Verwaltung hat über 100'000 Fr zu viel verrechnet
Mieter in Beringen SH laufen Sturm

Gemeinsam sind wir stark. Das denken sich 39 Mieter der Siedlung Genesis in Beringen SH. Als hohe Rechnungen für die Nebenkosten-Nachzahlung ins Haus flattern, wehren sie sich. Der Streit mit der Verwaltung Wincasa dauert nun schon drei Jahre.
Publiziert: 07.07.2019 um 23:10 Uhr
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Aktualisiert: 29.11.2020 um 21:25 Uhr
2015 ziehen die ersten Mieter in die Siedlung Genesis in Beringen SH ein. Es sind Neubauten. Die Wohnungen sind modern und grosszügig geschnitten.
Foto: Philippe Rossier
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Julia Fritsche (Text) und Philippe Rossier (Fotos)

Moderne Wohnungen mit gutem Ausbaustandard, Glasfaseranschluss, nahe am Dorfkern und gut erschlossen für Auto und ÖV. Doch der schöne Schein trügt. In der Überbauung Genesis in Beringen unweit von Schaffhausen brodelt es gewaltig. Nicht weniger als 39 aktuelle und frühere Mieter wehren sich gegen Verwalterin Wincasa. Der Streit dauert nun schon drei Jahre. Der Stein des Anstosses: die Nebenkosten für die Abrechnungsperiode 2015 – 2016.

Heute noch sorgen Heiz-, Hauswart- und weitere Kosten von damals für rote Köpfe. Die Ärgerliste ist 28 Punkte lang! Über 100'000 Franken zu viel verlange die Wincasa von ihnen, sind die Mieter überzeugt. «Die Wincasa hat zum Teil falsch abgerechnet. Andere Kosten gehörten eigentlich gar nicht zu den Nebenkosten», erklärt Mieterin Daniela Späth (55) beim Treffen mit BLICK.

Wegzug wegen Nebenkosten

Späth ist Sprachrohr der verärgerten Mieter. Selbst ist sie ebenfalls betroffen. 900 Franken wurden bei ihr nachgefordert, 1560 Franken hatte sie bereits Akonto bezahlt. «Das ist sehr viel», sagt Späth. Doch im ersten Moment wollte sie zahlen. Einfach, um sich den ganzen Ärger zu ersparen. «Doch als ich erfahren habe, dass meine Nachbarn teils noch viel mehr zahlen müssen, wusste ich: Wir müssen uns wehren!»

Widerstandsfrau der ersten Stunde ist Gabriela Stiep (33). Zusammen mit einer Kollegin mietete sie eine 4,5-Zimmer-Wohnung. «Bei der Besichtigung haben wir extra nach den Nebenkosten gefragt, weil es ein Erstbezug war. Da sei nichts zu befürchten, wurde uns gesagt.»

Doch dann die böse Überraschung im September 2017 nach einen Jahr Miete: Fast 2000 Franken sollen die Frauen nachzahlen. Zu viel! Wenige Tage später kündigen sie die Wohnung. «Eigentlich hats uns dort tipptopp gefallen. Wir sind auch bereit zu zahlen, was wir schulden. Aber sicher nicht mehr.» Stiep trommelte noch im September mit einem Flugblatt ihre Nachbarn zum ersten Widerstandstreffen zusammen.

Ultimatum der Verwaltung

Späth und ihr Mitstreiter Markus van Riel (51) haben zusammen inzwischen gut zwei Monate Arbeit in den Streit investiert. Unentgeltlich. Sie haben für Einsicht in Belege und Verträge gekämpft, sich mit rechtlichen und technischen Details herumgeschlagen und eine eigene Nebenkostenrechnung aufgestellt. Die viel tieferen Beträge haben die Mieter dann auch bezahlt. Unterstützung bekamen sie von der Schlichtungsstelle.

Im März 2018 rang sich die Wincasa zu einigen Zugeständnissen durch. Doch nicht bei den grossen und wichtigen Posten. Die enttäuschten Mieter gehen auch nicht auf das Ultimatum dazu ein: Entweder ihr akzeptiert den Deal oder es gibt nichts. Nach dem Nein bricht die Wincasa den Kontakt ab. Ein Jahr herrscht Funkstille.

Warten auf die Betreibung

Dann Mitte Mai 2019 der Schock. Mahnungen mit Betreibungs- und Kündigungsandrohungen flattern ins Haus. Zehn Tage Zeit haben die Empfänger, um die geschuldeten Nebenkosten zu zahlen. Der Brief geht vorerst nur an Mieter, die längst selbst gekündet haben und ausgezogen waren. So auch an Christian Kisser (39).

«Es wird meine allererste Betreibung sein», sagt er und lächelt leicht nervös. Wenigstens wisse er, wie er reagieren müsse. Seine Mitstreiter machen es ihm vor. «Alleine wäre ich längst eingeknickt und hätte gezahlt», so Kisser. Er und seine Partnerin Jasmin Michot (25) gehörten zu den Erstbezügern der Siedlung. «Wie in jedem Neubau gabs einige Baumängel, aber alles wurde behoben und uns hat es sehr gefallen.»

Trotzdem wohnen sie jetzt seit einem Jahr 500 Meter weit weg. Ausgezogen sind sie nur wegen der Nebenkosten. Sie sollten fast 1600 Franken nachzahlen. Und das nur fürs erste Jahr. Die Abrechnungen für die beiden weiteren Jahre sind noch nicht da. Die Unsicherheit aber war gross.

Die Hälfte der Wohnungen steht leer

Jetzt warten sie in ihrer neuen Wohnung auf die Betreibung vom alten Vermieter. Die Zahlungsfrist im Brief von Mai ist verstrichen. «Das ist wieder eine typische Drohgebärde. Doch wir lassen uns nicht einschüchtern», gibt sich Späth kampfbereit. Die Mieter sind längst zu gut informiert und organisiert. Die Betroffenen weisen die Mahnungen schriftlich mit eingeschriebenem Brief zurück.

Der lange Streit setzt der Siedlung zu. Vier Jahre nach dem Erstbezug stehen mehr als 40 Wohnungen wieder leer. «Genesis hat einen schlechten Ruf, obwohl es dort eigentlich schön ist», weiss Stiep. Das sei doch da, wo die Nebenkosten so hoch seien, sage man.

Wincasa will Lösung

Was sagt die Wincasa zum Fall Genesis? Diese ist auf BLICK-Nachfrage der Auffassung, dass die Nebenkostenabrechnung in ihrer aktuellen Form den Grundsätzen des Schweizer Mietrechts entspreche. «Wir nehmen die Anliegen der Mieter ernst, weshalb wir uns im intensiven Dialog mit den Mieterinnen und Mietern der Liegenschaft befinden, um baldmöglichst eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu erarbeiten», so die Verwalterin weiter. Detailliert auf die Vorwürfe eingehen will sie nicht.

Eine Lösung fordern auch die Mieter. «Die Wincasa soll sich das Ganze einfach mal richtig anschauen», so Stiep. «Dann wollen wir auch mal abschliessen.» Späth will völlige Transparenz. Kisser und seine Partnerin möchten fair behandelt und ernst genommen werden. Klein beigeben, das will niemand.

Das bemängeln die Genesis-Mieter

Nicht weniger als 28 Punkte umfasst die Kritikliste der Genesis-Mieter an der Nebenkostenabrechnung der Wincasa. Viele davon betreffen die Tiefgarage. Über 35'000 Franken wurden den Mietern für Reinigungen und Kontrollen durch den Hauswart über die Nebenkosten der Wohnungen abgerechnet. Dies, obwohl es für die Tiefgaragenplätze separate Mietverträge gibt. Die Kostenpunkte seien also kein Vertragsbestandteil und sie zahlten doppelt – einmal über den Parkplatzvertrag und einmal über den Wohnungsvertrag, so die Mieter. Die Wincasa dagegen argumentiert laut den Mietern, dass die Tiefgarage Teil der Umgebung sei.

Ein kostspieliger Punkt betrifft die Heizung. Die Anlage ist gemäss Vertrag mit dem Energieunternehmen Etawatt im Besitz des Genesis-Eigentümers. Was heisst, dass Art. 6 des Mietrechts und nicht Art. 6a zur Anwendung kommen sollte. Aufgrund dieses Fehlers wurden ihnen 11'000 Franken zu viel verrechnet, rechnen die Mieter.

Ebenfalls Streitpunkt ist die Verrechnung des Salzverbrauchs für die Enthärtungsanlage. Ihnen wurden 320 Säcke verrechnet. Laut einem Experten verbrauchte die Anlage maximal 188 Säcke. Die unverbrauchten Säcke hätten nicht verrechnet, sondern in einem Inventar als Vorrat für die nächste Periode ausgewiesen werden müssen. Ein Inventar fehlt aber. Die Folge: Mit der NK-Abrechnung von 2015/16 hätten sie das Salz für die nächste Periode zum Teil mitbezahlt, das aber widerspricht dem Sinn einer NK-Abrechnung.

Fast 4100 Franken wurden den Mietern für die Erstellung und Betreuung der Neubepflanzung verrechnet. Rechtlich aber dürfte nur die Pflege der Umgebung zu ihren Lasten gehen.

Nicht weniger als 28 Punkte umfasst die Kritikliste der Genesis-Mieter an der Nebenkostenabrechnung der Wincasa. Viele davon betreffen die Tiefgarage. Über 35'000 Franken wurden den Mietern für Reinigungen und Kontrollen durch den Hauswart über die Nebenkosten der Wohnungen abgerechnet. Dies, obwohl es für die Tiefgaragenplätze separate Mietverträge gibt. Die Kostenpunkte seien also kein Vertragsbestandteil und sie zahlten doppelt – einmal über den Parkplatzvertrag und einmal über den Wohnungsvertrag, so die Mieter. Die Wincasa dagegen argumentiert laut den Mietern, dass die Tiefgarage Teil der Umgebung sei.

Ein kostspieliger Punkt betrifft die Heizung. Die Anlage ist gemäss Vertrag mit dem Energieunternehmen Etawatt im Besitz des Genesis-Eigentümers. Was heisst, dass Art. 6 des Mietrechts und nicht Art. 6a zur Anwendung kommen sollte. Aufgrund dieses Fehlers wurden ihnen 11'000 Franken zu viel verrechnet, rechnen die Mieter.

Ebenfalls Streitpunkt ist die Verrechnung des Salzverbrauchs für die Enthärtungsanlage. Ihnen wurden 320 Säcke verrechnet. Laut einem Experten verbrauchte die Anlage maximal 188 Säcke. Die unverbrauchten Säcke hätten nicht verrechnet, sondern in einem Inventar als Vorrat für die nächste Periode ausgewiesen werden müssen. Ein Inventar fehlt aber. Die Folge: Mit der NK-Abrechnung von 2015/16 hätten sie das Salz für die nächste Periode zum Teil mitbezahlt, das aber widerspricht dem Sinn einer NK-Abrechnung.

Fast 4100 Franken wurden den Mietern für die Erstellung und Betreuung der Neubepflanzung verrechnet. Rechtlich aber dürfte nur die Pflege der Umgebung zu ihren Lasten gehen.

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