Profiteure der Tiefzinspolitik
Bund kassiert dank Negativzinsen 388 Millionen Franken

Sparer sind die Verlierer der anhaltenden Tiefstzinsen. Doch es gibt auch Gewinner: Bundespräsident Ueli Maurer und die Eidgenössische Finanzverwaltung.
Publiziert: 19.10.2019 um 23:29 Uhr
Konservative Sparer sind unbestritten die Verlierer der anhaltenden Tiefstzinspolitik.
Foto: Keystone
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Thomas SchlittlerWirtschaftsredaktor

Im Dezember 2014 gab die Schweizerische Nationalbank die Einführung von Negativzinsen bekannt. Seitdem leben wir in einer anderen Welt: Wer Geld verleiht, soll den Kreditnehmer dafür bezahlen, dass er das Geld entgegennimmt, Schuldner werden fürs Schuldenmachen finanziell entschädigt.

Das Bankkonto von Otto Normalsparer wird zwar noch nicht durch Negativzinsen belastet. In Zukunft könnte sich das aber ändern. Diese Woche gab die Credit Suisse bekannt, dass sie für hohe Frankenguthaben vermögender Privatkunden Negativzinsen einführt. Die UBS hatte bereits im Sommer angekündigt, ab November auf Franken-­Barbeständen von mehr als zwei Millionen einen Negativzins von ­minus 0,75 Prozent einzuführen.

Konservative Sparer sind unbestritten die Verlierer der anhaltenden Tiefstzinspolitik. Doch es gibt auch Gewinner. Einer davon ist Bundespräsident Ueli Maurer (68). Der Finanzminister profitiert davon, dass der Bund für seine Schulden immer weniger Schuldzinsen bezahlen muss.

Staatsschulden kosten weniger

2006, als die Schulden der Schweiz ihren Höchststand erreichten, bezahlte der Bund vier Milliarden Franken an Schuldzinsen. 2018 mussten dafür «nur» noch 1,1 Milliarden Franken ausgegeben werden.

Philipp Rohr, Sprecher der Eidgenössischen Finanzverwaltung (EFV): «Rund ein Drittel dieser Einsparungen sind nachhaltig und lassen sich durch den Schuldenabbau erklären. Zwei Drittel sind dem kontinuierlich gesunkenen Zinsniveau geschuldet.»

Damit nicht genug: Mittlerweile nimmt der Bund, indem er Schulden macht, Jahr für Jahr Millionen ein. Die Finanzverwaltung hat auf Anfrage von SonntagsBlick eine entsprechende Zusammenstellung erstellt. Unter dem Strich hat Bern in den vergangenen Jahren durch Negativzinsen 388 Millionen Franken eingenommen.

Überraschend: Bereits 2011 kassierte der Bund dank Negativzinsen elf Millionen Franken – lange bevor die Nationalbank Negativzinsen eingeführt hat. Philipp Rohr von der Finanzverwaltung erklärt: «Wir emittieren wöchentlich sogenannte Geldmarktbuchforderungen mit einer Laufzeit von drei, sechs und zwölf Monaten. Diese rentieren seit August 2011 negativ.» Der Bund hat also bereits damals Anleger gefunden, die bereit waren, ihm fürs Aufbewahren von Geld Zinsen zu zahlen.

Was ebenfalls erstaunt: Die bisher höchsten Einnahmen durch ­Negativzinsen verbuchte der Bund mit 79 Millionen im Jahr 2017. Seitdem gehen die Einkünfte aus Negativzinsen wieder leicht zurück: 2018 waren es 64, im ersten Halbjahr 2019 rund 30 Millionen Franken.

Wie das kommt? Rohr: «Erstens war in den Jahren 2016 und 2017 das ausstehende Volumen an Geldmarktbuchforderungen höher als in den Jahren 2018/2019. Und zweitens war die erzielte Rendite aufgrund der grösseren Nachfrage in diesen Jahren etwas negativer.» Will heissen: 2017 liessen sich mehr Anleger finden als heute, die bereit waren, den Bund fürs Schuldenmachen zu bezahlen.

Finanzverwaltung: «Wir profitieren»

Bleibt die Frage: Sind die Negativzinsen für Bern ausschliesslich ein Grund zur Freude? Oder gibt es auch negative Folgen? Finanzverwaltungssprecher Rohr: «Als grosser Schuldner profitieren wir natürlich grundsätzlich vom sinkenden und rekordtiefen Zinsniveau.» Die tiefen Zinsausgaben würden zudem den Spielraum für Ausgaben in anderen Aufgabengebieten er­höhen.

Die Medaille habe aber auch eine Kehrseite: «Das aktuelle Zinsniveau ist nicht zuletzt Ausdruck der ausserordentlichen geldpolitischen Massnahmen, um den starken Franken zu bekämpfen und eine deflationäre Spirale zu verhindern. Eine Normalisierung des Zinsniveaus wäre ein Zeichen, dass die Frankenstärke überwunden und die Volkwirtschaft wieder zurück auf einem nachhaltigen Wachstumspfad ist.»

Die Finanzverwaltung würde deshalb die Rückkehr zu einem ­positiven Zinsumfeld bevorzugen – auch wenn dies für den Bund mit höheren Zinskosten verbunden wäre.

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