Darum gehts
- Proteste der Bewegung «Gen Z 212» in Marokko führen zu Festnahmen
- Zwei Schweizer Radfahrer erleben die Proteste in Guelmim hautnah mit
- Hunderte Festnahmen und Dutzende beschädigte Fahrzeuge bei den Unruhen
Sie sind jung und verdammt wütend: In Marokko kommt es seit mehreren Tagen zu Protesten der jungen Generation von einer Bewegung, die sich «Gen Z 212» nennt. In mehreren Städten kam es zu gewaltsamen Szenen und nach offiziellen Angaben zu Hunderten Festnahmen.
Dutzende Fahrzeuge der Sicherheitskräfte und andere Autos wurden in Brand gesetzt oder beschädigt. Auf Videos waren eine zerstörte und verwüstete Polizeiwache sowie ein ausgebranntes Fahrzeug zu sehen.
Die Protestwelle erleben Mo Hayoz (19) und Linus Reinhart (18), beide aus dem Kanton Solothurn, am Mittwochabend gerade hautnah mit. Die beiden Männer waren auf den letzten Metern ihrer grossen Velo-Tour: von der Schweiz in die Sahara. Die Wüste grenzt direkt an Marokko. Darum lag es auf ihrer Route.
«Mehrmals versuchte die Polizei, die Strasse zu räumen»
Sie waren gerade in der Grossstadt Guelmim beim Abendessen, als sich plötzlich mehrere junge Menschen versammelten. «Wir merkten sofort, dass etwas nicht stimmt», sagt Mo Hayoz zu Blick. Sie machten sich schnell auf den Weg ins Hotel. Und liefen direkt in eine Polizeiblockade. «Über Seitengassen schafften wir es schliesslich zurück in unsere Unterkunft.»
Und dann wurden die beiden Solothurner Zeuge, wie die junge Generation rebelliert. «Auf der Strasse entzündeten die Demonstranten Feuer und bereiteten sich mit Steinen auf die Polizei vor. Mehrmals versuchte die Polizei, die Strasse zu räumen, wurde jedoch nach Angriffen der Protestierenden immer wieder zum Rückzug gezwungen.» Bei den Protestlern handelte es sich fast nur um junge Männer. «Frauen und ältere Männer verschwanden, während sich die Jugendlichen – oft vermummt – auf die Proteste vorbereiteten.»
Hohe Arbeitslosigkeit und verbreitete Korruption
Trotz der angespannten Situation im Land. «Angst hatten wir eigentlich nur auf dem Weg zum Hotel, als wir die Situation noch nicht einschätzen konnten.»
Woher kommt die Wut der jungen Männer? Die Proteste richten sich gegen die weit verbreitete Korruption im Land und die hohen Ausgaben im Vorfeld der Fussball-Weltmeisterschaft 2030, die Marokko gemeinsam mit Spanien und Portugal austragen soll.
Viele junge Menschen, unter denen die Arbeitslosigkeit besonders hoch ist, fühlen sich chancenlos und vom Staat vernachlässigt. Sie fordern auch Reformen in der Bildung und in der Gesundheitsversorgung.
«Vielleicht der einzige Weg, um überhaupt gehört zu werden»
Den Unmut der jungen Generation können die beiden Schweizer verstehen. «Einerseits verstehen wir die Bevölkerung, die wütend ist, weil Milliarden in Stadien investiert werden, während es gleichzeitig an Investitionen in Infrastruktur wie Spitäler und Schulen mangelt.»
Andererseits haben Mo Hayoz und Linus Reinhart den Eindruck, dass viele der jungen Männer, die gewaltsamen Proteste auch begrüssten. «Viele wirkten fast ausgelassen, sie lachten und feierten.» Das Land brauche Veränderungen. Gewalt sei aber «keine nachhaltige Lösung». Zudem schade es auch dem Tourismus. «Vielleicht ist diese Gewalt für die Jugendlichen jedoch der einzige Weg, um überhaupt gehört zu werden.»
«Aktuelle Lage bringt uns dazu, unsere Pläne zu überdenken»
Die beiden Schweizer waren Ende Juli von Solothurn aus gestartet. Über 4000 Kilometer, mehr als 25'000 Höhenmeter bis zu ihrem Ziel nach Guelmin – dem Tor zur Sahara. «Eigentlich wollten wir nach dem symbolischen Ende unserer Route in Marokko noch weitere Orte besuchen und unsere Reise fortsetzen. Doch die aktuelle Lage bringt uns dazu, unsere Pläne zu überdenken.»
Die Freunde überlegen, ob sie einen Flug nach Hause buchen. Ebenfalls eine Idee: Mit der Fähre von Tanger nach Genua reisen und mit dem Velo nach Hause fahren. Sie schlafen noch eine Nacht in Guelmin, um die Situation vor Ort besser einschätzen zu können. Dann wollen sie sich entscheiden, wie es weitergeht.