Diese Szenen sorgten in und um Deutschland für Aufsehen: Im Juli 2021 tauchte ein Video auf, in dem in Blumberg im Schwarzwald (D) ein Bagger einen brandneuen Wohnkomplex zerstörte.
Im Bagger sass der wütende Bauunternehmer Matija Petrovic (48). Seelenruhig malträtierte er das Gebäude, bis der Wohnkomplex einem Schlachtfeld glich: herausgerissene Balkone, eine komplett zerfetzte Fassade und ein Bauwerk mit 31 Wohnungen, von dem nicht mehr viel übrig war. Der Wut-Baggerer leistete ganze Arbeit.
In einer Woche muss sich der mutmassliche Täter Petrovic vor dem Gericht in Donaueschingen im Südwesten Baden-Württembergs – unweit der Schweizer Grenze – verantworten. Wie der «Südkurier» berichtet, erhebt der Bauherr, Ingo Fangerow, jetzt neue Vorwürfe gegen den Bauunternehmer und fordert eine Haftstrafe.
Schaden von zwei Millionen Euro
Fangerow zufolge sei durch den Bagger-Ausraster ein Schaden von rund zwei Millionen Euro entstanden (umgerechnet 1'935'500 Franken). «Das hätte ich nie gedacht, aber die Reparaturarbeiten der abgerissenen Balkone waren so komplex», so der Bauherr zur Zeitung. Die Schätzung des Schadens der Staatsanwaltschaft Konstanz belief sich zuletzt auf etwa 750'000 Euro.
Die zerstörten Balkone seien nach dem Ausraster nicht transportierbar gewesen, dass man sie von Hand habe zerlegen müssen. Für die Wiederherstellung der Balkone seien zudem 650 Einzelbohrungen notwendig gewesen. Auch die Reparatur der Glasfassade, die schwer in Mitleidenschaft gezogen worden sei, hatte es in sich. Kostenpunkt: 1,5 Millionen Euro. Nicht zu vergessen die Mietausfälle in Höhe von rund 350'000 Euro.
Kurz: Die Verwüstungen bedeuteten für Fangerow einen Haufen Arbeit: «Wir mussten uns ein Jahr mit dieser Baustelle beschäftigen», so der hauptberufliche Rechtsanwalt Fangerow.
Bagger-Amok von Blumberg: Büezer sammeln Geld für Bauunternehmer
Wollte der Wut-Baggerer Beweise aus dem Weg räumen?
Zivilrechtlich habe er Petrovic noch nicht belangt. Das werde er aber noch nachholen: «Das wollte ich noch prüfen, aber natürlich verklagen wir ihn, das machen wir am Anschluss.»
Dennoch seien seine Hoffnungen auf Wiedergutmachung des Schadens begrenzt. Der Wut-Baggerfahrer sei nicht einmal in der Lage gewesen, die Kosten von 5000 Euro für die einstweilige Verfügung zu bezahlen, die der Berliner Fangerow gefordert hatte. Die Verfügung untersagte es Petrovic – bei einer Strafandrohung von bis zu 250'000 Euro – zu behaupten, dass er nicht den gesamten Lohn für das Bauprojekt erhalten habe.
Auch in Bezug des Strafmasses erwartet der Jurist nicht viel. Für das, was er Mietern, Eigentümern, und ihm angetan hätte, werde er nicht einmal ansatzweise eine angemessene Bestrafung erhalten. «Richtigerweise müsste er mehrere Jahre ins Gefängnis, aber das wird nicht eintreten», so Fangerow.
Inzwischen sei sich der Jurist sicher, was das Motiv für den Bagger-Ausraster anbelange: Schwere Baumängel und Betrugshandlungen sollten durch die Attacke vertuscht werden. Petrovic hätte «das Billigste vom Billigen» genommen, so der Bauherr. «Ein ganz klarer Fall von Betrug. Da wird er schon in Geldnot gewesen sein.»
So soll ihm Petrovic die 31 Wohnungstüren zu einem stolzen Preis verkauft haben. Diese seien jedoch qualitativ minderwertig gewesen. «Wir mussten alle 31 Wohnungstüren tauschen, wodurch der Flur und Fliesen beschädigt wurden – ein Riesenschaden.» Auch das Brandschutzkonzept hätte der Petrovic nicht einhalten wollen. Dies, um Einsparungen zu machen.
Der Grund seien unbezahlte Rechnungen
Die Zeitung hat Petrovic versucht zu erreichen, um ihn mit den neuen Vorwürfen des Bauherrn zu konfrontieren. Eine Reaktion blieb jedoch aus.
Wie jedoch ein Blick-Interview mit Petrovic vor einem Jahr zeigt, gehen die Aussagen des Wut-Baggerers und des Bauherrn massiv auseinander: Bei seinem Ausraster habe es sich Petrovic zufolge «um eine Art Hilfeschrei» gehandelt. Eigenen Angaben zufolge sei ihm ein Haufen offene Rechnungen nicht bezahlt worden. «Insgesamt geht es um 2,5 Millionen Euro», so der zweifache Vater damals zu Blick. So fehle ihm beispielsweise für ein Pflegeheim, das ebenfalls in Blumberg stehe, mehr als eine Million Euro.
Immer wieder habe er um die Bezahlung der offenen Rechnungen gebeten – vergeblich. Dann kam es zur Verzweiflungstat. Nach der Verwüstung habe er sich sofort bei der Polizei gestellt: «Es war natürlich falsch, was ich gemacht habe.»
Bauunternehmer spricht von abgekartetem Spiel
Im Südkurier-Interview vor einem Jahr gab er gar an, jahrelang ausgenützt und erpresst worden zu sein. Hunderttausende von Euro seien ihm nicht bezahlt worden. Monatelang hätten ihn «die Berliner» vertröstet – bis er in den Bagger stieg und dem Ganzen ein Ende bereitete. Petrovic zufolge handle es sich um ein abgekartetes Spiel. Man vertröstete ihn, um den Wohnkomplex ohne seine Unterschrift als Bauleiter abzunehmen. Dabei handle es sich um eine gängige Masche von Bauträgern. «Dann hätte ich lebenslang auf eigene Kosten Mängel beseitigen müssen», so der Bauunternehmer. Fangerow zufolge sei nichts an den Vorwürfen dran.
Wer am Ende Recht bekommt, wird sich kommenden Donnerstag vor Gericht zeigen. Für Fangerow steht aber eins fest: «Ich ziehe mich komplett aus dem Baumarkt zurück. Ein begonnenes Projekt wird noch fertiggemacht, dann ist es aus. Das Risiko ist viel zu gross», so der Berliner Anwalt. Er wird beim Prozess als einziger Zeuge aussagen. Für Petrovic und Fangerow gilt die Unschuldsvermutung. (dzc)