Schweizer Aviatik-Experten schiessen gegen Emirates
«Neuer Superjumbo wäre verrückt – muss das wirklich sein?»

Ein neuer Superjumbo soll als A380-Ersatz her – doch ergibt das auch Sinn? Blick hat mit zwei Schweizer Aviatik-Experten über das mögliche XXL-Flugzeug gesprochen, auf das die Airline Emirates drängt.
Kommentieren
1/5
Emirates fliegt derzeit mit 116 A380-Maschinen rund um die Welt. Ab 2040 brauchen sie einen Ersatz.
Foto: Sven Thomann

Darum gehts

  • Emirates fordert neuen Superjumbo als A380-Ersatz, Experten skeptisch
  • Geopolitische Verschiebung: Wachstumsmarkt in China, Indien und Pazifikraum
  • A380-Produktion 2021 eingestellt, nur Emirates drängt auf neues Grossflugzeug
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
RMS_Portrait_AUTOR_209.JPG
Nicola ImfeldTeamlead Wirtschaft-Desk

Die Ansage von Emirates-Chef Tim Clark (76) ist klar und deutlich: «Der A350-1000 ist zu klein als Ersatz für den A380. Wir brauchen etwas Grösseres!» Die Golf-Airline verlangt von Airbus und Boeing nichts weniger als ein neues Mega-Flugzeug – grösser als alles, was Airbus oder Boeing heute anbieten oder in Zukunft zu entwickeln gedenken.

Emirates braucht ein neues XXL-Modell, weil der A380 ab den frühen 2040er-Jahren ausläuft und die Wüsten-Airline weiterhin die Kapazitäten ausbauen will. Ein schwieriges Unterfangen, weil an den grossen Airports dieser Welt kaum neue Slots in Sicht sind. Wie realistisch ist ein neuer Superjumbo? Und wie sinnvoll ist das eigentlich? Blick hat mit zwei Aviatik-Experten in der Schweiz gesprochen. 

«Völlig aus der Zeit gefallen»

«Ein neuer Superjumbo wäre verrückt – muss das wirklich sein?» Hansjörg Egger (73) ist definitiv kein Fan von neuen Giga-Projekten. Er findet Investments in einen ökologischeren Flugbetrieb und einen höheren Reisekomfort sinnvoller, wie der angesehene Aviatik-Kenner gegenüber Blick sagt. «Wieder komfortabel fliegen können, statt in Sardinenbüchsen!» Die Grundfrage, die Egger aufwirft: «Muss Fliegen wirklich immer günstiger werden?» Denn Emirates will mit einem XXL-Flugzeug natürlich auch im Preissegment attraktiv bleiben. 

Hinzu kommt für Egger eine geopolitische Verschiebung, die in der Debatte oft vergessen gehe: Der Wachstumsmarkt der Zukunft liege nicht in Europa, sondern in China, Indien und im Pazifikraum. Von Hubs wie Dubai, Doha oder Istanbul aus werde der Verkehr aus Europa gebündelt und mit den aktuell grossen Maschinen in Mega-Städte wie Shanghai oder Tokio weiterverteilt. «Da ist die Regulierung noch nicht so restriktiv wie in Europa und man hat grosse Kapazitäten. Es herrscht viel Nachholbedarf und es gibt eine riesige Nachfrage, während man den Luftverkehr in Europa immer mehr eindämmen will», sagt Egger. Gleichzeitig boomen Ultralangstrecken wie jene von Singapore Airlines oder Qantas. In dieser globalen Dynamik, so Egger, sei ein nochmals grösseres Flugzeug nicht nur unnötig – sondern völlig aus der Zeit gefallen.

«Wirtschaftlich sinnvoll, aber ...»

«Der Übertourismus ist jetzt schon ein Problem. Überall in den Warmwasserdestinationen beklagen sich die Einwohner mit Recht über einen Massentourismus und es werden teils rigorose Massnahmen ergriffen, um den Ansturm zu bekämpfen», so Egger. Ein neuer Superjumbo wäre deshalb keine wünschenswerte Entwicklung. «Es wird zwar vorgegaukelt, dass man mit grösseren Flugzeugen die Flugbewegungen einschränken könnte. Die Erfahrung zeigt das Gegenteil», führt der Experte aus. Es gebe in Zukunft aber keinen einzigen Flug weniger. «Es werden einfach grössere Massen an Touristen befördert – mit den entsprechenden Konsequenzen auf den Flughäfen und an den Bestimmungsorten.

Für den Aviatik-Experten und ETH-Fluglehrer Peter Wild (56) ist der Wunsch nach einem neuen Superjumbo zwar nachvollziehbar – aber nur aus Sicht weniger Airlines. Der A380 sei pro Sitzplatz tatsächlich günstiger zu betreiben als kleinere Jets. «Aber eben nur, wenn man das Flugzeug auch füllen kann», betont Wild. Deshalb funktioniere der Riesenjet einzig auf extrem stark nachgefragten Strecken wie Dubai–London oder Dubai–Sydney. Sobald die Nachfrage einbreche, werde das Modell sofort unprofitabel – ein Risiko, das viele Airlines schlicht nicht tragen wollen.

«Wer hat den Grössten?»

Dass Airbus 2021 die Produktion des A380 eingestellt hat, ist gemäss dem Aviatik-Experten deshalb kein Fehler gewesen. Vier Triebwerke seien teurer im Betrieb und Unterhalt, die Entwicklung stamme aus den 1980er-Jahren und ausser Emirates gebe es kaum Airlines, die ein noch grösseres Flugzeug wirklich wollen. Darum sieht Wild auch keine realistische Chance, dass Airbus oder Boeing ein neues Mega-Modell entwickeln: «Airbus lehnt eine A380neo-Neuauflage wegen hoher Kosten und fehlender Nachfrage ab, Boeing setzt klar auf die 777X. Nur Emirates drängt auf ein neues Grossflugzeug – und das reicht für einen Milliardenentscheid nicht aus.»

Aviatik-Experte Egger fasst es so zusammen: «Es ist halt auch eine Prestigeangelegenheit und ein Wetteifern bei den Wüsten-Airlines. Wer hat den Grössten? Umweltfragen stehen da nicht an erster Stelle.»

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.
Was sagst du dazu?
Heiss diskutiert
    Meistgelesen