Darum gehts
- Grüne fordern mehr Transparenz bei Lebensmittelpreisen und Margen
- Allianz zwischen Grünen und Bauernpräsident gegen Preistreiberei der Detailhändler
- Studie: Schweizer Gemüsebauern verdienten 2022 nur zwei Rappen pro Gurke
Für die ehemalige Genfer Nationalrätin Isabelle Pasquier-Eichenberger (52) brachte ein Hackerangriff die Milchkanne zum Überlaufen. Er passierte vor drei Jahren bei der Molkereivereinigung Laiteries Réunies Genève. Das Datenleck deckte urplötzlich auf, was Migros und Coop lieber unter Verschluss halten: Die Bruttomargen der Detailhändler gelten in der Schweiz als vergleichsweise hoch.
Pasquier-Eichenberger trug den Aufreger ins Parlament: Mit einem Vorstoss will die Grüne die Kompetenzen der sogenannten Marktbeobachtung erweitern – und damit zu mehr Durchblick bei Kosten und Margen führen. Kommt das Anliegen bald auch im Ständerat durch, droht der Lebensmittelbranche der Preis-Pranger.
Grüne spannen mit Bauernkönig Ritter zusammen
Was bislang fast unbemerkt blieb: Beim Vorpreschen der Grünen kommt es zu einer bemerkenswerten Allianz. Auch «Erzfeind» und Bauernpräsident Markus Ritter (58) bietet Hand. Denn die fehlende Preistransparenz belastet auch das erste Glied der Kette: die Landwirte.
Im Jahr des Genfer Molkerei-Hacks sorgten zudem die Ergebnisse einer Studie des Westschweizer Konsumentenverbandes für Aufruhr: Die Schweizer Gemüsebauern werden immer schlechter bezahlt. 2022 verdienten sie an einer konventionellen Gemüsegurke im Detailhandel gerade einmal 2 Rappen. Im Jahr zuvor waren es immerhin noch 13 gewesen.
«Es kann nicht sein, dass die Bauern das ganze Risiko haben, aber fast nichts an ihren Produkten verdienen», sagte die Grünen-Nationalrätin Sophie Michaud Gigon (50, VD) damals gegenüber Blick. Die Geschäftsführerin des welschen Konsumentenverbandes hat mittlerweile von der ausgeschiedenen Pasquier-Eichenberger den Vorstoss übernommen.
Im Ständerat umstritten
Im Nationalrat kam die Forderung für mehr Transparenz an: Sowohl ihre Wirtschaftskommission als auch der Gesamtrat winkten das Anliegen in der Wintersession durch. In der kleinen Kammer hatte es die Allianz von Bauernkönig und Konsumentenschützerinnen aber schwer; die Schwesterkommission des Ständerats lehnte den Vorstoss knapp ab. Das Hauptargument: Mehr Klarheit schaffe nicht automatisch fairere Preise.
Diese Ansicht widerspricht zumindest den Ergebnissen der Westschweizer Preisstudie. Die befragten Landwirte nannten ihre Produzentenpreise nur zögerlich – und ausschliesslich anonym. Denn ohne Transparenz im Markt ist das Risiko gross, es sich mit den Abnehmern zu verscherzen – und dadurch noch stärker an den Rand des Existenzminimums gedrängt zu werden.
Migros und Coop wehren sich
Das hat auch damit zu tun, dass mit Migros und Coop zwei Unternehmen im Detailhandel, im Grosshandel und in der Gastronomie grosse Teile des Marktes dominieren. Zahlreiche Erhebungen – etwa der «Preismonitor» des Vereins Faire Märkte Schweiz bei Biolebensmitteln – errechneten bei den beiden Unternehmen Bruttomargen von bis zu 60 Prozent. Migros und Coop bestreiten die Darstellungen wiederholt. Der hart umkämpfte Detailhandelsmarkt würde solche Margen gar nicht zulassen, teilen beide Unternehmen auf Anfrage von Blick mit.
«Bruttomargen haben keine Aussagekraft, da sie den effektiven Kosten nicht Rechnung tragen», heisst es zudem von Coop. Dazu gehörten unter anderem Transport, Lagerung, Personalkosten, Mieten, Energie, Qualitätssicherung und «vieles mehr». Zudem verweisen beide Detailhändler auf ihre Organisation: Als Genossenschaften hätten sie kein Interesse, ihre Gewinne zu maximieren.
Auch der Preisüberwacher bekundet Mühe
Dass die Detailhändler damit recht haben könnten, schliesst selbst Preisüberwacher Stefan Meierhans (56) nicht aus. Der funktionierende Wettbewerb könne aber genauso verursachen, dass die Bauern zu wenig vom Kuchen abbekommen. Ein nicht angemessenes Einkommen für Produzentinnen und Produzenten gebe es dann auch bei fairen Endpreisen, so Meierhans gegenüber einer Publikation der Kleinbauern-Vereinigung.
Auch der Preisüberwacher hält den Vorstoss der Grünen für sinnvoll – um Transparenz für alle zu schaffen. Die Detailhändler sind dagegen gar nicht erfreut: Einen staatlichen Eingriff in die Preis- und Margenpolitik lehnen Coop und Migros klar ab. Es gehe um «sensible Daten», fügt Letztere an.
Auf die Frage, ob die eigene Preispolitik mit dem abnehmenden Einkommen bei den Produzentinnen und Produzenten zusammenhänge, antwortet die Medienstelle der Migros kurz und klar: «Nein.»