Reiche Schweizer setzen auf Luxus, der Spass macht
Lieber Motorboot als Ferienvilla

Die Nachfrage für Motorboote auf Schweizer Seen steigt ungebremst. Dabei steht der Spass mehr im Vordergrund als das Prestige. Deshalb bieten See-Jachts mehr als Ferienimmobilien an der Uferlinie.
Publiziert: 17.06.2023 um 12:41 Uhr
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Aktualisiert: 16.01.2024 um 14:24 Uhr
Eine fast zwanzig Meter lange Sunseeker Manhattan 60 fährt auf dem Vierwaldstättersee. Für die Verlegung der Jacht vom Meer in Frankreich an den See in der Schweiz war ein Schwertransport mit Sonderroute nötig.
Foto: ZVG, «Sunseeker»
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Roberto Stefano
Handelszeitung

Wer eine Greenline 48 Fly besteigt, wähnt sich in der Luxussuite eines vornehmen Grandhotels: Viel Holz und Leder in warmen Farbtönen prägen das komfortable Interieur und vermitteln sogleich ein erhabenes Wohlgefühl. Dieser Eindruck wird verstärkt durch eine stilvolle Lounge, eine Küche mit Bar und Barbecuegrill sowie alle Annehmlichkeiten für das leibliche Wohl bis hin zum Weinkühler. Die Hauptkabine, die sich über die gesamte Breite des Schiffes erstreckt, besticht mit einem extragrossen Bett, einem dezenten Lichtkonzept, hohen Kleiderschränken und einem eigenen Badezimmer. Dank den geräumigen Gästekabinen – ebenfalls mit separaten Bädern ausgestattet – und viel Platz für die eigenen Habseligkeiten spricht die Hybridmotorjacht mit einer Gesamtlänge von 15,44 Metern nicht nur Paare an, sondern auch grössere Familien. Ein weiteres Highlight: Vom geräumigen, lichtdurchfluteten Salon mit seiner 360-Grad-Rundumsicht bietet sich einem ein einmaliger Blick auf die Weite des Sees.

Die Idylle und der Luxus haben ihren Preis. Für eine Jacht im Stile der Greenline werden schnell einmal 900’000 Franken fällig – oder auch deutlich mehr. Im Vergleich zu einer Ferienvilla mit Seeanstoss in der Schweiz hört sich der Wert dagegen schon fast bescheiden an. Die Vorzüge eines schwimmenden Eigenheims scheinen hierzulande denn auch immer mehr Leute zu entdecken. Und sie wollen dabei nicht vor Monaco oder Saint-Tropez ankern, sondern lieber in den nahen, heimischen Gewässern.

Der Grund dafür ist einfach: «Häufig handelt es sich bei diesen Kundinnen und Kunden um Geschäftsleute mit einem begrenzten Zeitbudget», erklärt Yves Bosshart, Geschäftsführer des Bootsdienstleisters Pro Nautik mit Sitz in Romanshorn. Die Eigentümerinnen und Eigentümer wollen ihre Jachten regelmässig nutzen, die Wochenenden mit der Familie auf dem See verbringen, und sie schätzen deshalb eine kurze Anreisezeit. «Vielfach haben die Kinder bereits den Nachmittag an Bord verbracht, bevor am Abend das letzte Familienmitglied dazustösst und sie anschliessend zusammen auf den See hinaus schippern», weiss Bosshart. Bei den Käufern und Käuferinnen handle es sich zumeist um vermögende Wassersportfans oder Privatpersonen, die eine angenehme und ruhige Zeit auf dem Wasser verbringen wollen. Das Prestige, das gemeinhin mit dem Besitz einer Jacht verbunden wird, stehe dabei viel weniger im Vordergrund als die regelmässige Nutzung des Bootes. «Wer nur auf Anerkennung aus ist, entscheidet sich eher für ein Schiff auf dem Meer», sagt er.

Artikel aus der «Handelszeitung»

Dieser Artikel wurde erstmals in der «Handelszeitung» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.handelszeitung.ch.

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Motorboote sind gesucht

Tatsächlich hat die Zahl der Motorboote auf hiesigen Gewässern in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Mit ein Grund war die Corona-Pandemie, die in der Branche zu einem regelrechten Boom geführt hat, der bis heute anhält. Waren 2014 – nach der jüngsten Harmonisierung der Zahlen über sämtliche Kantone – laut dem Bundesamt für Statistik noch 61’573 Boote auf den Schweizer Seen zugelassen, erhöhte sich der Wert seither auf 64’845, was einem Plus von über 5 Prozent entspricht. Limitiert wird das Wachstum hauptsächlich durch die fehlenden Bootsplätze in Häfen oder an Bojen. Diese sind nicht erst seit Corona eine Rarität und Wartezeiten von mehreren Jahren für einen der gesuchten Anlegestellen keine Seltenheit. Ohne diese Begrenzung wäre der Anstieg deutlich höher ausgefallen, davon sind die Expertinnen und Experten überzeugt. Die markante Zunahme bei den Motorbooten erfolgte deshalb hauptsächlich auf Kosten der Segelschiffe, deren Zahl um über 3000 Boote zurückgegangen ist.

Doch die Geduldsprobe fängt heute schon vorher an: Je nach Hersteller und Grösse des Bootes verstreichen zwischen dem Kauf und der Auslieferung des Schiffes mehrere Jahre. Dies ist einerseits dem durch die Pandemie ausgelösten Boom geschuldet, anderseits haben die weltweiten Lieferengpässe die Fristen zusätzlich verlängert. Wer nicht warten will, weicht deshalb auf den Occasionsmarkt aus. Als Folge davon sind hier die Preise in die Höhe geschossen, was teilweise zu überteuerten Angeboten auf dem Markt geführt hat. «Nicht jede Jacht ist den Preis wert, der mittlerweile für sie verlangt wird», erklärt Bosshart.

Luxus als Verkaufsargument

Die langen Wartezeiten von bis zu drei Jahren für eine neue Jacht sind auch bei Renato Hammer, Chef der Hammer-Werft bei Locarno, ein Thema. Dabei hat er vor allem im hochpreisigen Segment ein verstärktes Kaufinteresse festgestellt. «Luxus ist ein wichtiges Verkaufsargument. Die Leute suchen den Komfort», sagt er. Zu seinen Kunden und Kundinnen zählen viele Deutschschweizer gesetzten Alters, manche bereits Eigenheimbesitzerinnen in der Sonnenstube. Sie wollen ihre Wochenenden im Tessin – insbesondere bei schönem Wetter – auf dem Lago Maggiore verbringen. Den gewünschten Luxus dazu bietet etwa eine Absolute Navetta 52 mit einer Länge von knapp 16 Metern, die Hammer für 1,45 Millionen Euro im Angebot hat. «Solche Jachten findet man im Tessin eigentlich nur auf dem Lago Maggiore, die übrigen Gewässer sind dafür zu klein», weiss er. In Zukunft dürften es dort noch etwas mehr werden. 2025 werden bei San Nazzaro 280 heiss begehrte neue Anlegestellen erhältlich sein. Ein Segen für die Hammer-Werft, die angesichts der starken Nachfrage allerdings nur auf fünf bis zehn neue Bootsplätze hoffen kann.

Eine noch grössere Jacht als die Navetta 52 hat Cornelius Kistler vor knapp zwei Jahren auf hiesige Gewässer gebracht. Mit ihrer Länge von 20 Metern und rund 5 Metern Breite sowie einem Preis von gut 2 Millionen Franken überragt die Sunseeker Manhatten 60 die meisten anderen Seeboote in der Schweiz. Für die Verlegung in die Zentralschweiz war ein Schwertransport mit Sonderroute nötig. Nun ankert die Jacht am Vierwaldstättersee – wegen der grossen Bootsplätze und der modernen Werften vor Ort. «Am Ende hängt beim Kauf einer Jacht für die hiesigen Seen vieles vom Liegeplatz ab – und natürlich auch von den eigenen Ansprüchen und dem Vermögen», sagt der Jachtmakler und Gründer von Breezeyachting.swiss. Exemplare wie die Sunseeker Manhatten 60 seien in der Schweiz entsprechend rar. Die grosse Mehrheit der Jachten hätte eine Länge um die 40 Fuss, sprich rund 15 Meter. «Für diese Boote gibt es hierzulande an praktisch jedem See genügend Werften, die sich um die Schiffe kümmern können», sagt Kistler. Voraussetzung sei allerdings auch hier, dass ein Liegeplatz erhältlich ist. Aus diesem Grund versuchen er und viele andere Bootsdienstleister, mit dem Verkauf eines Bootes gleich auch einen Anlegeplatz zu vermitteln.

Flexibilität und Freiheit

Eine Jacht wie die Sunseeker ist ein schwimmendes Ferienhaus – mit einem entscheidenden Unterschied: Zumindest zeitweise ist man an keinen festen Standort gebunden. «Man kann eigentlich ankern, wo man will, und hat gleichzeitig immer die schönste Aussicht auf den See», schwärmt Kistler. Selbst längere Aufenthalte auf dem Boot seien problemlos möglich, wenngleich ein fester Wohnsitz auf einem Schiff hierzulande nicht erlaubt ist. So spiele Prestige bei einzelnen Kunden und Kundinnen zwar durchaus eine Rolle, ist der Bootsmakler überzeugt. Entscheidender sei jedoch die Freude am Wasser, die Leidenschaft für Boote und die damit verbundene Freiheit.

Wer möglichst flexibel unterwegs sein will, sollte dies daher beim Kauf einer Jacht mitberücksichtigen. «Je grösser die Schiffe, desto weniger Gastliegeplätze stehen zur Verfügung», weiss Bosshart von Pro Nautik. Will jemand seine Jacht also hauptsächlich als schwimmendes Ferienhaus nutzen oder kauft sie als Badeinsel oder für den Wassersport, kann er oder sie grösser planen. Andernfalls sollte man sich lieber etwas einschränken, da sonst die Einfahrt in viele kleinere Häfen verunmöglicht ist. Dies gilt unter anderem am Bodensee, der bei den Jachtbesitzern und -besitzerinnen als eigentlicher Campingsee bekannt ist. Dank der grossen Zahl an Gastplätzen lassen sich die unterschiedlichsten Destinationen ansteuern, eine Rundreise von Anlegestelle zu Anlegestelle bringt die gewünschte Abwechslung in die Bootstour. Allerdings gelten in diesem Gewässer auch strengere Abgasnormen. Für eine sogenannte Bodenseezulassung können dadurch zusätzliche Investitionen in die Jachten nötig werden. Einfacher sind die Rundtouren deshalb auf dem Vierwaldstättersee oder auf dem Lago Maggiore, während die Anlegestellen am Genfersee eher auf kleinere Schiffe ausgelegt sind.

Jeder See mit eigener Kultur

«Auch am Zürichsee sind Ausfahrten von Hafen zu Hafen sehr beliebt. Ohnehin verfügt eigentlich jeder See über eine eigene Bootskultur», weiss Björn Hensler, Inhaber und Geschäftsführer der Hensa-Werft in Altendorf am Obersee. Am Vierwaldstättersee seien beispielsweise einige Jachten auch im Winter in Betrieb, damit man von dort aus auf die Skipisten in der Region gelangt. Andernorts werden sie an den Wochenenden eher als Rückzugsort für die Familie genutzt oder seit Corona auch als schwimmendes Boat-Office. Und natürlich sind auch rauschende Partys mit Freunden auf dem See durchaus beliebt – mit einer wichtigen Einschränkung: Zumindest der Kapitän oder die Kapitänin des Schiffs darf beim Alkohol nicht über die Stränge schlagen, muss doch das Boot im Notfall jederzeit beherrscht werden können. «Wie auch immer die Boote am Ende eingesetzt werden: Entscheidend ist, dass sie auch tatsächlich genutzt werden», ist Hensler überzeugt.

Mit gutem Grund, denn die Nebenkosten einer Jacht sind nicht zu unterschätzen. Allein für den Unterhalt des Bootes, regelmässige Wartungsarbeiten, das Überwintern an Land in einer Werft oder die Miete einer Anlegestelle können schnell einmal 5 bis 8 Prozent des Anschaffungswertes anfallen. Hinzu kommen, je nach Nutzungsweise, die Kosten für den Treibstoff.

Diese Auslagen sind allerdings schnell vergessen, wenn man, hoch oben auf der Flybridge bei einer angenehmen Brise, auf den See ausläuft und dabei den Sonnenuntergang aus der allerersten Reihe geniessen kann.

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