Darum gehts
- Schweizerin verlor 6500 Franken durch Onlinebetrug
- Betrüger arbeiten in riesigen Scam-Zentren in Südostasien und Afrika
- Im letzten Jahr wurden über 1030 Milliarden US-Dollar durch Betrug ergaunert
Die Walliserin Corinne* glaubte, sie chatte auf Instagram mit Skistar Marco Odermatt (27). Doch sie wurde zur Zielscheibe von Onlinebetrügern, die sich als der Schweizer Skisuperstar ausgaben. Corinne wurde Opfer eines Love-Scams und verlor in drei Monaten 6500 Franken. Doch sie ist bei weitem nicht das einzige Opfer.
Menschen in der Schweiz sind ein beliebtes Ziel der Betrüger. Hinter Dänemark und den USA verlieren Schweizer Opfer pro Kopf am drittmeisten Geld, so der «Global State of Scams Report 2024». Im Schnitt wird ein Schweizer Opfer um 2980 US-Dollar betrogen. Weshalb in dieser Rangliste gerade diese drei Länder an der Spitze sind, liegt auf der Hand: In reichen Ländern ist mehr zu holen. Das wissen auch die Onlinebetrüger.
Riesige Industriezentren nur für Betrug
Die Gauner spielen mit den Gefühlen und Ängsten ihrer Opfer. Gaukeln ihnen Liebe vor, versprechen ihnen hohe Renditen mit Kryptoanlagen oder anderen Investitionen.
Sie schreiben die potenziellen Opfer über Social Media oder Messengerdienste wie Telegram an. Dabei gehen die Betrüger so professionell vor wie nie zuvor. In riesigen Scam-Zentren in Ländern wie Myanmar, Laos, Kambodscha oder Nigeria arbeiten Abertausende Angestellte mit dem Auftrag, möglichst viele Opfer abzuzocken.
Das Geschäft floriert, die Zahlen sind schier unglaublich: Im vergangenen Jahr ergaunerten sie gemäss dem Scams-Report über 1,03 Billionen US-Dollar. Ein Betrag so hoch wie die gesamte Schweizer Wirtschaftsleistung im selben Jahr! Und unser Land ist immerhin auf Platz 20 der grössten Volkswirtschaften der Welt.
Mafiaorganisationen der Neuzeit
Die Netzwerke dahinter sind die Mafiaorganisationen der Neuzeit. Opfer sind dabei aber nicht nur die Abgezockten in der Schweiz und anderswo. Während hier Menschen ihr Geld verlieren, verlieren andere ihre Freiheit.
Die kriminellen Netzwerke locken Menschen aus armen Ländern mit Stellenanzeigen und falschen Versprechen an, nehmen ihnen die Dokumente ab, halten sie gegen ihren Willen fest und lassen sie für sich schuften. Diese moderne Form der Sklaverei floriere zurzeit in Südostasien, schreibt Interpol. Hunderttausende würden auf diese Weise Opfer von Menschenhandel.
Anfang Jahr teilten die chinesischen Behörden mit, dass sie Yang Zeqi aus den Fängen von Menschenhändlern befreien konnten. Der 25-Jährige war mit einem Modelauftrag nach Myanmar gelockt worden.
Myanmar ist einer der Hotspots des Onlinebetrugs. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass rund 100’000 Menschen unter falschem Vorwand ins Land gereist seien, um unter menschenunwürdigen Bedingungen in den grossen Scam-Zentren zu arbeiten.
Elektroschocks bei Nichterfüllen
In diesem Frühjahr befreiten die Behörden in einer Rettungsaktion über 7000 Menschen aus solchen Zentren; sie mussten danach teilweise wochenlang in Auffanglagern auf ihre Rückführung in die Heimat warten. «Sie gaben uns jede Woche ein Ziel von 5000 US-Dollar. Wenn wir das verpassten, gaben sie uns zwei Elektroschocks oder steckten uns in einen dunklen Raum ohne Fenster», schildert Aryian, ein junger Mann aus Bangladesch, der englischen BBC im Februar die Zustände in einem Scam-Zentrum.
Hinter den Zentren in Myanmar stecken meist chinesische Mafiaorganisationen, die gemäss Interpol inzwischen immer häufiger auch in Westafrika ganze Betrugsindustrien aufziehen. Das Wachstum im Onlinebetrug ist grösser als in fast jeder seriösen Branche.
Wer online mit traurigen Geschichten oder grossen Gewinnversprechen zu einer Geldüberweisung überredet wird, sollte den Kontakt direkt abbrechen. Gemäss Scam-Report erhalten nur 4 Prozent der Opfer ihr Geld zurück.
* Name geändert