Er kündigt «totale und vollständige Blockade» an
Trump lässt Venezuela mit alter Piraten-Strategie ausbluten

Donald Trump spielt Pirat in der Karibik. Mit der Ankündigung einer «totalen und vollständigen Blockade» venezolanischer Öltanker setzt der US-Präsident auf Enterhaken statt Diplomatie – und bringt die Region gefährlich nah an eine offene Eskalation.
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Donald Trump setzt in der Karibik auf Konfrontation statt Diplomatie.
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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

Donald Trump spielt Pirat. Und diesmal nicht nur rhetorisch. Mit der Ankündigung einer «totalen und vollständigen Blockade» venezolanischer Öltanker erklärt der US-Präsident die Karibik faktisch zum Beutegebiet. Was offiziell als Anti-Drogen-Einsatz verkauft wird, entpuppt sich immer deutlicher als Griff nach Öl, Einfluss und alter Vorherrschaft.

Der erste Beutezug

Der Auftakt war wohl bewusst provokativ. Vor einer Woche beschlagnahmten US-Streitkräfte erstmals einen venezolanischen Tanker auf offener See. An Bord: rund zwei Millionen Barrel Schweröl. Trumps Kommentar dazu war entlarvend ehrlich: Man werde das Öl einfach behalten. Keine juristischen Winkelzüge, kein diplomatisches Vokabular. Einfach nehmen. Beute sichern.

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Ein venezolanischer Öltanker auf offener See – für Washington inzwischen ein legitimes Ziel.
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Nun folgt der nächste Schritt. Kein sanktionierter Tanker soll Venezuela mehr erreichen oder verlassen. Wer es doch versucht, riskiert Enterkommando statt Hafen. Juristisch ist das eine Grauzone, politisch eine Eskalation. Denn eine Blockade gilt im Völkerrecht als Kriegshandlung, egal, wie oft sie als «Sicherheitsmassnahme» verpackt wird.

Warum Öl alles ist

Trump begründet den Kurs mit Terrorismus und Drogenhandel. Doch die Zahlen erzählen eine andere Geschichte. Für Venezuela ist Öl keine Einnahmequelle unter vielen, sondern die Lebensader. Über 90 Prozent der Exporterlöse stammen aus dem Ölgeschäft. Seit der Beschlagnahmung des Tankers sind Exporte massiv eingebrochen, mehrere Supertanker drehten aus Angst vor weiteren Zugriffen ab. Im Schnitt verliessen zuletzt weniger als 600’000 Barrel pro Tag das Land – bei einem Weltverbrauch von über 100 Millionen Barrel täglich.

Dabei sitzt Venezuela auf einem Schatz: rund 303 Milliarden Barrel nachgewiesene Erdölreserven, mehr als jedes andere Land der Welt. Gefördert werden derzeit aber nur noch etwa 860’000 Barrel pro Tag – kaum ein Drittel der Produktion von vor zehn Jahren. Misswirtschaft, Sanktionen und fehlende Investitionen haben die Infrastruktur zerfallen lassen. Genau diese Schwäche nutzt Trump aus.

Die alte Rechnung Washingtons

Seine Wortwahl ist dabei kein Zufall. Er spricht von «gestohlenen» Ölfeldern und fordert, Venezuela müsse Öl und Vermögenswerte an die USA «zurückführen». Das verweist auf die Zeit vor der Verstaatlichung in den 1970er- und 2000er-Jahren, als amerikanische Konzerne das venezolanische Öl förderten und US-Raffinerien an der Golfküste auf das schwere Rohöl spezialisiert waren.

Passend dazu hat Washington militärisch aufgerüstet. Nahezu ein Dutzend Kriegsschiffe, Tausende Soldaten, dazu mit der USS Gerald R. Ford der grösste Flugzeugträger der Welt. Trump spricht stolz von der «grössten Armada, die Südamerika je gesehen hat». Das ist Abschreckung – und Machtdemonstration.

Piraterie mit Tradition

Maduro nennt das Piraterie. Seeblockaden, das Abfangen von Handelsrouten, das Abschneiden von Ressourcen – all das gehört seit Jahrhunderten zum Repertoire grosser Mächte. Neu ist nur, wie offen Trump darüber spricht.

Die Strategie ist klar kalkuliert: wirtschaftliches Ausbluten statt militärischer Einmarsch. Kein Risiko für US-Bodentruppen, aber maximaler Druck auf ein Regime, dessen Dollarzufluss fast vollständig am Öl hängt. Schon jetzt rechnen Ölmärkte mit steigenden Preisen, sollte Venezuela langfristig fast eine Million Barrel pro Tag vom Markt verlieren.

Das Risiko der Eskalation

Doch Piratenpolitik hat ihre Tücken. Eine echte Blockade provoziert Gegenreaktionen, schafft gefährliche Präzedenzfälle und bringt internationale Akteure wie China auf den Plan, das einen grossen Teil des venezolanischen Öls abnimmt. Auch im US-Kongress mehren sich Stimmen, die Trumps Kurs offen als Krieg ohne Mandat bezeichnen.

Trump aber setzt auf die alte Logik der Seeherrschaft: Wer die Routen kontrolliert, kontrolliert die Beute.

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