Darum gehts
- Zalando-Retouren werden laut Insider massenhaft vernichtet statt weiterverkauft
- MS Direct zerstört wöchentlich Tausende Retouren-Waren aus Kostengründen
- Warenwert von bis zu 40 Millionen Franken in sechs Jahren vernichtet
Beim Online-Moderiesen Zalando bestellt, aber mit Mängeln erhalten. Passt nicht, gefällt nicht? Kein Problem! Die Ware kann kostenlos zurückgeschickt werden. Doch was passiert dann damit? Kundinnen und Kunden erwarten, dass Zalando retournierte Artikel, sofern einwandfrei, wieder einlagert und neu verkauft. Oder an Outlet-Shops weiterreicht oder zumindest spendet.
«Das ist viel zu aufwendig», berichtet Markus H.* (33), der beim Schweizer Zalando-Partner MS Direct mit Sitz in St. Gallen angestellt ist. Weil er noch auf der Lohnliste seines Arbeitgebers steht, möchte er anonym bleiben. Brisant: Laut H. zerstört MS Direct am Standort Arbon TG wöchentlich Tausende Retouren: «Die Vernichtung sei kostengünstiger als ein Weiterverkauf – so habe ich das von Verantwortlichen gehört.»
Er könne diese Praxis nicht mit seinem Gewissen vereinbaren: «Parfüms mit chemischen Inhaltsstoffen, elektrische Geräte wie Haartrockner oder Rasierer, Kosmetikartikel, Shampoos, alles verpackt in Plastik oder Karton, wird in Mulden zusammengepresst und damit unverkäuflich gemacht.» Als Beleg schickt H. der Redaktion Bildmaterial, das er in Arbon aufgenommen hat.
8000 Artikel monatlich vernichtet
In einzelnen Fällen hält sich MS Direct an behördliche Anordnungen, räumt H. ein. Beauty-Artikel, deren Verkaufssiegel gebrochen sind, müssen aus Sicherheitsgründen vernichtet werden. Bei Kleidungsstücken sei dies aber nicht der Fall. Ein Weiterverkauf zu niedrigerem Preis käme aber einer Selbstkannibalisierung gleich, so die Logik von Zalando – deshalb weg damit!
«Alles, was B-Ware ist, wird weggeschmissen», führt H. aus. B-Ware sind Artikel mit einem Warenwert von deutlich unter 100 Franken. Allein im Bereich Beauty vernichte MS Direct bis zu 8000 Artikel pro Monat. Ein Viertel der retournierten Kleider werde vernichtet, doch sei dieser Prozess ausgelagert. Insgesamt komme man auf rund 15’000 vernichtete Artikel pro Monat, rechnet H. vor. Da kommt ganz schön was zusammen. Laut seiner Rechnung wurde in den letzten sechs Jahren ein Retouren-Warenwert von bis zu 40 Millionen Franken zerstört.
Für Zalando ist das offenbar verkraftbar, setzte man doch in der Schweiz im letzten Jahr 1,7 Milliarden Franken um, mehr sogar als Migros-Tochter Galaxus im selben Zeitraum. Was H. auch bitter aufstösst: Der Moderiese sei nicht nur im Bilde, dass MS Direct Retouren einfach in die Tonne werfe, sondern Zalando würde die Vernichtung noch ankurbeln.
Kommt hinzu: MS Direct macht auch das Inland-Versandgeschäft für den Schweizer Versandhändler Apfelkiste am selben Ort in Arbon, wo die Retouren von Zalando bewirtschaftet werden. «Auch da fällt viel Abfall an.» H. ist sauer: «Gute Ware im Millionenwert wird vernichtet, während Mitarbeitende aufgrund von Nachhaltigkeitszielen 45 Franken für die Nutzung des Parkplatzes zahlen müssen.»
Beschuldigte weisen Vorwürfe zurück
Blick konfrontierte die beteiligten Unternehmen mit den Vorwürfen. «Nur in sehr seltenen Fällen wird MS Direct beauftragt, defekte und unverkäufliche Waren zu entsorgen», sagt eine Sprecherin von MS Direct. Man weise die Vorwürfe zurück. Grundsätzlich laute der Auftrag, zurückgeschickte Ware so aufzubereiten, dass sie wieder in den Verkauf gegeben werden kann.
Eine Zalando-Sprecherin ergänzt: «Unser Ziel ist es stets, Artikel weiterzuverkaufen.» Das sei wirtschaftlich sinnvoll. Nur in Ausnahmefällen sei man zu einer Vernichtung verpflichtet. 98 Prozent aller retournierten Kleider würden über den Zalando-Shop direkt wieder angeboten oder später an Outlets und Hilfsorganisationen weitergereicht.
Die Firma Apfelkiste sagt, dass mangelhafte Ware «äusserst selten» bei MS Direct angeliefert werde. Komme dies vor, prüfe man eine Rücksendung oder biete die Produkte als Outletware an. Nur was unverkäuflich sei, werde entsorgt.
H., der die Verhältnisse in Arbon kennt, kann bei solchen Antworten nur den Kopf schütteln: «Das ist Wunschdenken, die Vernichtungsquote ist viel höher.»
* Name bekannt