Darum gehts
- Frankreichs politische Krise gefährdet Wirtschaft und Sicherheit in Europa
- Macron kämpft mit innenpolitischen Problemen und sinkender Unterstützung
- 406'000 Franzosen pendeln täglich zur Arbeit in die Schweiz
Rebellieren, das können die Franzosen. Ihrem Revoluzzer-Herzen verdanken wir die Aufklärung. Die neueste Rebellion unserer Nachbarn im Westen aber könnte die Schweiz richtig teuer zu stehen kommen – und auch gefährlich werden.
Nachdem der fünfte französische Premier seit 2022 nach gerade mal 26 Tagen im Amt den Hut genommen hat, steckt das Land in der Sackgasse. Einsichtig ist niemand. Frankreich rennt weiter geradeaus auf die Mauer zu. Die Wirtschaft leidet. Doch der französische Irrweg hat einen noch viel gefährlicheren Nebeneffekt.
Wie die Grande Nation hier gelandet ist, ist rasch erzählt: Frankreich gibt seit 51 Jahren mehr Geld aus, als es einnimmt. Die Staatsverschuldung ist auf 3,07 Billionen Franken (114 Prozent des Staatshaushalts) angestiegen. Frankreich bleibt im Schnitt eines der unproduktivsten Länder Europas. Nirgendwo sonst arbeiten die Leute so wenig (35 Stunden pro Woche) und sind so oft krank (21,5 Tage im Jahr) wie dort.
Die Linken verweigern jegliche Sparvorschläge und kämpfen weiter dafür, das Rentenalter zu senken. Die Rechten wollen den Millionen Migranten in Frankreich den Geldhahn zudrehen, was der Rest als Verrat an den Grundwerten sieht. Eine Mehrheit im Parlament hat niemand.
Präsident Emmanuel Macron (47) aber wird kaum schon wieder Neuwahlen ausrufen. Sie hätten den Prognosen zufolge einen deutlichen Rechtsruck zur Folge. Eine Stärkung der Putin-freundlichen Partei Rassemblement National von Marine Le Pen (57) würde deshalb speziell Wladimir Putin (73) in die Hand spielen. Auch an einen Rücktritt wird Macron nicht denken (dafür sind ihm seine politischen Grossprojekte – allen voran die Ukraine und Palästina) zu wichtig.
Kurz: Das Problem ist erkannt. Eine Lösung hat niemand. Statt auf vernünftiges Verhandeln setzt Frankreich auf leidenschaftliches «Täubele». Die Regierung absetzen, das will man. Der Realität ins Auge schauen: non merci! Das hat drei gefährliche Konsequenzen:
Wir brauchen Frankreich für unsere Sicherheit
Die einzige Atommacht in der EU ist ein wichtiger Pfeiler der europäischen Sicherheit. Französische Kampfjets haben iranische Raketen über Israel abgeschossen und russische Drohnen über Polen bekämpft. Frankreich investiert massiv in die Waffen- und Munitionsproduktion (insbesondere in die in der Ukraine gebrauchte 155-mm-Munition).
Die Ukraine wäre die primäre Leidtragende einer anhaltenden Patt-Situation. Frankreichs Beitrag hält sich quantitativ zwar in Grenzen. Qualitativ aber sind von Frankreich mitproduzierten «Storm Shadow»-Marschflugkörper nach wie vor extrem wichtig für den ukrainischen Abwehrkampf gegen Russland.
Zudem ist Paris federführend bei der gemeinsamen Rüstungsbeschaffung der EU. Je länger die politische Krise dauert, umso grösser ist das Risiko, dass die dringend notwendige Aufrüstung Europas ausgebremst und geschwächt wird. Dasselbe gilt für die Debatte über eine mögliche europäische Atomabschirmung. Frankreich und Grossbritannien könnten einspringen, falls die USA sich militärisch aus der Alten Welt zurückziehen. Dazu bräuchte es aber den politischen Willen, Stabilität und Planbarkeit.
Frankreichs Patt-Situation kann uns teuer zu stehen kommen
Die drittgrösste Volkswirtschaft Europas taumelt. Das realistischste Szenario: Die Zinsen, die Paris auf seine Kredite zahlen muss, steigen, die Innovationskraft sinkt, der Konsum geht zurück. Reiche Franzosen, die sich vor den von links geforderten Steuererhöhungen fürchten, ziehen mitsamt ihren Firmen um – beispielsweise in die Schweiz. Was unsere Steuerämter freuen dürfte, wäre für die angeschlagene französische Staatskasse eine Katastrophe.
Für die helvetische Wirtschaft, die 2024 Waren im Wert von 19 Milliarden Franken nach Frankreich exportiert hat, sind das keine guten News. Schwächelt Frankreich, drückt das auf den Eurokurs. Sinkt der Euro, wird es für französische Firmen noch teurer, in der Schweiz einzukaufen. Besonders die von Trumps Zöllen eh schon bedrohte Pharma-Branche dürfte das schwer treffen.
Zudem: Heute schon reisen täglich 406'000 Franzosen zum Arbeiten über die Grenze in die Schweiz. Die Zahl dürfte zunehmen, was mindestens in der Westschweiz spürbar mehr Druck auf dem Arbeitsmarkt verursachen könnte.
Europas heisser Draht ins Weisse Haus wird gekappt
Präsident Macron wirkt in dem ganzen Drama wie ein Kaiser an Krücken, der trotz grosser Vorhaben kaum noch vom Fleck kommt. Gerade mal ein Viertel der Franzosen steht noch hinter ihm. Da ist es schwierig, voller Inbrunst und Überzeugungskraft als Vertreter des Volkes in die Welt hinauszutreten.
Macron versucht, die Fassade zu wahren, insbesondere gegenüber seinem Freund im Weissen Haus. Die minutenlangen Handschläge zwischen den beiden sind legendär. Jüngst liess sich Macron dabei filmen, wie er in New York City von amerikanischen Polizisten am Überqueren einer Strasse gehindert wird, weil Trumps Motorkolonne vorbeifahren wollte. Macron griff kurzerhand zum Telefon und rief Trump persönlich an, um ihm scherzeshalber von seinem Leid zu klagen.
Macron hat Trumps Ohr. Je grösser seine politischen Probleme in der Heimat aber werden, umso weniger ernst wird er in Washington genommen – und umso grösser ist das Risiko, dass Europa einen seiner wichtigsten Fürsprecher im Weissen Haus verliert.