Darum gehts
- Schneemangel bedroht Skigebiete in tiefen Lagen vor Weihnachten
- In hohen Lagen dürfte ein Gästeansturm auf ein reduziertes Angebot treffen
- Experten diskutieren Kapazitätsbeschränkungen für überfüllte Skigebiete
- Jungfrau Region hat Obergrenze von 17'800 Personen, wurde bisher nie erreicht
Kurz vor Weihnachten ist für viele Skigebiete in tiefen Lagen bereits klar: Passiert kein Wunder, fällt der Start in die Festtage ohne Skigäste am Berg aus. In den Waadtländer und Freiburger Alpen sieht es schneetechnisch düster aus. Auch in einigen Skigebieten in der Zentral- und Ostschweiz werden Gäste an Weihnachten mit Wandern vorliebnehmen müssen.
Viele Wintersportfans werden in höhere Destinationen ausweichen. Doch auch dort ist die Zahl der offenen Skipisten fast überall eingeschränkt – zum Teil gar deutlich. Kommt es in diesen Skigebieten zu einem Gästeansturm, drohen chaotische Zustände wie am letzten Wochenende im Val Gardena (I) in den Südtiroler Dolomiten. Die Gäste mussten stundenlang am Lift anstehen und verschafften ihrem Ärger in Videos und Posts in den sozialen Medien Luft.
Bergbahnen droht ein Shitstorms
Einen solchen Ärger wünscht sich keine Destination: Sollten Schweizer Skigebiete vor Weihnachten also Kapazitätsbeschränkungen einführen? Das sei viel zu kurzfristig, sagt Tourismus-Experte Christian Laesser (62) von der Universität St. Gallen. «Eine solche Massnahme muss lange im Voraus kommuniziert werden. Die Gäste müssen sich daran gewöhnen, ansonsten droht ein Shitstorm.»
Laesser ist jedoch nicht grundsätzlich gegen die Idee: «Langfristig und geplant wäre das eine Kapazitätsbeschränkung durchaus überlegenswert.» Mit einer Obergrenze erhält das Angebot eine gewisse Exklusivität. Für gewisse Gästegruppen müsse der Zugang zudem garantiert sein. Eine Destination kann es sich nicht erlauben, wenn Hotelgäste nicht auf die Skipiste dürfen.»
Als die Skipisten in Val d'Anniviers und Anzère überrannt wurden
Auch Tourismusexperte Roland Schegg (62) von der Hochschule HES-SO Valais-Wallis kann einer Gästeobergrenze in bestimmten Fällen etwas abgewinnen: «Ist ein Gebiet für Tagesgäste gut erreichbar, kann eine Begrenzung Sinn machen, damit die Gäste ein schönes Erlebnis haben.»
Wie unschön ein Wintersporterlebnis werden kann, haben viele Skifahrer im Winter 2022/2023 erlebt: Damals mussten viele Skigebiete im Frühjahr wegen Schneemangels schliessen. «Viele Magic-Pass-Inhaber sind dann in andere Skiorte ausgewichen. Skigebiete wie Val d'Anniviers oder Anzère wurden überrannt», erzählt Schegg. Das könnte sich über die Festtage wiederholen: «In einigen Skigebieten wird es wieder einen Ansturm geben», ist er überzeugt.
Dabei leidet nicht nur der Fahrspass. «Sind in den Ausweichgebieten ebenfalls weniger Pisten offen, steigt auch die Unfallgefahr», so Schegg. In Situation wie der aktuellen könne eine Obergrenze helfen. Sie müsse jedoch richtig kommuniziert werden.
Jungfrau Region kommt Gästelimit
Ein Profiteur der aktuellen Lage könnten auch schneesichere Skigebiete im Berner Oberland werden: Die Region verfügt über ein grosses urbanes Einzugsgebiet. Interessanterweise gibt es genau hier ein Gebiet, das tatsächlich eine Obergrenze kennt: In der Jungfrau Region gilt im Gebiet Grindelwald–Wengen eine Limite von maximal 17'800 Personen. «Man kam in der Jungfrau Ski Region trotz Rekordzahlen in den letzten Wintern nie nur annähernd an diese Grenze», schreibt eine Mediensprecherin auf Anfrage.
In der Jungfrau Region sind derzeit rund die Hälfte der Pistenkilometer offen. Eine reduzierte Obergrenze sei deshalb aber kein Thema. Man informiere die Gäste transparent über die Bedingungen. «Engpässe kann es punktuell geben, wenn viele Gäste gleichzeitig an- oder abreisen», so die Mediensprecherin. Zudem könnten dank der gut ausgebauten technischen Beschneiung bis zu den Feiertagen noch weitere Pisten bereit sein.
Das sagt der oberste Seilbahnchef
Berno Stoffel (55), Direktor von Seilbahnen Schweiz, hält die Einführung einer Zutrittsbeschränkung in Skigebieten für unnötig. «Die Schneesituation wird sicher zusätzliche Gäste in höheren Lagen treiben. Liegt eher wenig Schnee, bleiben dort aber tendenziell einige Gäste aus der Region daheim.» Zudem gebe es Faktoren wie die Verkehrssituation oder die Zahl der verfügbaren Parkplätze, welche den Gästestrom limitieren.
Mit Blick auf die Gästezahlen starten die richtig starken Tage ab dem 26. Dezember. «Bis dahin kann sich die Situation noch ändern. Es werden kühlere Temperaturen prognostiziert», sagt Stoffel. «Da können womöglich weitere Pistenkilometer beschneit werden.»