran hat Rache angekündigt und schon den ersten Drohnenteppich abgefeuert. Experten befürchten einen grossflächigen Krieg in der Region. Blick beantwortet die wichtigsten Fragen.

Warum greift Israel den Iran an?

Die israelische Regierung – selber eine Atommacht – will verhindern, dass der Iran in den Besitz der Atombombe gelangt. Damit sind die laufenden Atom-Verhandlungen mit dem Iran definitiv gescheitert. Israel befürchtet, dass Iran innert weniger Tage oder Wochen in der Lage gewesen wäre, nukleare Waffen herzustellen. Und mit diesen Israel anzugreifen. In israelischer Logik handelt es sich beim Angriff darum um einen Präventivschlag.

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Mit dem Schlag will Israel das iranische Atomprogramm stoppen.
Foto: IMAGO/Anadolu Agency

Wie heftig schlägt der Iran zurück?

Die erste Reaktion erfolgte postwendend: Iran feuerte am Morgen als erste Gegensalve 100 Drohnen Richtung Israel ab, die aber auf dem stundenlangen, rund 1000 Kilometer langen Weg alle abgefangen werden konnten.

Der Iran hat eine «harte Bestrafung» angekündigt, die laut Experten tatsächlich erfolgen dürfte. Teheran hat sich schon nach Israels Angriff vom Oktober 2024 für einen – bisher nicht erfolgten – Gegenschlag in Stellung gebracht. Zu erwarten sind vor allem ein Raketenhagel sowie asymmetrische Angriffe auf israelische Institutionen – auch in andern Ländern. Die USA gehen davon aus, dass der Iran nach den Angriffen im vergangenen Jahr immer noch über mehr als 2000 Raketen verfügt, von denen mehrere Hundert eine Reichweite bis Israel haben.

Kommt es zu einem Flächenbrand?

So gut wie sicher ist, dass sich Irans Verbündete wie die Hisbollah im Libanon, die Huthi im Jemen, die Hamas – so weit noch möglich – im Gazastreifen sowie weitere Milizen im Irak und in Syrien in den Konflikt einschalten. Dan Smith, Direktor des Stockholm International Peace Research Institute, das sich auch mit der nuklearen Aufrüstung befasst, sagt gegenüber Blick: «Es besteht ein hohes Risiko eines grossflächigen konventionellen Krieges in der Region.» Der würde auch die Spannungen zwischen den Grossmächten verschärfen: Israel wird von den USA unterstützt, der Iran steht nahe zu Russland und China.

An einen Atomkrieg glaubt Smith nicht: «Israel würde wohl erst Atomwaffen einsetzen, wenn es vor einer totalen Niederlage stünde.» Die USA sowie auch die Nachbarstaaten dürften alles unternehmen, um die Streithähne auf diplomatischer Ebene zu stoppen.

Wie nahe steht der Iran vor der Atombombe?

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu (75) behauptet, dass der Iran hochangereichertes Uran produziert habe, mit dem man neun Atombomben herstellen könnte. Nach Schätzungen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) und Militärexperten könnte der Iran das Uran innerhalb von zwei Wochen auf waffenfähige 90 Prozent anreichern. Dan Smith: «Die Anreicherung von Uran auf ein recht hohes Niveau, das weit über das für die Stromerzeugung in einem Kernkraftwerk erforderliche Mass hinausgeht, gibt Anlass zu berechtigter Sorge.»

Smith erklärt: «Sobald waffenfähiges Material verfügbar ist, muss es zu Waffen verarbeitet werden. Das heisst, der Sprengkörper muss in Form eines Sprengkopfes für eine ballistische Rakete hergestellt und produziert werden. Dies ist ein komplexer Vorgang.» Bis zur eigentlichen Bombe dürfte es daher noch mehrere Monate bis ein Jahr dauern. 

Hat Israel die Kraft für eine weitere Front?

Offenbar genug, um viele Ziele im Iran anzugreifen und sich auf einen weiteren Krieg einzustellen. Aber es ist ein Spiel mit dem Feuer. Israels Armee ist zwar eine der modernsten der Welt und hatte bis vor kurzem Gegner mit nur rudimentärer Ausrüstung um sich. Der Iran hat in den vergangenen Jahren allerdings massiv aufgeholt und sich vor allem ein grosses Raketen- und Drohnenarsenal zugelegt, mit dem es Israel unter langen Beschuss nehmen könnte. Israel ist stark auf die Hilfe der USA angewiesen. 

Wird Trump in den Krieg eingreifen?

US-Präsident Donald Trump (78) ist zwar ein Freund der Israelis und wird das Land laut aktuellen Aussagen auch bei der Abwehr von iranischen Geschossen unterstützen. Ein aktives Eingreifen in einen Angriffskrieg ist allerdings laut Smith «höchst unwahrscheinlich». Denn Trump hat kein Interesse daran, Geld und Soldaten für Kriege zu opfern. 

Trump hofft auf Verhandlungen. Nach dem Angriff sagte er: «Der Iran darf keine Atombombe haben, und wir hoffen, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Wir werden sehen», sagte Trump dem Sender Fox News.

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