Darum gehts
- Die SBB plant Landenteignung der Gasser AG in Dagmersellen für einen Gleisausbau
- Billigtankstellen-Betreiber Markus Gasser sucht seit Jahren nach Lösungen mit den SBB
- Gasser will auch weiter in seinen Recycling-Hof investieren, doch es fehlt die Rechtssicherheit
«Wann?» – und zweimal «Wie viel?»: Diese Fragen treiben Markus Gasser (57) seit Jahren um, rauben ihm den Schlaf. Gasser ist ein erfolgreicher Unternehmer in Dagmersellen LU. Hier verkauft er Natursteine im grossen Stil, bietet den weit herum billigsten Dieseltreibstoff an und betreibt einen grossen Entsorgungs- und Recyclinghof – das inzwischen wichtigste Standbein der Firma.
Schuld an den Fragen, die Gasser plagen, sind die SBB. Denn der Staatsbetrieb plant in Dagmersellen Grosses – auf Gassers Kosten.
Das 26’000 Quadratmeter grosse Betriebsgelände der Gasser AG liegt direkt an der Eisenbahnlinie Olten–Luzern. Das Areal hat die Firma vor rund 30 Jahren erworben und seither kontinuierlich weiterentwickelt. Auch im Einvernehmen mit der Nachbarin SBB. «Bereits 1999 haben wir ein Stück Land an die Bahn abgetreten und einen fairen Preis dafür erhalten», sagt Gasser im Gespräch mit Blick. 2014 erhält der Unternehmer ein sogenanntes Näherbaurecht und kann somit bis an die Bahngeleise bauen.
Nach einer «Trotzphase» wehrt sich Gasser
Dort steht er jetzt stolz auf seiner vollautomatischen Blechsortieranlage, die Alu- von Konservendosen trennt. Es rumpelt und scheppert, der Lärm ist bisweilen ohrenbetäubend. Deshalb beschloss Gasser vor drei Jahren, die Anlage zu überdachen. Er reichte ein Baugesuch ein – und erfuhr nur deshalb, dass die SBB erneut Land von ihm enteignen wollen.
Der Unternehmer ist konsterniert: «Die SBB erklärten: Das Näherbaurecht hast du, aber nicht das Land.» Das Problem: Dagmersellen ist ein Knotenpunkt der Logistikbranche, die SBB brauchen ein zusätzliches Geleise, um den Ort mit Güterzügen besser anfahren zu können. Doch auch Gasser braucht sein Land, das Gelände ist bis auf den letzten Quadratmeter gut genutzt.
Nach einer «halbjährigen Trotzphase», wie er es nennt, begann Gasser, nach Lösungen zu suchen. Er entschloss sich, einen Teil des Geländes in die Vertikale zu verlagern, eine neue, mehrstöckige Halle zu planen. «Das Projekt würde uns rund 16 Millionen Franken kosten», so Gasser. Eine grosse Investition für den Betrieb mit 40 Angestellten.
Es braucht eine Lösung
Der Unternehmer ging auf die SBB zu, versuchte, ein Einvernehmen zu finden – und wurde immer wieder vertröstet. Die drei W-Fragen drängten in seinen Kopf: Wann entscheiden die SBB endlich, wie viel Land sie enteignen – und wie viel Geld sind sie bereit, dafür zu bezahlen?
Den Platzbedarf der SBB anerkennt Gasser zwar, doch er will endlich eine verbindliche Lösung auf dem Tisch. Denn auch die von der Bahn beanspruchte Fläche ändert sich im Laufe des Verfahrens. «Es ist eine totale Sauerei», echauffiert sich Gasser. «Seit über zwei Jahren bin ich wegen der SBB in der Weiterentwicklung meiner Firma blockiert.»
Gasser steht im ersten Stock des Bürogebäudes neben einem Modell der neuen Halle, schüttelt mehrmals den Kopf: «Ich kann doch nicht so ein Projekt stemmen, wenn ich keine Lösung mit der Eisenbahn habe.»
Als die SBB zum ersten Mal Land von der Gasser AG enteigneten, bezahlten sie 240 Franken pro Quadratmeter, jetzt seien sie nur noch bereit, 180 Franken zu bezahlen, so Gasser. 60 Franken weniger als 1999! Dabei kennen die Landpreise in der Schweiz seit Jahrzehnten nur eine Richtung: nach oben.
Auf Anfrage von Blick schreibt die Medienstelle der SBB, ohne auf den konkreten Fall einzugehen: «Wir halten uns an das Bundesgesetz über die Enteignung. Dieses lässt eine Enteignung nur gegen volle Entschädigung zu. Bei Grundstücken wird der regionale Verkehrswert ermittelt, den die Enteignerin bezahlen muss.»
Unterschiedliche Planungshorizonte
Der Knackpunkt: «Wir müssen den Schaden nachweisen, der uns durch die Enteignung entsteht», sagt Gasser. «Darüber gibt es sehr grosse Differenzen.» Inzwischen wollen die SBB gar nicht mehr über Geld reden, wie Gasser Anfang September erfuhr. Worauf Gasser eine für letzte Woche anberaumte Sitzung platzen liess.
Als Unternehmer denkt Gasser in Jahren, die SBB dagegen in Jahrzehnten. Das neue Gleis ist Teil des Angebotskonzepts 2035 der Bahn. So lange kann Gasser nicht warten: «Ich kann nicht investieren, wenn ich nicht weiss, was kommt.»
Vonseiten der SBB heisst es dazu: «Wir können die Sorgen und die damit verbundene Unsicherheit gut nachvollziehen – gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten ist Verlässlichkeit ein zentraler Faktor.»
Doch alles Verständnis für seine Situation nützt Gasser nichts, wenn nicht bald eine Lösung auf dem Tisch ist. Damit der Unternehmer in die Zukunft seiner Firma und der Jobs investieren kann: «Alle reden nur über die Zölle und Amerika. Doch niemand redet darüber, dass eine florierende Firma von einem Bundesbetrieb im Regen stehen gelassen wird», bringt Gasser seine Enttäuschung auf den Punkt.