Diese Geheimnisse verstecken sich im Schweizer Pass
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Nur unter UV-Licht sichtbar:Diese Geheimnisse verstecken sich im Schweizer Pass

Notpassbüro-Chef
Dieser Mann rettet jedes Jahr Tausende Ferienreisen

Oh Schreck! Beim Check-in am Flughafen merkt man: Der Pass ist abgelaufen! Das Herz rutscht in die Hose. Doch keine Panik! Das Notpassbüro um Leiter David Squindo leistet Hilfe: Es rettet jedes Jahr Tausende Ferienreisen.
Publiziert: 10.08.2025 um 20:29 Uhr
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Aktualisiert: 11.08.2025 um 00:25 Uhr
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David Squindo entspannt sich kurz auf der Aussichtsterrasse des Flughafens, einem der beliebtesten Ausflugsziele der Schweiz.
Foto: Remy Steiner
Text Max Fischer Fotos Rémy Steiner
Schweizer Illustrierte

Das Büro von David Squindo (56) befindet sich an der Ecke beim Check-in 1 am Flughafen Zürich. In der Nähe vom «Starbucks», beim Polizeiposten der Kantonspolizei. Zwei Schalter in einem kleinen, unscheinbaren Raum. Die Badehosen sind gepackt, die letzten Mails verschickt. In der Aufregung vor der Abreise denken viele nicht an ihre Dokumente. Ein Vater meldet sich mit seiner kleinen Tochter am Schalter. Er hat festgestellt, dass der Pass des Kindes nicht mehr gültig ist. Am folgenden Tag wollen sie nach Kroatien verreisen. Mit welcher Airline? Das weiss er nicht. Er ruft seine Frau an.

Artikel aus der «Schweizer Illustrierten»

Dieser Artikel wurde erstmals in der «Schweizer Illustrierten» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.schweizer-illustrierte.ch.

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Für viele Menschen sind Sie die letzte Rettung, Herr Squindo.
David Squindo: Diese Stelle bei der Kantonspolizei Zürich ist eine dieser Orte, in der die Aussage ‹Die Polizei, dein Freund und Helfer› wirklich zutrifft. Das ist notgedrungen nicht in jedem polizeilichen Bereich der Fall. Aber die Menschen kommen völlig ausser sich zu uns und verlassen uns in den allermeisten Fällen überglücklich. 

Mit einem Notpass?
Wir nennen ihn so, weil die Flugreisenden ohne gültigen Ausweis in grosser Not sind. Er ist auch bekannter unter diesem Namen. Aber offiziell ist es ein provisorischer Schweizerpass. 

Er sieht etwas anders aus als das Original.
Auf der Vorderseite unten ist ein dicker, weisser Balken aufgedruckt. Das Wichtigste aber: Dieser Pass verfügt über keinen Chip.

Was bedeutet das?
Es ist kein biometrischer Pass. 

Schränkt das ein?
Einzelne Länder wie etwa die USA schreiben einen biometrischen Pass vor. Auf einem Chip sind die Daten und ein Gesichtsbild gespeichert. Wir empfehlen Reisenden, sich bei der Fluggesellschaft oder dem entsprechenden Land zu erkundigen, ob sie mit dem provisorischen Schweizerpass einreisen können. 

150 Franken muss man für einen Notpass zahlen – er ist zehn Franken teurer als ein herkömmlicher Schweizer Pass.
Foto: Remy Steiner

Wie viele Notpässe stellen Sie im Jahr aus?
2024 waren es 6903. In den Ferienzeiten zeigt die Kurve nach oben. Dann stellen wir täglich jeweils um 20 provisorische Schweizerpässe aus. Im vergangenen Jahr hatten wir im selben Zeitraum bis in den Sommer rund 20 Prozent mehr Notpässe ausgestellt. 

Weshalb der Rückgang in diesem Jahr?
Vor dem Brexit konnten Sie mit der ID nach England reisen. Seitdem UK nicht mehr im EU-Raum ist, benötigt man einen Reisepass. Das ist bei Schweizer Touristen mit Verspätung angekommen. Deshalb betrafen in den letzten Jahren etwa 70 Prozent aller Notpässe Reisende nach England. 

Und weshalb jetzt nicht mehr?
Seit diesem Jahr benötigen Reisende nach England nebst dem Pass eine Electronic Travel Authorization. Ähnlich wie für die USA das ESTA-Formular notwendig ist. Wer nach England reist, muss sich vorgängig anmelden. Und bei diesem Prozess muss der Reisende eingeben, was für einen Pass er hat, wie lange dieser gültig ist und so weiter. Dann fällt es natürlich auf, wenn jemand keinen oder einen abgelaufenen Pass hat. 

Wie lange dauert es, bis Sie einen Notpass hergestellt haben?
Im Idealfall rund eine Viertelstunde. Doch während der Ferienzeit kann sich schon mal eine Schlange bilden.

Kann man diesen Notpass unbeschränkt benutzen?
Er ist ein Jahr gültig. Man muss ihn aber nach der Wiedereinreise abgeben. Diese Gültigkeit von einem Jahr kommt daher, dass viele Länder nur Pässe akzeptieren, die mindestens 1 Jahr oder 6 Monate über das Ende der Reise hinaus gültig sind.

Kleiner Schalter mit grosser Wirkung: David Squindo leitet das Notpassbüro am Flughafen in Zürich.
Foto: Remy Steiner

Was ist nun aber, wenn jemand den Pass vor Abflug zu Hause vergessen hat?
Dann habe ich die Herausforderung, diese Person zu identifizieren.

Geht das mit einem Führerschein oder einem SBB-Abo?
Nein, das sind alles keine Identitätsausweise.

Wie dann?
Schweizer Reisedokumente werden im Register für Schweizer Reisedokumente eingegeben. Dort sind die Daten und das Bild gespeichert. Wenn ich im System sehe, dass Sie einen Schweizer Ausweis haben, ergo Schweizer sind, und ich Sie aufgrund des Bildes identifizieren kann, stelle ich Ihnen einen Notpass aus. Das geht nur über die Datenbank und nicht über irgendwelche Ausweise und Karten.

Und was ist, wenn ich noch nie eine ID oder einen Pass hatte?
Dann wird es schwieriger bis unmöglich.

Ist ein Notpass für Babys oder Kinder trotz Gefahr einer Entführung möglich?
Ja. Über 90 Prozent unserer Mitarbeitenden im Notpassbüro arbeiten auch bei der Grenzpolizei. Das sind alles erfahrene Spezialisten, die sich mit der Problematik Ausweis kontrollieren und mit Grenzübertritten von Kindern auskennen. Zuerst müssen wir das Kind einwandfrei identifizieren. Dann die Eltern. Und wenn es sich nur um einen Elternteil handelt, müssen wir sicherstellen, dass dieser auch über das Sorgerecht verfügt.

Klappt das auch in einer Viertelstunde?
Das kann dann länger dauern.

Wie oft retten Sie Ferien oder Geschäftsreisen?
Wir führen keine Statistik. Aber in den allermeisten Fällen gelingt es uns.

Zeigen sich die Leute mit einem Souvenir aus den Ferien dankbar?
Ja, Souvenirs erhalten wir trotz dem Selfie-Zeitalter immer wieder in Form von Postkarten mit Feriengrüssen. Das ist ein schönes Feedback und stellt uns alle auf!

Souvenirs, die auch Polizisten annehmen dürfen: Postkarten-Feriengrüsse.
Foto: Remy Steiner

Kommt es auch vor, dass ein Manager dringend zu einem Meeting muss – und mit etwas Kleingeld nachhelfen will?
Sie meinen, wenn einer 300 Franken bezahlt, geht es doppelt so schnell? (Lacht.) Nein, ein solches Vorgehen ist mir noch nie zu Ohren gekommen.

Die Menschen kommen aufgelöst zu Ihnen. Sind Sie speziell geschult, um Sie abzuholen?
Die Förderung der Sozialkompetenz unserer Mitarbeitenden ist in den letzten 35 Jahren sukzessive in die polizeiliche Ausbildung eingeflossen. Unsere Leute im Notpassbüro sind top ausgebildet und alle sehr erfahren.

War Ihr Pass beim Check-in auch schon abgelaufen?
Zum Glück noch nie. Aber ich musste schon mit dem Auto umkehren, weil ich in der Reisehektik den Rucksack inklusive Pass zu Hause liegen gelassen hatte.

Wie lange sind Sie schon Ferienretter?
Im Notpassbüro arbeite ich seit fünf Jahren – bei der Kantonspolizei Zürich bin ich seit 34 Jahren und 7 Monaten. Wir haben hier zwei Aufgaben: Wir betreiben das Notpassbüro sowie die Ausweisprüfstelle. Wir sind die Ausweisspezialisten am Flughafen und bei der Grenzkontrolle, auch wenn es um Ausweisfälschungen geht.

Wie viele Leute arbeiten im Notpassbüro?
Wir setzen 25 Leute ein, die das als Nebenaufgabe zu ihrer Tätigkeit bei der Grenzkontrolle machen. Am Schalter ist eine Person, in Spitzenzeiten sind es zwei. Offen haben wir täglich von 5.30 bis 21.30 Uhr an sieben Tagen in der Woche.

Ich habe kürzlich meine ID verloren. Die Polizei schrieb mir, dass sie jemand gefunden hätte. Gleichzeitig teilte sie mir mit, dass sie die ID annulliert habe. Ich war echt wütend.
Wir haben oft Menschen, die ihre ID oder ihren Pass als vermisst melden. Später finden sie ihren Ausweis wieder und reisen damit herum. Und plötzlich haben Sie bei der Grenzkontrolle Probleme, das Gepäck muss wieder aus dem Flieger ausgeladen werden – und sie landen hier im Notpassbüro. Der Grund: Ein als verloren oder gestohlen gemeldeter Pass oder eine ID wird im System annulliert und verliert somit die Gültigkeit.

Ihr Tipp als Profi, damit man nie bei Ihnen im Notpassbüro strandet?
Ich empfehle einen Blick auf die Homepage der Airlines: Die meisten Fluggesellschaften informieren darüber, welche Dokumente man für die Reise in ein Land braucht. Ohne Identitätsnachweis ist man beim Reisen aufgeschmissen.

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