Darum gehts
Vor drei Jahren in Davos war es, als es die seltene Gelegenheit gab, gleich drei Sprösslinge des diskreten Clans an einem Ort zu sehen: Alexander, Frederic und Isabel, die drei Kinder von André Hoffmann (66), Sprecher der Besitzerfamilie und Vizepräsident von Roche, waren als Speaker am jährlichen «InTent»-Anlass, einer auf Nachhaltigkeitsthemen spezialisierten Parallelveranstaltung zum Weltwirtschaftsforum (WEF), gelistet.
Aus Boston kam Alexander (35), der an der Harvard Medical School (HMS) als Forscher arbeitete. Aus London Bruder Frederic (33), Gründer eines Venture-Fonds im Foodbereich und Young Global Leader des WEF, der zu jener Zeit seine Ausbildung an der London School of Economics machte.
Vielversprechend
Und Schwester Isabel (30), die Jüngste, Mitgründerin eines Start-ups für Wiederaufforstung und als Managerin bei Capitals Coalition in London damals im Einsatz für eine verbesserte Anpassung der Wirtschaft an die Bedürfnisse von Mensch und Natur. Die drei reihten sich ein in die Gilde von Wirtschaftsgranden wie Banker Patrick Odier oder Holcim-CEO Jan Jenisch. Der Eindruck: Hier ist eine junge Generation im Roche-Clan nachgewachsen, die einiges verspricht.
Für den Pharmakonzern eine gute Sache. Denn die Besitzerfamilie ist eng mit der Firma verbunden und wirkt durch ihr Recht auf Einsitz im Verwaltungsrat auch direkt am Geschick des Unternehmens mit. Wie wichtig die Familie als Fels in der Brandung ist, zeigt sich gerade in turbulenten Zeiten. Auch der Kurs von Roche ging im Nachgang der Trump-Zölle auf eine Berg-und-Tal-Fahrt. Doch die Besitzerfamilie Oeri-Hoffmann hockt wie eh und je unaufgeregt auf ihrem über 20 Milliarden Franken schweren Mehrheitspaket – sie hat sich von kurzfristiger Hektik noch selten beeindrucken lassen.
Dass die Besitzerfamilie auch in Zukunft eine verlässliche Grösse bleibt, ist erklärtes Ziel des Milliardenclans: «Ich sehe unseren Besitz nicht nur als Privileg, sondern auch als Verantwortung. Und diese Verantwortung müssen wir ausüben», sagt André Hoffmann.
Hoffmann-Zweig und Oeri-Zweig
Dazu gehöre auch die Planung der Zusammenarbeit mit Roche, wo die Familie mit zwei Vertretern im VR Einsitz hat. Nebst Hoffmann selber ist dies heute Jörg Duschmalé (41), der den Oeri-Zweig, den zweiten der beiden Familienstämme, repräsentiert.
Entstanden ist die Situation der zwei Familienstämme, als die 80'020'000 Inhaberaktien, 50,01 Prozent der Stimmen, hälftig an die Nachkommen von Gründer Fritz Hoffmann-La Roche vererbt wurden, an Enkel Luc Hoffmann (1923–2016) und Enkelin Vera Oeri (1924–2003, verheiratet mit dem Arzt Jakob Oeri), die die heutigen beiden Stämme bildeten.
Nun wiederum stehen deren Enkel, die Mitglieder der fünften Generation, in den Startlöchern. Und die Frage, wer den Hoffmann-Zweig in Zukunft bei Roche vertreten wird. André Hoffmann ist 66, sein Cousin Andreas Oeri war 70 Jahre alt, als er 2020 den Oeri-Sitz für Jörg Duschmalé, den ältesten Sohn seiner Schwester Sabine Duschmalé, freigab.
2018 traf BILANZ André Hoffmann zum Gespräch. «Ich würde es gerne sehen, wenn meine Familie bald in nächster Generation eine Rolle im Pool und im Verwaltungsrat spielen würde», liess er wissen. Zeitdruck bestehe aber nicht – er sei ja zehn Jahre jünger als sein Cousin.
Doch inzwischen sind sieben Jahre vergangen. Und in der Familie wird getuschelt, es gebe weitere Gründe, mit dem Entscheid nicht allzu lange zuzuwarten. Denn je länger es geht, bis ein Hoffmann-Sprössling in den VR von Roche einzieht, desto stärker wird die Position von Oeri-Vertreter Duschmalé im Rat.
Jörg Duschmalé soll Vizepräsident werden
In den letzten Jahrzehnten war das Amt des Vizepräsidenten im Hoffmann-Zweig angesiedelt, auch Luc war Vize. Duschmalé, Doktor der Chemie, ist schon seit fünf Jahren Verwaltungsrat – mit jedem Jahr, das vergeht, dürfte es schwieriger werden zu argumentieren, warum ein Hoffmann-Vertreter anstelle des im VR bereits gut eingeführten Oeri-Vertreters Vizepräsident werden sollte.
Nun gibt es Klarheit: Dieser Punkt sei ganz sicher kein Grund für Eile für den Hoffmann-Zweig, erklärt ein eng mit den Verhältnissen im Besitzerclan vertrauter Insider gegenüber BILANZ. Denn diese Frage sei bereits gelöst: Der nächste Vizepräsident werde Duschmalé sein, so der Insider. Auch wenn der Verwaltungsrat von Roche das dann selbstverständlich noch offiziell so bestimmen muss, sei es im Familienpool so vorgesehen.
Als zeitlichen Rahmen für den Abgang von André Hoffmann nennt der Insider «vier bis sechs Jahre». Und er verrät noch einen weiteren, überraschenden Aspekt: Duschmalé soll auch nächster Familiensprecher werden. Damit wäre dann erstmals der Oeri-Stamm vollumfänglich im Lead.
Wer zahlt, befiehlt
Was auffällt: Es wurde bereits damit begonnen, Funktionen von André Hoffmann auf Duschmalé zu übertragen. So wurde Duschmalé 2023 vom Roche-VR zum Vorsitzenden des Vergütungsausschusses ernannt – traditionell eine Kernfunktion, denn wer zahlt, befiehlt. Diese Funktion hatte vorher Hoffmann inne. Parallel dazu nahm in jenem Jahr auch die Stimmkraft des Hoffmann-Zweigs etwas ab, denn Maja Hoffmann, die Schwester von André, verkaufte für rund 800 Millionen Franken Inhaberaktien. Sie konnte dies tun, weil sie damit nicht riskierte, die Mehrheit zu gefährden. Denn 2021, nach dem Rückkauf des Pakets an Inhaberaktien, das Konkurrent Novartis an Roche besessen hatte, war die Mehrheit auf 75,1 Prozent gestiegen.
Jörg Duschmalé und sein jüngerer Bruder Lukas (40) sind schon seit 2009 Mitglieder im Familienpool. Sie wurden es, als ihre Tante Beatrice Oeri austrat und der Oeri-Zweig deren Aktien einbinden musste. Im Rahmen dieser familieninternen Umverteilung sind auch Jörg und Lukas persönlich Aktionäre geworden. Er und sein Bruder hätten besprochen, wer die Familie im Verwaltungsrat von Roche vertreten solle und wie das mit den jeweiligen beruflichen Zielen vereinbar sei.
Im Laufe dieser Gespräche habe sein Bruder seinen Anspruch zurückgenommen, verriet Jörg Duschmalé BILANZ anlässlich seiner Nomination für den VR. Der Entscheid war vergleichsweise einfach: Im Oeri-Zweig gibt es ausser den beiden Brüdern keine weiteren Vertreter der fünften Generation, sieht man von den Söhnen von Maja Oeri ab, die aber 2011 aus dem Pool ausgetreten ist, wodurch den beiden keine offizielle Rolle mehr zusteht.
Sieben Personen mit Chancen auf VR-Sitz
2018, beim erwähnten Besuch von BILANZ, liess André Hoffmann wissen, er sehe vor, seinen Aktienbesitz eine Stufe hinunter an die Kinder zu geben, um seinerseits die Nachfolge vorzuspuren. Auch seine beiden Schwestern Maja und Vera würden sich ähnliche Überlegungen machen.
2019, knapp ein Jahr später, war es bereits so weit: Sämtliche sieben Kinder der Hoffmann-Seite wurden auf einen Schlag in den Aktionärspool aufgenommen. Es sind dies die erwähnten drei Kinder von André Hoffmann: Alexander, Frederic und Isabel; die beiden Kinder seiner Schwester Maja: Lucas und Marina Hoffmann; und die beiden Töchter seiner älteren Schwester Vera: Tatiana Fabre und Kasia Barbotin-Larrieu. Eine dieser sieben Personen wird André Hoffmann zum gegebenen Zeitpunkt im VR von Roche ersetzen.
Wer es sein wird, will André Hoffmann nicht verraten: «Diese Frage ist natürlich zentral für die Zusammenarbeit zwischen der Familie und dem Unternehmen. Zum jetzigen Zeitpunkt über einzelne Mitglieder der Familie zu spekulieren, ist aber nicht hilfreich.» Wichtig sei, in der Sache eine kohärente und langfristig ausgerichtete Strategie durchzuziehen.
Die Auswahl ist schwer
Klar ist: Die Auswahl ist schwer, denn die Kandidaten sind hochkarätig. Etwa was die Ausbildung betrifft. Die Clan-Sprösslinge haben angesehene Universitäten wie Harvard (Majas Sohn Lucas, Mathematik), New York (Veras Tochter Kasia), Durham (Andrés Sohn Alexander, Physik und Mathematik) oder Edinburgh (Andrés Tochter Isabel, Umweltstudien, verbunden mit Management) besucht, die letzten beiden im Anschluss an ihren Universitätsabschluss noch ein MBA-Studium an der Wirtschaftskaderschmiede INSEAD angehängt.
Mehrere – Isabel, Frederic, Alexander, Tatiana, Kasia – sind als Firmen- oder Start-up-Gründer in Erscheinung getreten. Kasia etwa, wegen ihres Vaters Jan Michalski halb Polin, hat 2015 in Warschau eine Kunstgalerie gegründet.
Einsatz für die Natur
Was auffällt: Viele sind im Bereich Nachhaltigkeit tätig, im Geist ihres verstorbenen Grossvaters Luc Hoffmann, Gründers des WWF. So amtet Isabel als Board Member von Tour du Valat in der Camargue, dem von Luc Hoffmann initiierten Forschungsinstitut für die Erhaltung europäischer Feuchtgebiete. Veras Tochter Tatiana hat mit der Firma Flamingo im Juli 2024 eine Crowdfunding-Plattform zum Schutz von Feuchtgebieten mitgegründet.
Weil alle sieben infrage kommen, werden es also zuletzt auch die Lebensumstände und die persönliche Zukunftsplanung sein, die in dieser Frage entscheidend werden.
In der Presse konzentrierten sich die Spekulationen zuletzt auf Frederic, der – im Gegensatz zu seinen beiden Geschwistern – in den Danksagungen im neusten Buch des Vaters, «The New Nature of Business», erwähnt wird, weil er das Manuskript gegengelesen hat.
Gute Chancen für Isabel Hoffmann
«Wenn ich Sie wäre, würde ich nicht zu fest auf einen Sohn von André tippen», heisst es aber aus dem Umfeld der Familie. Wie Recherchen von BILANZ zeigen, steht bei den Diskussionen derzeit eine ganz andere Lösung im Vordergrund: Tochter Isabel Hoffmann.
Es wäre eine kleinere Sensation. In der 129-jährigen Geschichte von Roche hat es viele starke Frauen im Clan gegeben, ja oft waren sie sogar die stärkeren Persönlichkeiten als die Männer. Doch noch nie hat eine Frau den Clan im Verwaltungsrat der Firma vertreten.
Dazu passt, dass die 30-Jährige inzwischen ihren beruflichen Weg zurück in die Schweiz gefunden hat. Sie arbeitet laut ihrem LinkedIn-Profil seit August letzten Jahres in Diensten des 2009 gegründeten Zürcher Start-ups Climeworks, das CO2 aus der Atmosphäre filtert und speichert.
Sie ist nicht nur hervorragend ausgebildet, sondern auch international gut vernetzt. So war sie von 2021 bis 2024 im Beirat der Fondation Prince Albert II de Monaco. Ihr MBA Placement hat sie 2023 beim Nahrungsmittelkonzern Nestlé absolviert – Roche und Nestlé sind traditionell eng verbunden, so amtet Ex-Nestlé-CEO Mark Schneider im Board von Roche. Sie ist nebst ihrer Anstellung bei Climeworks auch noch Verwaltungsrätin der von ihr mitgegründeten Wiederaufforstungsfirma RePlanet. Sie gilt als zugängliche und angenehme Person ohne Allüren.
Lust und Last zugleich
Dazu kommt: Ihre bisherige Ausrichtung lässt auch Platz für eine Zukunft bei Roche. Andere aus der Siebnergruppe haben die persönlichen Weichen schon deutlich stärker gestellt und sind auch weit weg. So hat etwa Bruder Alexander, der lange in Asien war und dort für Givaudan arbeitete, eben erst von Boston nach New York gewechselt, um dort mit seiner neuen Firma Susty als Venture Investor zu starten.
Klar ist, dass mit der Rolle des Verwaltungsrats bei Roche für Isabel Hoffmann so etwas wie eine Lebensaufgabe zukommen dürfte. Vater André Hoffmann ist 1996 in den Rat gekommen, also schon fast 30 Jahre dabei. Grossvater Luc, als 30-Jähriger 1953 angetreten, amtete gar insgesamt 43 Jahre im VR. Das tönt in der Tat nicht nur nach Privileg – sondern auch nach reichlich viel Verantwortung.