Polizei zieht Schraube an
Tessiner Razzia gegen Airbnb-Trickser

Im Ferienmonat Juli durchkämmten Beamte der Stadtpolizei Lugano das Stadtviertel Gandria. Die Polizisten wollen herausfinden, wer ohne die erforderlichen Genehmigungen Airbnb-Wohnungen an Touristen vermietet. Der Zeitpunkt der Razzia ist geschickt gewählt.
Publiziert: 00:01 Uhr
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Gandria liegt etwa 15 Autominuten von Lugano entfernt, direkt am See. (Symbolbild)
Foto: Switzerland Tourism

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Dorothea VollenweiderRedaktorin Wirtschaft

Gandria ist ein kleines, verträumtes Quartier der Stadt Lugano. Es liegt etwa 15 Autominuten vom Stadtzentrum entfernt, direkt am See. Es besteht aus winzigen Gassen, vielen Steintreppen und verwinkelten, alten Häusern. Viel gibt es hier nicht – für den Lebensmitteleinkauf müssen die Bewohnerinnen und Bewohner nach Lugano. Wer hier Ferien macht, geniesst die Abgeschiedenheit und das Nichtstun.

Doch in der zweiten Juliwoche wurde das verschlafene Örtchen direkt am Luganersee von einer Polizeirazzia aufgeschreckt. Die Polizistinnen und Polizisten gingen von Haus zu Haus und kontrollierten die Anwohner oder Feriengäste.

«Übernachten Sie in einem Airbnb?»

Blick-Leserin Martina Müller* bekam die Polizeikontrolle am eigenen Leib zu spüren. Sie verbrachte ihre Sommerferien mit ihren drei Kindern in Gandria, als die Staatsbeamten den Ort durchkämmten. Die 42-Jährige sass an diesem Morgen auf einem Steg am See und sah ihren Kindern beim Baden zu. «Plötzlich standen vier Polizisten vor mir», berichtet Müller.

Diese Personen seien in Zivil gekleidet gewesen, hielten ihr den Dienstausweis hin. «Übernachten Sie hier in einem Airbnb?», wollte eine der Polizistinnen wissen. Müller verneinte und fragte nach dem Grund der Befragung. «Wir wollen kontrollieren, ob es hier Airbnbs gibt, die nicht angemeldet sind», sagte die Polizistin.

Gegenüber Blick will die Luganer Polizei nicht über die Razzia in Gandria sprechen. Sie erklärt jedoch, dass sich ihre Dienststelle aktuell mit einem parlamentarischen Vorstoss beschäftige, der beim Stadtrat eingereicht wurde. Es gehe um das Thema Ferienwohnungen und deren Missbrauch am Luganersee. Beim Vorstoss dürfte es sich um die Anfrage der Sinistra Unita (Vereinigte Linke) an den Stadtrat von Lugano handeln.

Lugano soll Missbräuche aufdecken

Diese stellte im März in einem Schreiben, das Blick vorliegt, Fragen zum «besorgniserregenden» Trend bei der Zahl der Zweitwohnungen in der Stadt Lugano. Die Politiker fordern darin eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema. Nur so können Missbrauch und Wohnungsprobleme für Einheimische verhindert werden.

Unterzeichnet wurde der Vorstoss von mehreren Politikern der Fraktion La Sinistra. «Airbnb ohne Kontrolle auf dem Ceresio?», so der Titel. La Sinistra fasst darin zusammen, was bisher aus der Presse und den offiziellen Statistiken bekannt ist.

Einheimische werden verdrängt

In Lugano sei die Zahl der Airbnbs in den letzten Jahren unkontrolliert in die Höhe geschnellt, schreibt die Fraktion. Innerhalb eines Jahres stieg die Zahl der kurzzeitig vermieteten Wohnungen am Luganersee um 24 Prozent auf 1102 Einheiten. Damit liege der Anteil an Ferienwohnungen in Lugano bei 2,7 Prozent – deutlich mehr als in anderen Städten. In Zürich sind demnach rund 1,4 Prozent der Wohnungen Airbnbs, in Luzern rund 2 Prozent, in Genf 1,8 Prozent.

Diese starke Zunahme von Zweitwohnungen habe negative Folgen für die Luganeser: «Steigende Mieten, weniger Wohnraum für Einheimische und die daraus resultierende Schwierigkeit, eine Wohnung zu finden», heisst es im Schreiben.

La Sinistra fordert vom Stadtrat, dass die Daten zu Erst- und Zweitwohnungen auf dem neusten Stand gehalten und künftig jährlich veröffentlicht werden. Die Politiker wollen wissen, was der Stadtrat unternimmt, um Missbräuche und unerwünschte Entwicklungen zu überwachen und zu verhindern.

Tessin zieht Schraube an

Im Tessin gelten für Ferienwohnungen seit drei Jahren strengere Regeln als im Rest der Schweiz. Seit Februar 2022 müssen sich im Tessin alle registrieren, die ihre Zimmer und Wohnungen an Feriengäste vermieten. So sollen schwarze Schafe, die ihre Einnahmen am Fiskus vorbeischleusen und keine Kurtaxen bezahlen, aufgedeckt werden.

Private dürfen ihre Immobilien nur noch während maximal 90 Tagen als Ferienunterkünfte vermieten. Wer sein Heim für über 90 Nächte vermietet, gilt als gewerblicher Anbieter und braucht eine zusätzliche Bewilligung der Gemeinde.

Gandria ist laut dem «Corriere del Ticino» nicht das einzige Quartier in Lugano, das von der Stadtpolizei durchleuchtet wird. Laut der Zeitung führt ein eigens dafür geschaffenes Polizeikorps seit geraumer Zeit Hauskontrollen durch, um die Wohnungstrickser aufzuspüren. Wie viele schwarze Schafe bei diesen Kontrollen zum Vorschein kommen, darüber gibt die Polizei keine Auskunft.

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