Kampf um Schweizer Kunden
Das grosse Bibbern bei den Nachbarn

Eidgenossen sind jenseits der Grenzen als Gäste begehrt. Augenschein im Posthotel Achenkirch, einem Tiroler Wellnesstempel.
Publiziert: 25.10.2020 um 02:18 Uhr
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Aktualisiert: 08.02.2021 um 20:34 Uhr
Das Posthotel Aschenkirch steht bei Schweizern hoch im Kurs.
Foto: zvg
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Reza Rafi

Sorgenfalten hat der Direktor keine. Dafür sieht der 40-Jährige einfach zu jugendlich aus. Wir sitzen in der Lobby seines Fünfsternetempels im tirolerischen Achenkirch, unweit einer Passhöhe zwischen Innsbruck (A) und München (D). Karl C. Reiter führt das Posthotel in vierter Generation. 2004 hat er es von seinem Vater übernommen. Reiter steuert das Unternehmen gerade durch eine der schwierigsten Zeiten. Vor ein paar Wochen setzte Deutschland das österreichische Bundesland Tirol auf die Risikoländerliste. Dadurch fiel der Löwen­anteil der Gäste über Nacht weg. Umso mehr weiss man Schweizer zu schätzen, die nun die grösste Quote der Kundschaft stellen. «Die Schweizer sind uns sehr wichtig», sagt Reiter.

Angewiesen auf Schweizer Geld

Schliesslich gehören die zahlungskräftigen Eidgenossen in allen grenznahen Regionen zu den beliebtesten Gästen – Burgund zum Beispiel, Elsass, Schwarzwald, Südtirol, am Comersee oder eben auch Österreich. Der bundesrätliche Entscheid vor zwei Wochen, Salzburg (A), Sardinien und Venetien neu auf die Liste zu setzen, bescherte den dortigen Gastgebern über Nacht leere Kassen.

Noch hat die Eidgenossenschaft Tirol nicht auf die Liste gesetzt. Die Touristiker um Innsbruck hoffen, dass es noch eine Weile so bleibt – man bibbert vor dem Damoklesschwert aus Bundesbern.

Im Wellnessgeschäft herrscht bereits im Oktober Hauptsaison. Reiter muss die Löhne von 170 Mitarbeitern zahlen. «Wir überstehen das», sagt er, «aber noch so einen Herbst können wir uns nicht leisten.» Der Betrieb ist von einer Poststation zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu einem Grossunternehmen angewachsen. Der Vater des Chefs war 1982 einer der Wegbereiter des Wellnesstourismus. Heute bietet Reiter seinen Gästen ein Rundum-Angebot mit einer wilden Stilmischung aus Alpenchic, Lifestyle-Trends und fernöstlichen Elementen.

In der Spa-Landschaft blicken Buddhafiguren auf pseudoantike Statuen, es gibt einen «versunkenen Tempel», einen Yin-Yang-Pool und am Frühstücksbuffet ein ­«Ayurveda-Müesli».

Natürlich wird neben Tennis, Golf und Fitness auch Yoga, Tai-Chi, traditionelle chinesische Medizin angeboten; neuster Hit ist die «Kraftritual»-Massage. Und die grosszügigen Zimmer haben nicht lediglich bequeme Betten – es gibt jetzt auch «Power Sleeping Rooms».

Kinderfreies Vergnügen

Im Wellnessgeschäft gehörte das Haus schon immer zu den Pionieren: Vor zehn Jahren verbannte Reiter Kinder aus dem Hotel und machte ein Erwachsenen-Resort daraus. Damals setzte es heftige Kritik, inzwischen sind ihm etliche Konkurrenten gefolgt.

All das steht nun auf dem Spiel. Ganz zu schweigen von dem Seiltanz, den Reiter wie jeder Gastgeber in Zeiten der Pandemie bestehen muss: Manche sagen ab, weil ihnen die Massnahmen im Hotel zu weit gehen. Andere bleiben fern, weil ihnen die Nähe zu den anderen Gästen doch zu gross ist. Reiters Strategie: höchste Hygienestandards, Schutzmasken, regelmässiges Lüften und Desinfizieren. Nur Aufgeben ist für ihn keine Option.

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