Knatsch um Tempo 20
Appenzeller sollen wegen Touristen den Fuss vom Gas nehmen

Ein neues Verkehrsregime sorgt in Appenzell für rote Köpfe. Einheimische sollen wegen Touristen nur noch mit Tempo 20 durch den Ort fahren dürfen – auch in Zeiten, wo der Dorfkern leer ist. Der SVP gefällt das gar nicht.
Publiziert: 10:25 Uhr
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Aktualisiert: 19:10 Uhr
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Im Kern von Appenzell soll neu Tempo 20 gelten.
Foto: PD

Darum gehts

  • Appenzell plant Tempo-20-Zone im Zentrum wegen Tourismus-Auswirkungen
  • SVP Appenzell-Innerrhoden kritisiert Einschränkungen für Einheimische und Gewerbe
  • Keine Unfälle mit Personenschaden in den letzten Jahren
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Patrik BergerRedaktor Wirtschaft

Im Appenzellerland gehen die Emotionen hoch beim Thema Tourismus. Vor allem der Alpstein liefert immer wieder Geschichten, die schweizweit aufgenommen werden. Mal geht es um eine Gruppe von 50 Holländern, die am Fälensee campieren. Um einen Extremsportler, der sich beim bekannten Restaurant Aescher von einer Felswand stürzt. Oder um eine St. Galler Firma, die Übernachtungen im Fels anbietet. Aber auch der Kantonshauptort Appenzell sieht sich mit den Herausforderungen des Tourismus konfrontiert.

Gerade in den Sommerferien ist viel los in den Gassen des Dorfs mit seinen knapp 6000 Einwohnern. Busse aus halb Europa spucken Touristen aus, Wanderer kommen von den Appenzeller Hügel herunter, verpflegen sich und nehmen dann den Zug. Fussgänger, Velofahrer und Autofahrer kommen sich in die Quere. Kurz: Es wird eng.

Zentrum für Autos unattraktiver machen

Deshalb soll in Teilen des Dorfkerns bald Tempo 20 gelten, wie die «Appenzeller Zeitung» berichtet. Vom Landsgemeindeplatz über den Schmäuslemarkt bis zum Bahnhof entsteht eine Begegnungszone. Die Regierung erhofft sich davon mehr Sicherheit und eine höhere Aufenthaltsqualität, wie es heisst. Fussgängerinnen und Fussgänger dürfen die Strasse überall überqueren können. Sie haben gegenüber Autos, Lastwagen, Töffs und Velos Vortritt. Das Zentrum soll für den Individualverkehr unattraktiver werden.

Das passt nicht allen. Die SVP Appenzell-Innerrhoden macht Opposition gegen Tempo 20. «Einheimische werden so zugunsten der Touristen eingeschränkt», sagt Präsident Martin Ebneter zur Zeitung. Schlecht sei das neue Verkehrsregime auch für Handwerker, die aufs Auto angewiesen seien. Und fürs Gewerbe. Denn die neue Begegnungszone gelte immer, auch im Januar oder nachts, wenn keine Touristen unterwegs seien.

Einheimische kaufen nicht mehr ein

Für Ebneter sind die Folgen absehbar: Noch weniger Einheimische würden im Zentrum einkaufen. Läden würden verschwinden. Und durch Angebote für Touristen ersetzt. «Statt einer realen Verbesserung droht eine grün-ideologisch motivierte Verkehrsberuhigung, die unnötige Einschränkungen mit sich bringt», sagt Ebneter im Bericht. Für ihn reicht die aktuelle Regelung mit Tempo 30 aus.

In den vergangenen Jahren ist es zu keinem einzigen Unfall mit Personenschaden gekommen, wie die «Appenzeller Zeitung» weiss. Das freut Justizvorsteher Jakob Signer (parteilos). Das sei aber nicht selbstverständlich, betont er. Deshalb wolle man nun Tempo 20. Und so die Verkehrssicherheit weiter erhöhen. Regierungsmitglied Signer betont, dass schliesslich auch Einheimische etwas davon hätten, wenn die Plätze und Gassen in Appenzell lebenswerter gestaltet werden.

Wie geht es weiter? Bis Anfang August läuft die Rekursfrist. Die Regierung rechnet damit, dass Rekurse eingehen. Die werden dann von der Standeskommission geprüft. Auch die SVP Appenzell Innerrhoden hat sich einen Rekurs überlegt, verzichtet aber wohl darauf. Ebneter: «Wir finden es nicht gut, haben rechtlich wohl aber keine Chance, mit einem Rekurs durchzukommen.»

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