Darum gehts
Der Preisüberwacher warnt vor einem Zurückdriften in die alte Kartellschweiz. Der Liberalismus habe es schwieriger als auch schon, sagt Stefan Meierhans im Interview mit der Handelszeitung. Dass man gleichzeitig den Einkaufstouristen das Leben schwer mache, hält er für einen Fehler. «Diese Stimmung gegen den Einkaufstourismus empfinde ich als zutiefst unliberal.»
Im Interview sagt Meierhans, wie er gegen die Gebühren von Twint vorgehen will und wie er sich dabei mit der Wettbwerbskommission abspricht, um das maximale Ergebnis zu erzielen. Meierhans plädiert dafür, die Bezahlapp den Transparenz-Vorschriften zu unterstellen, die vor kurzem im Parlament beschlossen wurden.
Mit bald 17 Jahren ist Meierhans so lange im Amt wie keiner seiner Vorgänger. Und er zeigt noch keine Ermüdungserscheinungen. Im Gegenteil. Im Gespräch mit der Handelszeitung erklärt der Ostschweizer, warum er der Meinung ist, dass er seine Arbeit heute so gut machen kann, wie noch nie.
Herr Meierhans, wohin gehts in die Sommerferien?
Nach Frankreich.
Haben Sie das Hotel schon gebucht?
Wir haben eine Wohnung gebucht. Aber das habe nicht ich gemacht, sondern meine Frau.
Und lief die Buchung über die böse Plattform?
Nein. Ich nehme an, Sie spielen auf Booking.com an, bei der wir vor kurzem eine Senkung der Buchungsgebühren um knapp 25 Prozent verordnet haben. Booking ist nicht böse, die Plattform macht viel Gutes. Sie hat bloss zu hohe Gebühren.
Der Eingriff bei Booking wurde auch international beachtet. Was legitimiert einen so starken Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit eines Unternehmens?
Das Gesetz. Voraussetzungen sind die Marktmacht eines Unternehmens und der Fakt, dass die Preise nicht Ergebnis eines wirksamen Preiswettbewerbs sind. Ich bin klar der Meinung, dass hier beide Elemente erfüllt sind. Vorgeschrieben ist zudem, dass wir vorab ein Gutachten bei der Wettbewerbskommission einholen, und auch das ist hier geschehen.
Und wie kommt Monsieur Prix nun zur Einsicht, wo ein korrekter Preis liegt?
Auch da halten wir uns ans Gesetz. Das kennt zwar kein Betty-Bossy-Rezept dafür, aber es beschreibt Methoden zur Preisfestlegung. Eine davon ist die Kostenmethode, die von den Kosten der Unternehmen ausgeht und darauf einen vom Gesetz als angemessen betrachteten Gewinn schlägt. Das erprobte methodische Arsenal haben wir auch im Fall Booking eingesetzt.
Ist Booking derzeit Ihr grösstes Geschäft?
Es kommt darauf an, wie man das anschaut. Booking ist spannend, weil es da um eine grosse Internetplattform geht, und diese Plattformen sind zunehmend ein Thema für den Preisüberwacher, weil sie ein neues Phänomen sind und zugleich volkswirtschaftlich bedeutend. Wir haben dieses Jahr aber zum Beispiel auch eine einvernehmliche Regelung mit den SBB geschlossen zu den Sparbilletten, was sicher viele Schweizer und Schweizerinnen betrifft.
Wozu bekommen Sie die meisten Zuschriften?
Die Internet-Plattformen sind sicher in den Top 3. Ansonsten gehören der öffentliche Verkehr und die Energie zu den Standardthemen. Und natürlich die Kosten im Gesundheitswesen – ein Evergreen.
Sie haben die SBB dazu verdonnert, mehr Geld über Sparbillette an die Kundschaft zurückzugeben. Die SBB verkaufen nun eine gängige Marketingmassnahme einfach grosszügig als Preissenkung.
Ich sehe die Preissenkungen über Sparbillette durchaus als Win-win-Lösung für beide Seiten. Am Ende interessiert mich nur das Resultat. Wenn ich sehe, dass mir ein Grosi aus dem Berner Oberland schreibt, es könne dank diesen Rabatten nun seine Enkelkinder öfter besuchen, dann habe ich nichts gegen eine Win-win-Lösung. Und wenn die Branche auch etwas davon hat, ist es einfacher, eine einvernehmliche Lösung zu finden.
Sind Sie da nicht etwas naiv? Sie sagen: Die SBB geben 100 Millionen zurück. Dabei hätten diese die Rabatte vielleicht eh gegeben, um einen halb leeren Interregio zwischen Basel und Olten auszulasten.
Ich kenne diesen Interregio, der ist selten halb leer.
Aber letztlich müssen Sie da den SBB einfach glauben.
Wir verlangen selbstverständlich auch Zahlen. Aber wir können natürlich nicht abschliessend abschätzen, wie sehr es durch diese Massnahmen zu an sich erwünschtem Mehrverkehr kommt – gerade im Freizeitverkehr. Untersuchungen gehen davon aus, dass zum Beispiel ein Drittel aller Sparbillett-Kunden ohne Rabatt die Fahrt nicht oder mit dem Auto angetreten hätte. Letztlich gibt es ja auch einen Auftrag des Parlaments, Anreize für den öffentlichen Verkehr zu fördern. Wenn wir dazu einen Beitrag leisten können, dann haben am Ende alle etwas davon.
Ein ewiges Thema sind die Händlergebühren für Debitkarten. Sie haben gerade mit dem grössten Zahlungsabwickler Wordline eine Gebührensenkung vereinbart. Wie marktmächtig ist Worldline in diesem Geschäft?
Wir gehen davon aus, dass Wordline marktmächtig, wenn nicht sogar marktbeherrschend ist. Die Frage ist immer, wie viele Alternativen Sie als Händler haben. Auf Kartenzahlungen kann heutzutage keiner mehr verzichten, also stellt sich höchstens die Frage nach alternativen Anbietern. Und da gibt es nicht allzu viele. Gemäss Rechtsprechung wird jemand als marktbeherrschend vermutet, dessen Marktanteil über 50 Prozent liegt. Da ist Worldline weit darüber.
Worldline ist nicht zuletzt so marktmächtig, weil die Vorgängergesellschaft SIX 2017 ihre Konkurrentin Aduno übernehmen durfte. War das ein Fehlentscheid?
Das war ein Weko-Entscheid. Und da ich selber beratend Teil der Weko bin, möchte ich mich zu dieser Frage nicht äussern. Ich habe das damals in den Beratungen getan.
Ein Ärgernis für viele Händler sind die Interchange-Gebühren, die an die Kartenherausgeber fliessen. Das Parlament hat Vorstösse abgeschmettert, diese zu begrenzen, und bloss Transparenzvorschriften beschlossen. Bringen diese etwas, oder wollte das Parlament nur so tun, als sei es nicht gänzlich untätig?
Ich würde nie Ihre Worte verwenden, denn das wäre ja eher frech gegenüber dem Parlament. Aber man kann sich schon fragen, ob Preistransparenz in einem Markt etwas bringt, der nicht voll funktioniert. Keiner kann es sich leisten, Karten von Visa oder Mastercard nicht zu akzeptieren. Auf die Höhe der Interchange hat der Händler keinen Einfluss, und bei der Kartenakzeptanz dominiert Worldline den Markt. Daher bezweifle ich, dass dieses Transparenzgesetz zum Gamechanger werden kann.
Weniger transparent sind die Gebühren von Twint. Könnte man dieses neue Gesetz zumindest so ausformulieren, dass es auch für Twint gilt?
Das muss jetzt der Bundesrat in der Umsetzung entscheiden. Ich wäre sehr dafür, auch Twint dieser Transparenzregel zu unterwerfen und nicht nur die traditionellen Kartenprodukte. Mittlerweile ist Twint als Zahlungsmittel fürs Gewerbe auch sehr wichtig, und bei Twint weiss man noch nicht mal, wie viel an Kommissionen die Herausgeberbanken erhalten.
Interessanterweise wurden diese Interchange- Gebühren immer von der Weko behandelt, obwohl eigentlich Sie für Preise zuständig sind. Wieso?
Das ist historisch so gewachsen, weil man da eine europäische Regulierung ein Stück weit nachvollzogen hat. So ist das bei der Weko gelandet. Wir haben uns diesbezüglich immer eng ausgetauscht und abgemacht, dass die Weko das auch weiterhin betreut. Alle Gebühren, die die Kartenherausgeber betreffen, macht in der Regel die Weko. Dagegen sind Acquirer, die für den Handel Zahlungen abwickeln, bei uns.
Und wer eröffnet ein Dossier zu Twint?
Wir sind zu Twint im Kontakt mit der Weko und tauschen uns aus. Wir haben auch schon Informationen angefordert und mit dem Unternehmen gesprochen. Bei der Weko ist es etwas aufwendiger als bei uns, ein Dossier zu eröffnen.
Das heisst, Sie machen es.
Wir schauen uns das jetzt erst einmal an. Der eine Unterschied zur Weko ist, dass es bei ihr etwas höhere Hürden gibt für ein formelles Verfahren. Dafür hat die Weko strafrechtliche Möglichkeiten und kann Bussen verteilen. Ich kann nur Preissenkungen verfügen. Wenn wir bei den Vorabklärungen das Gefühl haben, dass tatsächlich auch eine Strafe drinliegen könnte, macht es natürlich mehr Sinn, wenn die Weko das Geschäft übernimmt.
Dass Sie das noch nicht entschieden haben, heisst also ...
Halt! Es ist noch immer alles offen. Keinen Sinn macht auf jeden Fall, dass wir beide ein Dossier zu Twint eröffnen. Daher sprechen wir uns ab. Es gibt noch einen Unterschied: Das Gesetz schreibt vor, dass der Preisüberwacher immer erst eine einvernehmliche Lösung anstreben muss. Sonst kann ich nichts verfügen. Bei der Weko ist das schneller ein formelles Verfahren, das dann meist durch die Gerichte geht, was Jahre dauern kann.
Bleiben wir bei den Banken. Sie haben nach der Übernahme der CS durch die UBS angekündigt, sich den Fall anschauen zu wollen. Was haben Sie gefunden?
Nichts, was uns zum Einschreiten gezwungen hätte. Wir sind weiterhin in Kontakt mit der Bank und anderen zuständigen Behörden – also Finanzmarktaufsicht, Weko und Nationalbank. Zu Beginn der Übernahme erhielten wir viele Beschwerden.
Worüber?
Zu den Konditionen von Unternehmenskrediten, teilweise auch zu Hypotheken – auch von Privaten, was mich eher überrascht hat. Aber die Klagen haben abgenommen.
Wie erklären Sie sich das?
Das hat sicher mit der Tiefzinsphase zu tun. Wenn das Zinsniveau sinkt, ist es für Kunden einfacher, günstige Kredite zu erhalten – sogar wenn die Bankenmarge steigt.
Das heisst, die Geldpolitik hat der UBS zuletzt geholfen, weil sie die Marge erhöhen konnte, ohne dass die Zinssätze stiegen?
In diesem Sinne: Ja, das war sicher so.
Reden wir über den Strom. Hier hat der Bund zuletzt den Zinssatz gesenkt, den die Monopolisten ab 2026 auf ihren Investitionen verrechnen dürfen: Von 3,9 auf 3,4 Prozent. Reicht das? (zögert)
Das wäre eigentlich eine einfache Ja-/Nein-Frage.
Aus Ihrer Sicht vielleicht schon! Nach Jahren des Pickelns hat es hier immerhin etwas Bewegung gegeben. Wenn man sich den Widerstand der Branche anschaut und wie sie kommunikativ auf die Zinssenkung reagiert hat, könnte man meinen, die Apokalypse breche nun über die Stromversorger herein.
Sind Sie der Totengräber der Stromversorgung?
Die Strombranche mag das so sehen. Aber diese Angstmache ist aus meiner Sicht übertrieben. Halten wir fest: Die Netzkosten dürfen weiterhin voll auf die Tarife überwälzt werden. Der Kapitalgeber, in aller Regel die öffentliche Hand, erhält eine etwas geringere Entschädigung für das zur Verfügung gestellte Kapital – vereinfacht gesagt, einen etwas tieferen Gewinn. Ich bin froh, dass es endlich diese Zinsbewegung gab – es geht um einen dreistelligen Millionenbetrag, den wir alle weniger zahlen müssen. Ich wäre mit meinen Berechnungen rund 1 Prozentpunkt tiefer gelandet. Aber man muss zufrieden sein, dass immerhin etwas möglich war.
Stört es Sie als Preisüberwacher, wenn der Staat seine eigenen Bürger mit überhöhen Preisen abzockt?
Sagen wir es mal diplomatisch: Wir sind noch lange nicht so weit, dass alle potenziellen Governance-Konflikte ausgeräumt sind. Das sehen wir beispielsweise auch bei Spitälern, die den Kantonen gehören, und bei denen man noch weit entfernt ist von einer Entflechtung.
Der Bundesrat hat angekündigt, die freie Anbieterwahl mit Blick auf das EU-Stromabkommen einzuführen. Bringt das Herrn oder Frau Meier wirklich etwas?
Eine Liberalisierung nur um der Liberalisierung willen macht keinen Sinn. Entweder muss diese zu besseren Preisen oder zu einer besseren Qualität führen. Ich habe meine Zweifel, ob der Wettbewerb beim Strom wirklich intensiv sein wird. Bei den Krankenkassen, wo wir einen regulierten Wettbewerb und deutlich höhere Kosten haben, liegen die jährlichen Wechselquoten zwischen dem einstelligen und tiefen zweistelligen Prozentbereich. Aber anderseits haben alle Länder um uns herum einen freien Wettbewerb beim Strom, und das scheint zu funktionieren, wenn die Netztarife streng überwacht werden.
Wie gross ist die Gefahr, dass die Stromversorger bei einer Marktöffnung ihre Kosten einfach vom freien Energiegeschäft in den Netzbetrieb verschieben, wo sie als Monopolisten weiterhin alle Kosten weiterverrechnen können?
Buchhalter haben den Ruf, langweilige und unkreative Menschen zu sein. Das ist falsch. Es gibt kaum eine kreativere Berufsgattung als die Buchhaltung. Dass diese Kreativität auch hier entfaltet werden könnte, schliesse ich nicht aus. Der Gesetzgeber ist gefordert, Regeln zu erlassen, die Quersubventionierungen verhindern und dafür sorgen, dass die Risiken der Energielieferung nicht durch höhere Netztarife gedeckt werden. Ebenfalls wäre wichtig, zu verhindern, dass die Gemeinden die Konzessionsabgaben erhöhen, wenn der gemeindeeigene Netzbetreiber aufgrund des zunehmenden Wettbewerbs weniger Gewinne ausschütten kann.
Aus dem Parlament wehte Ihnen zuletzt ein etwas stärkerer Wind entgegen. Es gibt gerade grosse Versuche, das Kartellrecht abzuschwächen.
Der Liberalismus hat es sicher schwieriger als auch schon. Es ist einfach, in Zeiten wie diesen Ängste zu schüren. Wir leben in einer Welt, die nicht gerade Vertrauen einflösst. Und da stehen sich Freiheit und Sicherheit oft als vermeintliche Widersprüche gegenüber. Die Schweiz war noch lange das Paradies der Kartelle, wir haben mit den Liberalisierungen viel später begonnen als die EU. So richtig hat das noch immer nicht den Weg in unsere DNA gefunden.
Und das nützen nun die aus, die in die Kartellwelt der 90er-Jahre zurückwollen.
Oder noch weiter. Der Wind bläst definitiv in diese Richtung. Wettbewerb bedeutet immer auch, Mut aufbringen zu müssen und an sich zu glauben. Wenn das verloren geht, wird es sicher auch für uns schwieriger.
Sie traten einst an, die Hochpreisinsel zu bekämpfen. Haben Sie das geschafft?
Wenn wir die Statistiken anschauen, sind wir zumindest stabil. Zuletzt war die Inflation im Euroraum deutlich höher als bei uns, der starke Franken hat Importe verbilligt. Wir sind in vielen Bereichen noch eine Hochpreisinsel, aber es gibt auch Bereiche, wo die Preise tiefer sind.
Zum Beispiel?
Bei Elektrogeräten, überall da, wo es einen funktionierenden, stark normierten Handel gibt. Bei jedem neuen iPhone bringt «20 Minuten» den gleichen Artikel zu den Preisen. Und da sieht man dann immer auch, dass es sich nicht lohnt, dieses im Ausland zu kaufen, weil es bei uns günstiger ist.
Gleichzeitig kostet mein Nivea-Deo noch immer viel mehr als in Deutschland.
Dazu hat die Weko ja nun eine Untersuchung eröffnet, nachdem die Migros eine Anzeige eingereicht hat. Da ich mit beratender Stimme in der Weko sitze, kann ich mich nicht im Detail dazu äussern. Es gibt bereits einen ähnlich gelagerten Fall zur französischen Verlagsgruppe Madrigall, der vorgeworfen wird, Schweizer Buchhändler zu höheren Preisen zu beliefern als französische. Das ist nun am Bundesverwaltungsgericht, und ich bin sehr gespannt, wie das herauskommt. Der Kampf gegen die Hochpreisinsel ist definitiv kein Sprint.
Sie müssten ein Fan des Einkaufstourismus sein, weil dieser Druck auf die Importpreise macht. Die Senkung der Mehrwertsteuer-Freigrenze dürfte ihnen keine Freude gemacht haben.
Ich war gegen die Senkung. Ich habe das Gefühl, dass man die Leute einsperren will. Diese Stimmung gegen den Einkaufstourismus empfinde ich als zutiefst unliberal.
Aber schadet der Einkaufstourismus nicht der Schweizer Wirtschaft?
Was macht ein Warenhaus gross anders als ein Einkaufstourist? Wenn wir das Sortiment in hiesigen Läden anschauen, stammen die wenigsten Produkte aus dem Schächental. Wir leben in einer globalisierten Welt, auch die Händler füllen ihre Regale mit Importen. Also betreiben auch sie Einkaufstourismus. Ich finde es falsch, wenn man den Leuten einen Vorwurf macht, wenn sie den Wettbewerb für sich nutzen.
Sie sind nun seit 17 Jahren Preisüberwacher. Ziehen wir mal eine Bilanz: Funktioniert dieses Amt eigentlich gut? Haben Sie alles, was es braucht, um Ihren Auftrag umzusetzen?
Ich könnte jetzt in die übliche Beamtenjammerei einstimmen und mehr Ressourcen fordern, aber ich rede lieber über die Vorteile, die unser Set-up hat. Wir sind eine kleine, sehr kleine Organisation – und damit sehr agil. Das stimmt für mich. Unser grösster Vorteil ist, dass der Gesetzgeber beim Preisüberwacher weniger auf formelle Verfahren setzt als auf Kompromisse. Ich bin eigentlich ein Mediator.
Mediation ist aber oft auch zahnlos. Sie haben selten Biss, sondern können vor allem fauchen und müssen dann hoffen, dass man die Verfügungen durch die Gerichte bekommt.
Bei Booking haben wir jetzt aber ganz fest zugebissen. Wenn ein Unternehmen mit seinen Preisen um knapp einen Viertel runtermuss, ist das nicht mehr nur ein Fauchen. Oder zumindest ist es ein qualifiziertes Fauchen.
Aber bis das rechtsgültig ist, sind Sie wohl nicht mehr in Ihrem Amt.
Wer weiss? Ich habe nicht vor, frühzeitig in Pension zu gehen.
Wie viele Fälle gewinnen Sie vor Gericht?
Bei uns gehen wenige Fälle vor Gericht. Die Unternehmen haben ein Interesse, dass es gar nicht so weit kommt. Oft findet man sich in einer einvernehmlichen Lösung. Und da ist es mir auch egal, wenn es heisst, das sei zahnlos. Am Ende zählt das Resultat. Dank uns wird jedes Jahr ein dreistelliger Millionenbetrag eingespart.
Ich habe die Frage vorher schon halb gestellt: Wann treten Sie zurück?
Ich habe keine entsprechenden Pläne. Dieses Amt entspricht mir unglaublich, ich mache das gern. Und solange ich Ergebnisse erzielen kann, möchte ich das auch weiterhin machen.
Verstehen Sie die Frage nicht? Es gibt wenige Chefbeamte, die länger im Amt sind als Sie. Bei Ihnen sind es bald 17 Jahre.
Letztlich müssen andere beurteilen, ob ich meine Arbeit gut mache. Aber die Erfahrung kürzt auch vieles ab. Zu Beginn haben viele Firmen versucht, Zahlen zu beschönigen oder mich mit Einladungen an Anlässe zu besänftigen. Mittlerweile wissen alle, dass das nicht funktioniert, und da kommt man viel schneller zu einer Lösung.
Verglichen mit Ihren Vorgängern werden Sie eher selten öffentlich kritisiert, da gab es deutlich umstrittenere Preisüberwacher. Sind Sie zu lieb?
Fragen Sie das doch Booking.com. Oder die Interkommunale Anstalt Limeco, die unsere Preissenkung von einem Drittel gerichtlich bekämpft.
Hat es Ihnen zu Beginn Ihrer Arbeit in Wirtschaftskreisen nicht auch geholfen, dass Sie klar signalisiert haben, öfter die Verwaltung und Staatsbetriebe ins Visier zu nehmen?
Mag sein. Ich rede einfach mit allen und kenne keine Tabus. Ich begünstige auch keine Chefs von Staatsbetrieben, nur weil sie in der gleichen Partei sind wie ich.
Gab es je ein Verfahren gegen Microsoft? Sie waren einst Lobbyist für den marktmächtigen Softwarekonzern.
Ich trat noch bis vor wenigen Jahren in den Ausstand, wenn wir Preise von Microsoft untersuchten. Seither habe ich mehrere Briefe unterschrieben, die an sie rausgingen. Ich musste allerdings feststellen, dass dort niemand so viel Sitzleder hat wie ich, ich kenne da eigentlich niemanden mehr.
Etwas hat sich in all den Jahren nicht geändert: Ihr optisches Markenzeichen. Mögen Sie die Fragen zu Ihrer Frisur noch hören?
Sie dürfen schon fragen, aber meine Antwort ist eine einfache. Ich behalte die Frisur, solange sie meiner Frau gefällt.
Da ist Ihre Frau marktmächtig.
Sie ist sogar marktbeherrschend, denn sie hat ein Monopol. Und das ist für einmal gut so.