SP-Badran über «Cervelatpalast»-Abzocke in Luzern
«In der Regel sind solche Mieten rechtswidrig»

Die Zurich Anlagestiftung hat in Luzern 40 Wohnungen saniert und die Mieten drastisch erhöht. Das Niveau sei ortsüblich, heisst es. «In der Regel sind Mieten nach Orts- und Quartierüblichkeit rechtswidrig», hält SP-Nationalrätin Jacqueline Badran dagegen.
Publiziert: 25.07.2025 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 25.07.2025 um 07:08 Uhr
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Die Zurich Anlagestiftung hat in Luzern 40 Wohnungen saniert und die Mieten drastisch erhöht.
Foto: PD

Darum gehts

  • Zurich Anlagestiftung saniert Wohnungen in Luzern, Mieten stark gestiegen
  • Mieterverband kritisiert Orts- und Quartierüblichkeit als «oft rechtswidrig»
  • Eigentümerverband Casafair fordert Abschaffung der Orts- und Quartierüblichkeit
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Martin SchmidtRedaktor Wirtschaft

Das war ein Schuss in den Ofen: Die Zurich Anlagestiftung hat in Luzern 40 Wohnungen saniert – und die Mieten kräftig erhöht. Zwei Beispiele: 2830 Franken kostet eine 2,5-Zimmer-Wohnung mit 58 Quadratmetern. Eine 3,5-Zimmer-Wohnung mit 68 Quadratmetern gibts für 3190 Franken im Monat. Das ist bis zu 82 Prozent mehr als vor der Totalsanierung. Zu viel für viele Wohnungssuchende. Die Hälfte der Wohnungen steht leer, wie die «Luzerner Zeitung» berichtet.

Eigentümerin ist die Zurich Anlagestiftung, die der Zurich Versicherung gehört. Die verweist darauf, die Mietzinsen würden dem ortsüblichen Niveau entsprechen. Ein gängiges Argument nach Leerkündigungen und Kernsanierungen, wenn die Mieten enorm steigen. Abgestützt wird dabei auf die Orts- und Quartierüblichkeit, bei der die Mieten an das Niveau von vergleichbaren Wohnungen im Quartier angepasst werden.

Berechnung kommt erst nach 30 Jahren zum Zug

Das ist dem Mieterverband schon lange ein Dorn im Auge. «In der Regel sind solche Mieten rechtswidrig», sagt SP-Nationalrätin Jacqueline Badran (63). Sie sitzt im Vorstand des Mieterinnen- und Mieterverbands Schweiz. Das Kriterium der Orts- und Quartierüblichkeit kommt nur zur Anwendung, wenn sich die Liegenschaft seit mehr als 30 Jahren im selben Eigentum befindet. Die Zurich Anlagestiftung hat die beiden jetzt frisch sanierten Immobilien am Bundesplatz 2008 und 2021 erworben, wie es auf Anfrage heisst.

Weil Eigentümer Rechtsstreitigkeiten mit Mietern vermeiden wollen, werden Immobilien häufig vor Sanierungen leergekündigt. Die neuen Mieter kennen den alten Mietzins nicht. Folglich reklamiert niemand oder ficht gar den Anfangsmietzins an. In der Immobilienbranche werden viele Mietaufschläge auf diese Weise gerechtfertigt – unter anderem bei Mieterwechseln in Altbauwohnungen. «Die Orts- und Quartierüblichkeit ist sehr wirkungsmächtig, wenn auch fast immer illegal angewendet», sagt Badran.

So wird der Mietzins berechnet

Grundsätzlich berechnet sich die zulässige Miete aus den realen Kosten und einem Renditezuschlag, der präzis begrenzt ist. Die erlaubte Nettorendite ist an den Referenzzinssatz gekoppelt. Beim aktuellen Referenzzinssatz von 1,5 Prozent darf die Nettorendite maximal bei 3,5 Prozent liegen.

Eigentümer, die eine Immobilie über 30 Jahren besitzen, können die Miete nach dem Kriterium der Orts- und Quartierüblichkeit anheben. Diese basiert auf bestehenden Mieten vergleichbarer Objekte, nicht auf den inserierten Angebotsmieten auf Immobilienportalen.

Grundsätzlich berechnet sich die zulässige Miete aus den realen Kosten und einem Renditezuschlag, der präzis begrenzt ist. Die erlaubte Nettorendite ist an den Referenzzinssatz gekoppelt. Beim aktuellen Referenzzinssatz von 1,5 Prozent darf die Nettorendite maximal bei 3,5 Prozent liegen.

Eigentümer, die eine Immobilie über 30 Jahren besitzen, können die Miete nach dem Kriterium der Orts- und Quartierüblichkeit anheben. Diese basiert auf bestehenden Mieten vergleichbarer Objekte, nicht auf den inserierten Angebotsmieten auf Immobilienportalen.

«Kommen meist Fantasiepreise zustande»

Auch Ursula Zybach (57) stört sich an diesem Kriterium: «Mit der Orts- und Quartierüblichkeit kommen meist Fantasiepreise zustande, die mit den Kosten nichts zu tun haben. Deshalb fordern wir ihre Abschaffung.» Zybach sitzt für die SP im Nationalrat und ist Präsidentin des Wohneigentümerverbands Casafair, der sich für faire Mieten einsetzt. Gemäss Casafair soll der Mietzins auf den effektiven Kosten basieren, also der Verzinsung von Fremd- und Eigenkapital sowie Betriebskosten.

Im ausgetrockneten Mietwohnungsmarkt in den Schweizer Zentren sowie in Tourismusregionen können die Leute nichts anderes tun, als die teuren Wohnungen zu nehmen, so Zybach. «Damit entziehen die Vermieterinnen und Vermieter der Volkswirtschaft Geld, das die Menschen sonst fürs Leben, für Weiterbildungen und andere Ausgabenposten brauchen könnten. Gewinner sind einzig die Immobilienbesitzer», führt sie aus.

«Verkaufsanreiz, den niemand will»

Badran kann die Grundidee hinter dem Kriterium der Orts- und Quartierüblichkeit nachvollziehen. Eigentümer, die jahrzehntelang eine Immobilie halten, wären sonst extrem benachteiligt. «Ihre Mieteinnahmen liegen viel tiefer als bei Immobilien, die regelmässig den Besitzer wechseln», sagt sie. «Das ist ein Verkaufsanreiz, den niemand will, weil es am Ende nur die Mieten nach oben treibt.» Weil die Orts- und Quartierüblichkeit «häufig missbraucht wird», ist Badran aber ebenfalls für eine Abschaffung.

Immobilienexperte Donato Scognamiglio (54) stellt das Kriterium zumindest zur Diskussion. «Viele Vermieter verlangen basierend auf der Orts- und Quartierüblichkeit, was der Markt hergibt. Das ist gut für Leute mit hohen Einkommen, weil sie die begehrte Wohnung kriegen. Die anderen gehen leer aus.» Zudem sei die Anwendung der Orts- und Quartierüblichkeit heute sehr schwierig. So muss ein Vermieter nach strengen Vorgaben fünf vergleichbare Objekte vorzeigen können. «Ein Marktelement bei der Mietpreisgestaltung braucht es aber schon», so Scognamiglio.

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