Selbsterfahrung mit Sanitas-Telmed
«Ich musste peinliche Arzt-Fragen im Zug beantworten»

Ein Jahr war ich im Telmed-Modell der Sanitas versichert. Das lief anders als geplant. Jetzt sage ich: Tschüss Sanitas!
Publiziert: 24.10.2024 um 07:35 Uhr
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Aktualisiert: 24.10.2024 um 15:15 Uhr
Ich werde mein Glück nächstes Jahr jedoch bei einer anderen Kasse versuchen.
Foto: Jean-Claude Raemy

Auf einen Blick

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Milena KälinRedaktorin Wirtschaft

Vor ziemlich genau einem Jahr habe ich in das Telmed-Modell der Sanitas gewechselt. Zuvor war ich bei derselben Kasse im Hausarzt-Modell. Aber ich wollte sparen: Immerhin 10 Franken kostet mich das neue Modell seither pro Monat weniger – dafür mehr Nerven, wie sich rausstellte.

Auf eine digitale App zu setzen, statt immer gleich zum Hausarzt zu rennen, schien mir sinnvoll. Zudem bin ich 25 Jahre jung, habe gesundheitlich keinerlei Probleme. Trotzdem blieb ich bei der tiefsten Franchise von 300 Franken. Denn: Als junge Erwachsene profitierte ich bisher von tieferen Prämien.

Zum ersten Mal zum Einsatz kommt die Krankenkasse, als ich nach der Entfernung meiner Weisheitszähne im Spital lande. Ich bekomme kurz Panik, ob die Sanitas auch zahlt. Denn beim Telmed-Modell gibt es Strafen, wenn man ohne Ankündigung zum Arzt geht. Bei Notfällen reicht jedoch eine Meldung bei der Kasse im Nachhinein aus. Den Vorfall hätte ich anscheinend auch direkt in der App melden können. Wie, habe ich bis heute nicht gecheckt.

Meine persönlichen Erfahrungen mit dem Telmed-Modell der Sanitas sind gemischt.
Foto: Jean-Claude Raemy
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Chat selten erreichbar

Anfang Juli kommt es dann zum ersten Belastungstest der Medgate-App der Sanitas. Mit der Online-Arztpraxis Medgate arbeiten viele Krankenversicherer bei Telmed zusammen – auch die Sanitas. Wegen starker Rückenschmerzen (apropos jung und gesund) melde ich mich im Ärzte-Chat. Darauf verschreibt mir eine Ärztin Medis, die ich kurz darauf in einer Apotheke in der Nähe abholen kann. Am nächsten Tag fragt die Ärztin per Chat nach, ob ich die Medikamente vertragen habe. Da bin ich noch Fan vom Angebot.

Weil die Rückenschmerzen nicht besser werden, will ich mich wieder im Chat melden. Fehlanzeige! Seit dem 15. Juli hat die Chat-Funktion kein einziges Mal mehr funktioniert, als ich sie benötigte. Stattdessen bleibt mir nur übrig, online einen Arzt-Termin zu buchen oder die Notfallnummer zu wählen. Ich mache Zweiteres. Dort heisst es: Bei zu vielen Anfragen werde der Chat abgeschaltet. Schön blöd.

Genau der gleiche Ärger, als ich im August zum Hausarzt will. Der Chat funktioniert nicht. Über die Notfallnummer geht es zum Glück schnell. Für meinen Termin beim Hausarzt hat mir die Krankenkasse ein Zeitfenster von zwei Monaten eröffnet: Währenddessen darf ich wegen der Rückenschmerzen zum Hausarzt, ohne mich nochmals zu melden. Von Kollegen, die bei der Sanitas im gleichen Modell versichert sind, höre ich ähnliches. Bei einem funktionierte die Notfallnummer nicht. Er ging darauf direkt zum Hausarzt. Immerhin hat die Sanitas die Arztrechnung kommentarlos bezahlt.

Eine Notfallnummer für alles

Nach fast drei Monaten Rückenschmerzen reicht es mir und ich buche noch für denselben Tag einen Online-Termin. Der Medgate-Arzt meldet sich jedoch fast zwei Stunden zu spät. Ich verpasse den Anruf – ein Rückruf ist nicht möglich. Bei einem erneuten Anruf an die Notrufnummer ist die Frau am Telefon hörbar genervt, weil es einige Probleme gibt. Sie murmelt etwas von einer Umstellung. Sei diese durch, werde alles besser. Gewisse Funktionen in der Medgate-App – wie Rezepte bestellen – haben bei mir aber auch noch nie funktioniert.

So rechtfertigt sich Sanitas

Blick konfrontierte Sanitas mit den Telmed-Problemen bereits im August. Damals hiess es, eine steigende Nachfrage führe bei Chat-Anfragen derzeit zu längeren Wartezeiten. Auf die erneute Anfrage hin verweist Sanitas auf ihren Partner Medgate, der für die telemedizinische Betreuung der Kundschaft zuständig ist. Sowohl Medgate als auch Sanitas berufen sich nun auf eine Umstellung des IT-Systems bei Medgate. Mitte September führte die Online-Arztpraxis ein neues System ein – auch für alle Krankenversicherer. Dadurch sollen Patientinnen und Patienten in Zukunft effizienter betreut werden können. Die Umstellung ist jedoch laut Medgate «eine Operation am offenen Herzen». Es könne einige Zeit dauern, bis alle Prozesse wieder in gewohntem Tempo laufen. Dringende medizinische Fälle hätten Priorität. Für die temporäre Abschaltung des Chats entschuldigt sich Medgate, bei der 140 Ärztinnen und Ärzten arbeiten. Besserung soll auch eine gross angelegte Ärzte-Rekrutierungskampagne bringen, um die Erreichbarkeit zu steigern.

Blick konfrontierte Sanitas mit den Telmed-Problemen bereits im August. Damals hiess es, eine steigende Nachfrage führe bei Chat-Anfragen derzeit zu längeren Wartezeiten. Auf die erneute Anfrage hin verweist Sanitas auf ihren Partner Medgate, der für die telemedizinische Betreuung der Kundschaft zuständig ist. Sowohl Medgate als auch Sanitas berufen sich nun auf eine Umstellung des IT-Systems bei Medgate. Mitte September führte die Online-Arztpraxis ein neues System ein – auch für alle Krankenversicherer. Dadurch sollen Patientinnen und Patienten in Zukunft effizienter betreut werden können. Die Umstellung ist jedoch laut Medgate «eine Operation am offenen Herzen». Es könne einige Zeit dauern, bis alle Prozesse wieder in gewohntem Tempo laufen. Dringende medizinische Fälle hätten Priorität. Für die temporäre Abschaltung des Chats entschuldigt sich Medgate, bei der 140 Ärztinnen und Ärzten arbeiten. Besserung soll auch eine gross angelegte Ärzte-Rekrutierungskampagne bringen, um die Erreichbarkeit zu steigern.

Darauf ruft mich der Arzt nochmals an. Mit leiser Flüsterstimme beantworte ich zwischen Passagieren im Zug zehn Minuten lang Fragen zu persönliche Daten und meiner Krankheitsgeschichte. Wie Fragen zum Wasserlassen, die man eigentlich lieber nicht mit dem Zugnachbarn teilen möchte. Schlussendlich solle ich nochmals zum Hausarzt gehen. Diesem hätte ich wohl besser direkt angerufen, als einen ganzen Tag zu verplempern und peinliche Fragen im Zug zu beantworten. Mein Hausarzt schickt mich darauf in die Physiotherapie. Das muss ich der Kasse auch wieder über die Notrufnummer melden, was meiner Meinung nach überhaupt keinen Sinn macht.

Mein Fazit des Ganzen: Die Idee des Telmed-Modells finde ich immer noch super – deshalb will ich diesem auch treu bleiben. Mit der Umsetzung bei der Sanitas hapert es jedoch – vor allem im Chat und bei Online-Terminen. Zudem steigen die Prämien auch nächstes Jahr wieder. Deshalb heisst es für mich Ende Jahr: Tschüss, Sanitas!

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