Darum gehts
Um das Wintersportgeschäft am Laufen zu halten, sind immer höhere Investitionen nötig. Derzeit sind in den Schweizer Alpen für mehrstellige Millionenbeträge rund ein Dutzend Bergbahnen geplant. Ob diese dereinst rentieren, ist offen. Der Skisport ist bei Schweizer und europäischen Gästen leicht rückläufig, wie eine Umfrage von Schweiz Tourismus zeigt. Es waren ausländische Gäste, speziell aus den USA, die in der letzten Wintersaison für ein «solides Ergebnis» sorgten.
Das neuste Schweizer Vorzeigeprojekt stand letztes Jahr jedenfalls häufig still: die luxuriöse Grossgondelbahn von Zermatt nach Cervinia mit beheizten Ledersesseln, Swarovski-Kristallen und Glasboden. Sie sollte bei voller Auslastung 1300 Personen pro Stunde transportieren. Doch die Retourtickets für 190 bis 240 Franken stiessen auf mässigen Anklang. Die Bahn wurde nur von 40’000 Gästen benutzt. Das ist sehr wenig. Rechnerisch hätte die Bahn im ganzen Jahr 2024 nur 30 Stunden laufen müssen, um alle diese Gäste zu befördern.
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Trotzdem entsteht bereits die nächste Schnellbahn zum Klein Matterhorn. Auch andere Schweizer Regionen planen neue Hightechbahnen in Höchstlagen, vielfach über geschützte Landschaften und Tiere. Das sorgt für Kritik von WWF, Pro Natura, Stiftung Landschaftsschutz und Mountain Wilderness. Nicht nur, weil die Bahnen die meiste Zeit des Jahres stillstehen, sondern auch weil sie eine ressourcenintensive künstliche Beschneiung erfordern (Stromverbrauch wie 188’000 Haushalte, Wasserverbrauch wie die Stadt Bern in einem Jahr).
Die wichtigsten Bergbahnprojekte der Schweiz im Überblick:
Samnaun/Ischgl: Skigebietserweiterung und Umweltbedenken
In Samnaun sind vier neue Bahnen für rund 90 Millionen Franken geplant, die das Skigebiet mit bisher 238 Pistenkilometern um 81 Hektaren erweitern: Zwei heizbare Hochgeschwindigkeitssesselbahnen und zwei Gondelbahnen sollen Samnaun und Ischgl enger zusammenrücken lassen. Ein Teil des Gebietes dient als Rückzugsgebiet für Gämsen, Steinböcke und Alpenschneehühner. Der Bund hat dem Richtplan zugestimmt, forderte aber eine Umweltverträglichkeitsprüfung. Wegen dieses Projekts wollte Bundesrätin Simonetta Sommaruga den Bau von Bergbahnen im Hochgebirge einheitlich regeln – doch ihr Nachfolger Albert Rösti hat die entsprechende Richtlinie stillschweigend gestoppt.
Fusion von Skigebieten: Crans-Montana, Adelboden und Kandersteg
Crans-Montana und Adelboden wollen ihre Skigebiete zusammenlegen – mit einer acht Kilometer langen Seilbahn über den Plaine-Morte-Gletscher. Die Machbarkeitsstudie soll Ende Jahr fertig werden. Kandersteg im Nachbartal soll direkt ab Bahnhof mit einer vier Kilometer langen Seilbahn ans Skigebiet von Adelboden/Elsigenalp angeschlossen werden – mit der Option des Ausbaus aufs Elsighorn.
Scuol und Leukerbad: Neue Erschliessungen trotz Widerstand
In Scuol im Unterengadin möchten die Bergbahnen mit einer Hochgeschwindigkeitsbahn das Val Tiral erschliessen, wo geschützte Wildtiere wie Schneehasen, Schneehühner und Alpensteinböcke leben. Der Bundesrat hatte vor fünf Jahren wegen «grosser Bedenken» die Richtplangenehmigung sistiert. Doch in Scuol will man mehr: eine Pendelbahn von rund neun Kilometern Länge zwischen Scuol, Samnaun und Ischgl – quer über eine Moorlandschaft von nationaler Bedeutung.
Zukunftsprojekte am Titlis, in Meiringen und Mürren
In Leukerbad soll die Talstation der Torrentbahn mitten ins Dorf verlegt und das Torrenthorn als «Erlebnisberg» erschlossen werden, «inklusive Pisten und Inszenierung», wie es auf der Projektwebsite zum Masterplan heisst.
Auch die Skigebiete von Melchsee-Frutt OW und Meiringen-Hasliberg sollen dank eines vier Kilometer langen Sessellifts zu einer «Erlebnisregion» werden. Und während eine Verbindung direkt ins Titlis-Gebiet aus Kostengründen sistiert wurde, schreiten am Titlis selber die Arbeiten an einer neuen Pendelbahn zügig voran – mit einem «Titlis Tower» der Stararchitekten Herzog und de Meuron. Dazu musste zunächst ein 800 Meter langer Infrastrukturtunnel unter dem Gletscher gebaut werden. Ziel des «Leuchtturmprojekts»: «Die Ertragsbasis für kommende Generationen sichern!»
Ähnlich in Mürren, wo derzeit die Schilthornbahn 20XX als «steilste Seilbahn der Welt» ausgebaut wird und künftig doppelt so viele Passagiere befördern soll. Am St. Moritzer Hausberg Piz Nair schliesslich kämpfen Ingenieure mit dem Permafrost und versuchen, die Bergstation dank 45 «Thermosiphons» zu kühlen und zu stabilisieren. Es ist laut Angaben der Verantwortlichen ein «Experiment mit offenem Ausgang».
Keine Alternativen zu Skigebietserweiterungen?
All diese Projekte setzen auf die erste von drei Strategien für Wintersportorte, die diese Woche von Schweiz Tourismus empfohlen wurden: «weiter mit Schneesport» – dank künstlicher Beschneiung, optimierter Pistenpräparation und der «Zusammenlegung der höchsten und schneesichersten Gebiete».
Um dem Klimawandel zu begegnen, schlägt Schweiz Tourismus zwei weitere Strategien vor: «mit unsicheren Schneeverhältnissen leben» – dank des Ausbaus alternativer Angebote wie Schlitteln und Snowtubing. Oder «auf andere Jahreszeiten setzen».